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EU greift in Dioxin-Debatte ein

Dioxin ist längst zum grenzüberschreitenden Thema geworden und die EU reagiert. Auch europaweit könnte eine Verschärfung der Standards für Futtermittel Ergebnis der Dioxin-Krise sein. Das Europaparlament hat sich nun damit beschäftigt.

Von Doris Simon | 18.01.2011
    Nächste Woche wird ein Team des EU-Lebensmittel- und Veterinäramtes nach Deutschland reisen: Um beim Krisenmanagement in der Dioxin-Affäre zu helfen, so beschrieb EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli gestern Abend im Straßburger Europaparlament den Einsatz der Experten. Es gehe darum, zu verstehen, wie es zu der Belastung von Futter- und Lebensmitteln mit Dioxin kommen konnte und wie man diese in der Zukunft vermeiden könne. Der EU-Verbraucherschutzkommissar kündigte vor den Europaabgeordneten an, der Dioxin-Skandal in Deutschland werde rechtliche Konsequenzen haben:

    "Deshalb untersuchen wir, wie eine strikte Trennung hinzubekommen ist zwischen der Produktion von Fetten und Ölen für die Futtermittelproduktion und der von Fetten für die technische Nutzung. Ich erwäge auch, ob wir rechtsverbindlich und EU-weit verstärkte Dioxin-Kontrollen in jedem Stadium der Futtermittelkette einführen können."

    Vor elf Jahren legte die Europäische Union nach dem bislang schwersten Dioxin-Skandal in Belgien Grenzwerte für Dioxin in Futter- und Lebensmitteln fest. Doch seither ist es in der EU immer wieder zu erhöhten Dioxin-Werten in Lebensmitteln gekommen, und regelmäßig war dafür dioxinbelastetes Futter verantwortlich. Doch die Rufe nach einer besseren Kontrolle der Futtermittelherstellung und der Trennung der Produktion für Landwirtschaft und Industrie verhallten in Berlin und Brüssel jahrelang ungehört ebenso wie die Forderung nach klarer Rückverfolgbarkeit etwa von Fleisch. Nun drängt eine Mehrheit im Europaparlament die Europäische Kommission, endlich strengere Vorschriften auf den Weg zu bringen. Die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust:

    "Die immer wieder auftretenden Probleme bei der Lebensmittelsicherheit machen eines immer wieder deutlich: Wir müssen die ganze Prozesskette, sowohl Lebens- als auch Futtermittel, die komplette Rückverfolgbarkeit sicherstellen. Hier sind die EU-Verordnungen und die nationalen Gesetze nach zu bessern."

    Bislang hatte die Europäische Union jede offene Kritik am Krisenmanagement in Deutschland vermieden und mit Verständnis auf die komplizierten Zuständigkeiten und Informationswege durch die föderale Struktur in Deutschland reagiert. Doch inzwischen hat die Sorge in Brüssel zugenommen, vor allem seit bekannt wurde, dass ein niedersächsischer Futtermittelhersteller Informationen über seine Kunden verschwiegen hatte. EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli:

    "Ich habe daraufhin noch einmal mit Landwirtschaftsministerin Aigner gesprochen, denn die Nachricht vom letzten Wochenende hat mich beunruhigt: Ein Futtermittelhersteller, der nicht die vollständige Liste der Höfe übermittelt hat, denen er möglicherweise dioxinbelastetes Futter geliefert hat! Außerdem hatte der Futtermittelhersteller falsche Informationen gegeben über belastete Fette im Futter und deswegen mussten mehrere Hundert Höfe gesperrt werden!"

    Das einzig Erfreuliche an diesem Vorfall sei, so EU-Verbraucherschutzkommissar Dalli, dass die Belastung von betroffenen Lebensmitteln nur wenig über den erlaubten Dioxin-Werten gelegen habe: deshalb gebe es auch kein akutes Gesundheitsrisiko für Verbraucher, die diese gegessen hätten. Bisher hat sich der Verbraucherschutzkommissar nicht zu härteren Strafen geäußert für Unternehmen, die bei der Futtermittelherstellung bewusst billige Grundstoffe für die Industrieproduktion gebrauchen. Dagegen verlangen im Europaparlament inzwischen viele Agrarpolitiker Haftstrafen: Die müssten verhängt werden, wenn kriminelle Energie im Spiel sei, fordert etwa der CSU-Europaabgeordnete Albert Dess. Ihr sei klar, dass Verordnungen und Gesetze allein kriminelle Machenschaften nicht verhindern könnten, sagt die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust: Es dürfe aber nicht sein, dass die Strafen so niedrig angesetzt seien, dass die Unternehmen sie aus der Portokasse bezahlen könnten. Hier müsse die Europäische Kommission die Mitgliedsstaaten drängen, ihr Strafmaß zu überprüfen.