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EU-Ukraine-Gipfel
Korruptionsbekämpfung und Reformen im Fokus

Zum 19. Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine reist die EU mit einem beachtlichen Aufgebot nach Kiew, um die Bedeutung der Beziehungen zu unterstreichen. Große Entscheidungen stehen zwar nicht an, aber ein Wohlfühl-Gipfel wird es auch nicht werden. Probleme gibt es noch genug.

Von Florian Kellermann | 12.07.2017
    Ukrainer an der Grenze zu Polen. Seit dem 11. Juni dürfen ukrainische Staatsbürger ohne Visum in die EU einreisen.
    Seit dem 11. Juni dürfen ukrainische Staatsbürger ohne Visum in die EU einreisen. Die Annäherung soll aber noch weiter gehen. (AFP/Yuri Dyachyshyn)
    Die Vorzeichen für den Gipfel sind gut. Denn erst gestern hat der EU-Rat das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine gebilligt. Im September wird es demnach vollumfänglich in Kraft treten. Damit geht ein langer Weg zu Ende: Die Verhandlungen über das Abkommen begannen vor zehn Jahren. Dann, als der Vertrag stand, machte die Ukraine unter dem damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch plötzlich einen Rückzieher. Massenproteste in Kiew waren die Folge. Erst eine neue Regierung, die nach den Protesten ins Amt gekommen war, unterschrieb das Abkommen.
    Staatspräsident Petro Poroschenko versicherte im Vorfeld des heutigen Treffens:
    "Es bedeutet uns sehr viel, dass sich die führenden Politiker in der EU dafür eingesetzt haben, dass das Abkommen in vollem Umfang gelten wird. Wir werden weiterhin an der Implementierung der Reformen arbeiten, die in dem Abkommen vorgesehen sind. "
    Kiew hat Visafreiheit erreicht
    Genau um diese Reformen wird es bei dem Gipfel gehen. Schon in den vergangenen Jahren übte die EU starken Druck auf die Ukraine aus: Diese sollte endlich Ernst machten mit der Korruptionsbekämpfung. Ein Druckmittel ist inzwischen weggefallen: Vor einem Monat hat die Ukraine ihr langes Ziel erreicht, dass ihre Bürger ohne Visum in die EU einreisen können.
    Dafür hat sie zwar einige Institutionen zur Korruptionsbekämpfung geschaffen. Doch der Widerstand des korrupten Staatsapparats ist nach wie vor groß. Erst gestern weigerte sich das Parlament, auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Immunität von zwei verdächtigen Abgeordneten aufzuheben. Immerhin stimmten die Parlamentarier zu, dass Anklage gegen einen anderen, mutmaßlich korrupten, Abgeordneten erhoben werden kann - gegen Boris Rosenblatt von der Partei von Präsident Poroschenko.
    Korruptionsbekämpfung kommt kaum voran
    Als effektives Mittel gegen Korruption könnten sich die Vermögenserklärungen erweisen, die Politiker und hohe Beamte veröffentlichen müssen. Doch nur wenige dieser Erklärungen würden auch überprüft, sagen Experten. Sascha Drik von der Nicht-Regierungsorganisation "Bürgerliches Lustrations-Komitee":
    "Es ist die wichtigste Aufgabe der Anti-Korruptions-Agentur, diese Erklärungen zu überprüfen. Aber bisher hat sie weder gezeigt, dass sie diese Aufgabe erfüllen kann, noch, dass sie dies will. Der Hauptgrund dafür ist wohl, dass niemand an der Staatsspitze daran interessiert ist, dass dieses System funktioniert."
    Außerdem wird es bei dem Gipfeltreffen wieder einmal um den Konflikt in der Ostukraine gehen. Dort gibt es seit vielen Monaten kaum substanzielle Neuigkeiten, beide Konfliktparteien verletzen ihre Verpflichtungen aus dem Minsker Friedensabkommen. Auch eine jüngst ausgerufene Waffenruhe, die einer sicheren Getreideernte dienen sollte, ist brüchig. Zumindest soll es bald zu einem neuen Treffen im sogenannten Normandie-Format kommen, also zwischen der Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland. Auch die USA wollen sich wieder stärker für einen Frieden in der Ostukraine engagieren, gerade war deshalb US-Außenminister Rex Tillerson zu Gast in Kiew. Der Politologe Mykola Beleskow:
    Wirtschaftliche Beziehungen sollen ausgebaut werden
    "Tillerson hat der Ukraine berichtet, was beim G20-Gipfel besprochen wurde. So hat er den Einruck vermieden, die USA und Russland wollten sich hinter dem Rücken der Ukraine verständigen. Dass die USA mit Kurt Walker einen Beauftragten für den Ukrainekonflikt ernannt hat, ist außerdem ein Zeichen, dass dieser Konflikt zu ihren Prioritäten zählt."
    Auf der Tagesordnung des Gipfels stehen auch die wirtschaftlichen Beziehungen. Die Ukraine konnte ihre Exporte in die EU in den vergangenen Jahren deutlich steigern. Nun will das Land weitere Vergünstigungen bei der Ausfuhr seiner Waren erreichen, besonders in der Landwirtschaft. Aber auch die EU hat Wünsche: Sie möchte mehr Rohstoffe aus der Ukraine einführen, unter anderem Holz und Buntmetalle.