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EU will Energieverbrauch senken

Die EU-Mitgliedsländer, Verbraucher und Energieversorger sollen sparsamer mit Energie umgehen. Das sieht eine neue Richtlinie der EU-Kommission vor. Innerhalb der schwarz-gelben Bundesregierung sorgen die Pläne für Streit. Der Zwist zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium sei nichts Neues, sagt der Europaparlamentarier Peter Liese (CDU).

Peter Liese im Gespräch mit Jasper Barenberg | 15.02.2012
    Jasper Barenberg: Wer es ernst meint mit dem Klimaschutz, der muss auch und vor allem Energie sparen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Europa 2007 auf diese Linie getrimmt und ein gemeinsames Ziel durchgesetzt: 20 Prozent des Verbrauchs sollen bis 2020 eingespart werden. Doch die EU ist weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen. Energiekommissar Günther Oettinger will deshalb mit einer Richtlinie nachlegen und zum Beispiel Energieversorger verpflichten, ihre Kunden zum Sparen zu animieren und damit den Verbrauch um mindestens 1,5 Prozent im Jahr zu drücken. Wirtschaftsminister Rösler lehnt das ab – mit dem Argument Planwirtschaft. Umweltminister Röttgen dagegen sieht eine Chance für ein gutes Geschäft. – Am Telefon jetzt der CDU-Politiker Peter Liese, als Mitglied im Umweltausschuss des Europaparlaments mit dem Thema bestens vertraut. Guten Morgen.

    Peter Liese: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Der Umweltminister und der Wirtschaftsminister in der Regierung streiten sich. Auf welcher Seite stehen Sie?

    Liese: Also ich bin optimistisch, dass die beiden sich möglichst schnell einigen werden, und entscheidend ist für mich, dass wir das Ziel erreichen – nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern in Europa importieren wir jedes Jahr für 400 Milliarden Euro Energie. Die Kältewochen haben gezeigt, jetzt in den letzten zwei Wochen, wie knapp das ist, dass Russland schon wieder seine Gaszufuhr gedrosselt hat und dass auch der Strom knapp geworden ist. Also wir müssen effizienter werden, um dieses Problem zu lösen, und ich bin optimistisch, dass sich Rösler und Röttgen auf eine Linie einigen werden, wo wir das Ziel erreichen. Aber das muss nicht unbedingt eins zu eins der Vorschlag von Günther Oettinger sein. Da kann man durchaus einige Einwände von Herrn Rösler annehmen und den Vorschlag umschreiben. Wichtig ist nur, dass es jetzt überhaupt eine deutsche Position gibt.

    Barenberg: Welche Einwände halten Sie denn für stichhaltig?

    Liese: Wenn Herr Rösler beispielsweise sagt, dass diese 1,5 Prozent Einsparverpflichtung für manche kleine Stadtwerke ein Problem sein könnte, dann ist das ein Punkt, den wir im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments – wir sind ja mitentscheidend, also das kann der Ministerrat sowieso nicht alleine machen – den wir schon aufgenommen haben. Oder auch die Frage, dass wir unsere Maßnahmen, die wir in Deutschland geplant haben, die Gebäudesanierung durch zinsvergünstigte Kredite oder steuerliche Förderung, dass wir die auch anerkennen können. Also es muss nicht unbedingt ein bestimmtes Modell sein für alle in Europa. Wichtig ist, dass wir alle sparen, und das deutsche Energiekonzept sieht ja auch eine Einsparung von 20 Prozent vor bis 2020, und auf der Basis sollte Deutschland verhandeln. Und wie gesagt, ich bin natürlich auch verärgert, dass das so lange dauert, aber ich bin optimistisch, dass in den nächsten Tagen endlich eine deutsche Position zu Stande kommen wird.

    Barenberg: Wenn es so weiterläuft wie bisher, Herr Liese, wenn wir über diesen Punkt sprechen, den Punkt Energieeinsparen, dann landet Europa 2020 ja nicht bei 20 Prozent Einsparung, sondern, sagen wir mal, bei rund 10 Prozent. Wie viel Druck muss jetzt her und hat Günther Oettinger, der Energiekommissar, nicht recht, dass er jetzt die Daumenschrauben anlegen will?

    Liese: Herr Oettinger hat absolut recht, dass wir etwas tun müssen. Ich würde das nicht als Daumenschrauben bezeichnen. Wir müssen dieses Ziel erreichen, weil wir uns sonst unglaubwürdig machen, wenn wir unsere eigenen Ziele nur auf dem Papier stehen haben, und weil wir sonst einfach auch noch abhängiger werden. Für Deutschland ist es besonders wichtig, weil wir ja aus der Kernenergie aussteigen wollen, ungefähr auch 2020 – die zwei Jahre machen keinen großen Unterschied aus -, und wir müssen ja Kernenergie ersetzen und möglichst nicht durch noch mehr Abhängigkeit vom russischen Gas. Also Oettinger ist voll auf dem richtigen Kurs; es gibt aber durchaus natürlich die Möglichkeit, über den Vorschlag zu diskutieren. Wenn er zum Beispiel vorschlägt, dass jede öffentliche Institution, also auch kleine Gemeinden, jedes Jahr drei Prozent ihrer Gebäude sanieren müssen, dann bin ich auch der Meinung, dass man das etwas flexibler machen kann. Man kann zum Beispiel im privaten Bereich mehr machen, dann muss man nicht so eine starre Zahl im Bereich der öffentlichen Gebäude erreichen. Also es gibt sehr viele konkrete Lösungsvorschläge, Kompromissvorschläge. Der Umweltausschuss, wo ich die Zuständigkeit hatte für dieses Thema, hat schon einen Bericht vorgelegt und in den nächsten Tagen wird sich auch der federführende Ausschuss für Industrie und Energie im Europäischen Parlament damit befassen. Und niemand sagt, ihr müsst eins zu eins den Oettinger-Vorschlag annehmen, aber Oettinger hat natürlich völlig recht: nichts tun, die Hände in den Schoß legen, ist keine Antwort.

    Barenberg: Gegen die Kritik aus dem Wirtschaftsministerium macht ja der Umweltminister geltend, dass die Idee bestechend ist, dass mehr Wettbewerb dadurch entsteht, wenn man beispielsweise Energieversorger dazu zwingt, oder sie jedenfalls dazu anhält, ihren Kunden auch Möglichkeiten zum Sparen anzubieten. Wer das bessere Sparprogramm dann anbietet, gewinnt Kunden und kann dann auch mehr Energie verkaufen. Das funktioniert ja in Dänemark, in Italien beispielsweise, auch in Frankreich und Belgien. Warum soll das für Deutschland nicht funktionieren?

    Liese: Also es ist schon richtig, was Sie sagen, dass eigentlich alle großen Nachbarstaaten in der EU, auch Frankreich zum Beispiel, so ein System eingeführt haben und es recht gut funktioniert, und im Grunde ist es auch sehr viel effizienter als das Erneuerbare-Energie-Gesetz, das wir in Deutschland haben. Da wird mit mehr Aufwand für die Stromerzeuger weniger fossiler Brennstoff eingespart und weniger für die Umwelt erreicht. Es gibt trotzdem natürlich Einwände gegen dieses System, und wenn wir eine andere Möglichkeit finden, diese 1,5 Prozent jedes Jahr einzusparen, ist das gut.

    Barenberg: Welche wäre das denn, Herr Liese?

    Liese: Wir haben beispielsweise ja die steuerliche Förderung, die im Energiekonzept festgeschrieben ist, und wenn wir eine Einigung finden zwischen Bund und Ländern, wo sich die Länder auch einfach mal in die Pflicht nehmen, …

    Barenberg: Dann müssen die das zahlen?

    Liese: Nein, das zahlen Bund und Länder. Dann müssen beide etwas in den Topf tun. Die Länder haben den Oettinger-Vorschlag abgelehnt im Bundesrat und sie lehnen die steuerliche Förderung ab, so wie die Bundesregierung das vorgeschlagen hat. Man kann aber nicht, wie beispielsweise in Bayern, wo man 50 Prozent Strom aus Kernenergie hat und die bis 2022 vollständig ersetzen muss, einfach nur sagen, was man nicht will; man muss auch schon sagen, was man will. Ich möchte, dass jetzt alle Beteiligten in Deutschland – das gilt für Herrn Rösler und Herrn Röttgen, das gilt aber auch für die Länder – sich konstruktiv in die Debatte einmischen, denn als Land der Energiewende, das die Kernenergie ersetzen will, können wir bei dem Thema nicht länger auf der Bremse stehen, sondern wir müssen gute konstruktive Vorschläge machen, keiner klebt an den Detailregelungen. Aber man darf nicht immer nur sagen, was man nicht will, man muss auch sagen, was man will.

    Barenberg: Wie peinlich ist es denn aus Ihrer Sicht, dass Deutschland bei diesen wichtigen Verhandlungen, die da gerade im Gange sind, nur Zaungast ist derzeit?

    Liese: Ja das ist leider nichts Neues. Der Streit zwischen Wirtschaftsministerium und Umweltministerium, ich beobachte ihn seit Clement Wirtschaftsminister war und Trittin Umweltminister. Das hat es immer wieder gegeben, aber es ist natürlich nicht hilfreich. Gerade wenn ein deutscher Kommissar, der der CDU angehört, einen Vorschlag macht, dann wäre es schon an der Zeit, dass Deutschland sich jetzt da auch mal konstruktiv einlässt. Aber wie gesagt, ich bin optimistisch, dass das in den nächsten Tagen endlich geschehen wird.

    Barenberg: Und reden Sie auch mit Ihren FDP-Kollegen, im Europaparlament beispielsweise, damit Sie mehr Einfluss nehmen, dass eine Einigung dort vorankommt?

    Liese: Ich rede mit den FDP-Kollegen, aber ich rede auch mit Herrn Rösler genau wie mit Norbert Röttgen selber, und ich glaube, dass sich langsam etwas bewegt. Insbesondere weil auch Herr Rösler weiß, dass das Europäische Parlament an der Stelle mitentscheidend ist, und weil wir sehr konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt haben und der federführende Ausschuss das auch in den nächsten Tagen tun wird, bin ich einfach optimistisch, dass dieses seine Wirkung nicht verfehlen wird.

    Barenberg: Wir sind gespannt darauf. – Vielen Dank für das Gespräch, Peter Liese. Er ist Mitglied im Umweltausschuss des Europaparlaments und mit dem Thema Energieeffizienz bestens vertraut. Dankeschön!

    Liese: Gerne!

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