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"Europa ist zumindest ein Stück weitergekommen"

Der Präsident der "Frankfurt School of Finance and Management", Udo Steffens, wertet die große parlamentarische Zustimmung in Deutschalnd zur Erweiterung des Euro-Rettungsschirms als positives Signal für die Märkte.

Udo Steffens im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 29.09.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Scheitert der Euro, scheitert Europa. Es hat an Mahnungen der Kanzlerin nicht gefehlt, der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms heute zuzustimmen. Nicht weniger als die Zukunft der europäischen Integration stehe also auf dem Spiel. Aber nicht nur das: Würde die Abstimmung scheitern, wäre auch die Koalition so ziemlich am Ende. Vor rund 20 Minuten hat die namentliche Abstimmung im Bundestag begonnen. Es war bereits klar, dass das Gesetz eine Mehrheit bekommen würde, da SPD und Grüne ihre Zustimmung signalisiert haben. Die Frage ist nur: kommt die Koalition auf eine eigene Mehrheit, verfehlt sie die sogenannte Kanzlermehrheit. Das sind die spannenden Fragen heute.

    Wie erwartet steht also die Mehrheit für die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms. Darüber sprechen wir jetzt zunächst einmal mit Professor Udo Steffens, er ist Präsident der ""Frankfurt School of Finance and Management". Schönen guten Tag!

    Udo Steffens: Guten Tag.

    Heckmann: Herr Professor Steffens, scheitert der Euro, scheitert Europa. Diese Formel hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel ja immer wieder wiederholt. Ist der Euro, ist Europa jetzt gerettet?

    Steffens: Also Europa ist zumindest ein Stück weiter gekommen, indem, wenn Sie so wollen, das Ankerland in dieser krisenhaften Entwicklung, die Bundesrepublik Deutschland, dieser Erweiterung des Rettungsschirms prinzipiell mit einer großen parlamentarischen Mehrheit zugestimmt hat. Das ist im Prinzip auch, wenn Sie so wollen, eine nationale Aufgabe gewesen, auch von der Opposition so wahrgenommen, hier sozusagen zu Europa zu stimmen, auch wenn natürlich das ganze Oppositions- und Regierungskoalitions-Beiwerk und die damit verbundenen politischen Auseinandersetzungen uns nicht erspart geblieben sind.

    Heckmann: Die Koalition, Herr Professor Steffens, hat ja immer gesagt, wir retten damit nicht Griechenland oder die Banken, sondern den Euro. Ist das aus Ihrer Sicht so, oder ist es im Endeffekt nicht doch so, dass die Banken mal wieder rausgehauen werden?

    Steffens: Ja die Banken werden ein Stück weit natürlich rausgehauen, weil natürlich diese ganze krisenhafte Zuspitzung ist als Bankenkrise, wenn Sie so wollen, angefangen, hat sich dann zu einer Staatskrise weiterentwickelt, oder einer Staatsschuldenkrise, und ist natürlich letztlich jetzt wieder im wesentlichen eine europäische Bankenkrise, weil natürlich die Schuldtitel auf den Bilanzen der Banken im wesentlichen liegen, ohne dass man genau weiß, wo die Risiken eigentlich wirklich liegen, wie sie in Europa verteilt sind. Man spricht wenig über Versicherungen, wenig über Rückversicherungen, wenig über andere Fonds, aber da sind sie natürlich im wesentlichen verordnet. Und man kann natürlich den Banken jetzt nicht wirklich vorwerfen, dass sie ihre vornehmste Aufgabe, nämlich die Staatenrefinanzierung, wahrgenommen haben. Das ist eben auch politisches und eben auch Oppositionsbeiwerk. Was sollen sie denn machen, wenn sie nicht mehr die Staaten refinanzieren.

    Heckmann: Die Gegner allerdings sagen, wir werfen gutes Geld schlechtem Geld hinterher. Hat Griechenland denn überhaupt eine Chance, theoretisch zumindest, jemals seine Schulden zurückzuzahlen?

    Steffens: Nein, hat es nicht, weder theoretisch, noch praktisch. Es gibt verschiedene Analysen zu den sogenannten Primärüberschüssen, wenn Sie so wollen, also die Staatseinnahmen insgesamt minus notwendiger Staatsausgaben. Das wäre ja der Handlungsraum, mit dem man irgendwie dann auch die Schulden bedienen kann. Das wird ausgesprochen schwierig. Das heißt, man muss eben diesen Schuldenschnitt wie auch immer dann technisch ausgestaltet wagen, und zwar kräftig und tief muss man schneiden, und dann muss man die Auswirkungen in den Bilanzen der verschiedenen europäischen und auch internationalen Banken genau anschauen, um da dann eventuell Rettungsaktionen zu machen, denn es kann nicht in unserem nationalen und auch nicht in unserem europäischen Interesse sein, dass die Banken sozusagen Schiffbruch erleiden, weil dann – und das ist ja ein bisschen die Gefahr – eben eine wesentliche Infrastruktur moderner Gesellschaften zusammenbricht. Der Bankenzahlungsverkehr et cetera p.p. ist ja wie Brücken und Straßen, über die nicht Autos fahren, aber eben Geldtransfers, und da muss man schauen. Und man muss sehen, dass die Banken die Politik nicht sozusagen zum Gefangenen nehmen, und die Politik muss natürlich glaubhaft, wenn Sie so wollen, darlegen, dass sie von dieser Droge des immer weiteren Schuldenmachens zumindest perspektivisch ablassen.

    Heckmann: Jetzt wird ja immer wieder gesagt, bei diesen rund 210 Milliarden Euro, die Deutschland an Bürgschaften beisteuert, handelt es sich eben um Bürgschaften, nur um Bürgschaften. Aber streut man den Menschen damit nicht Sand in die Augen, wenn man schon davon ausgeht, dass Griechenland nicht alles wird zurückzahlen können?

    Steffens: Ein bisschen ist das so. Man will um jeden Preis den Währungsraum erhalten, das will auch Deutschland, um auch die unzweifelhaften Vorteile, die mit dem gemeinsamen Währungsraum verbunden sind, insbesondere auch für Deutschland, zu erhalten. Und sicherlich wird man diese vollen 210 Milliarden nicht auszahlen müssen, aber die potenzielle Gefahr ist: es ist ein Risiko, was die Bundesrepublik Deutschland, der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland auf den Schultern hat, und prinzipiell auch dafür Dispositionen treffen muss, dass eben auch ausgezahlt werden muss. Aber alles das hat eigentlich nichts mit der technischen Einheit einer Währung zu tun, sondern hier, finde ich, wird unstatthaft eine Verbindung getroffen zu der Währung und sozusagen den Staatsproblematiken, also den Staatsverschuldungsproblematiken, und den Bankenproblematiken. Das Geld ist eigentlich eine technische Einheit, aber wir sehen ja auch an der Stabilität insbesondere des Außenwertes, dass der Euro als solcher nach wie vor als alternativlos angesehen wird.

    Heckmann: Jetzt ist also beschlossen worden die Ausweitung dieses ersten Euro-Rettungsschirms. In Washington, während der Tagung von IWF und Weltbank, wurde schon spekuliert über eine weitere Ausweitung des Rettungsschirms. Da war die Rede von Hebelwirkungen, die genutzt werden sollen. Praktisch soll das heißen, der Rettungsschirm soll möglicherweise in Zukunft quasi unbegrenzt Kredite bei der EZB, bei der Europäischen Zentralbank, aufnehmen können. Ich schlage vor, wir hören mal zusammen rein, was Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute Früh dazu im Deutschlandfunk gesagt hat.

    O-Ton Wolfgang Schäuble:++"Keiner weiß, was die Zukunft noch bringt, das ist immer klar. Aber es ist nicht denkbar, dass es irgendeine Entscheidung gibt, die nicht vom Deutschen Bundestag getroffen wird. Das ist völlig klar. Das ist ja eine Grundsäule unserer demokratischen Verfassung. Über die Risiken zu Lasten des Bundeshaushalts, also zu Lasten der Gemeinschaft von uns Steuerzahlern, entscheidet das von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Parlament und sonst niemand."++

    Heckmann: So weit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute Früh im Deutschlandfunk. – Herr Professor Steffens, was sagt Ihnen diese Antwort?

    Steffens: Das sagt einerseits, dass die Politik, also die Exekutive, die Regierung anerkennen, dass die Budget-Hoheit der Parlamente, also auch des Deutschen Bundestages, nicht angetastet werden darf, und dass, wenn man erwägt, dass man, wenn Sie so wollen, das Volumen in dem Rettungsfonds als Eigenkapital ansieht, nur dann weitere Kredite über die EZB dazu noch nehmen kann, wenn eben die Parlamente, also wenn der Souverän, die Budget-Hoheit des Parlaments dann auch wirklich gewahrt wird. Das sagt das im Wesentlichen.

    Heckmann: Und es zeigt aber auch, dass entsprechende Überlegungen wirklich schon angestellt werden.

    Steffens: Ja, ich persönlich war in Washington und einerseits geht um doch unter den, wenn Sie so wollen, Granden der weltweiten Finanzwirtschaft die Angst wirklich, dass wir uns auf einen weiteren Zyklus nach unten bewegen könnten. Man sieht das an der hohen Volatilität in den Aktienmärkten, aber auch in den Anleihemärkten. Der Markt sucht quasi verzweifelt nach Boden, und dafür braucht er klare politische Indikationen und, wenn Sie so wollen, klare politische Führung. Es gibt keine guten Lösungen mehr in dieser Zeit, sondern man muss jetzt von der Politik einfach fordern, dass sie den Peilstab in den Boden rammt - ob der nun richtig steht, oder ein bisschen falsch, ist quasi egal -, damit die Märkte, wenn Sie so wollen, klare und dauerhafte verlässliche Orientierungspunkte haben.

    Heckmann: Das heißt aber, ich verstehe Sie richtig, die heutige Ausweitung des Rettungsschirms war nur ein erster Schritt?

    Steffens: Ich glaube, es war ein erster Schritt. Wir gehen weiter hinein in die Gestaltung des europäischen Währungsraums. Der EFSF, der jetzt ja noch mal aufgewertet worden ist und höher ausgestattet wurde, geht rein in den "European Stability Pact", wenn Sie so wollen, und das wird dann eben auch ein europäischer Währungsfonds, ein Fonds, der von Herrn Schäuble schon zu Beginn der Griechenland-Krise sehr stark gefordert worden ist, um auch europäisch autonom handeln zu können, um darüber dann eben, nicht über die Staatshaushalte, sondern darüber eben die großen Problematiken der Staatsdefizite insbesondere der südeuropäischen Länder finanzieren zu können, die aber dann in einer Perspektive von Dekaden wohl gemerkt, nicht von wenigen Jahren, in eine höhere Wettbewerbsfähigkeit einmünden müssen, denn diese Länder kämpfen einfach mit den Globalisierungsauswirkungen und haben weder ein Service-Angebot, noch ein Produktangebot, was eben mit den neuen Angeboten aus China, Indonesien, Brasilien in irgendeiner Weise standhalten kann. Das heißt, wir müssen auch akzeptieren wahrscheinlich, dass die Gleichheit der Lebensbedingungen dann eben nicht eingehalten werden kann. Das heißt, die Einkommens- und Verdienst- und Produktmöglichkeiten in südeuropäischen Ländern werden dauerhaft anders sein beispielsweise als in den nordeuropäischen Ländern, und das muss sich dann eben auswirken in Immobilienpreisen, in Lohnpreisen und so weiter.

    Heckmann: Der Bundestag beschließt die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms. Das war hier live im Deutschlandfunk Professor Udo Steffens von der Frankfurt School of Finance and Management. Besten Dank!

    Steffens: Ja, gerne. Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.