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Europas letzter Urwald
Abholzen eines Naturdenkmals

Der Bialowieski-Nationalpark in Polen und Weißrussland ist Unesco Welterbe. Auf der polnischen Seite sollen in den kommenden Jahren fünfmal so viele Bäume gefällt werden, wie bisher vorgesehen. Die staatliche Forstverwaltung begründet dies mit Borkenkäferbefall. Das glauben Umweltschützer nicht, sie vermuten kommerzielle Interessen.

Von Florian Kellermann |
    Drei Wisente weiden am 29. September 2002 unter einem Baum im Nationalpark Bialowieza in Polen. Der Park wurde 1992 von der Unesco in die Liste des Welterbes aufgenommen. |
    im Nationalpark Bialowieza leben auch zahlreiche Wisente (picture-alliance / dpa /_lehtikuva)
    Der Bialowieski-Nationalpark gilt als der letzte Urwald Europas. Er liegt etwa zur Hälfte im Nordosten von Polen und zur Hälfte in Weißrussland. Aber nicht im autoritär regierten Nachbarland der EU klagen Umweltschützer die Regierung an, den einzigartigen Wald zu zerstören.
    Vielmehr protestieren sie immer wieder in Polen für den Erhalt des Waldes. Ökologen befürchten nämlich, dass dem Ökosystem auf polnischer Seite der Kahlschlag droht, erklärt die linksgrüne polnische Aktivistin Magdalena Sroda:
    "Es ist doch merkwürdig, dass wir wieder einen Umweltminister haben, der eher mit der Wirtschaft verbunden ist als mit dem Umweltschutz. Für ihn, so scheint mir, sind die polnischen Wälder nichts als ein Lager für Holzbretter. Und das ist eine skandalöse Herangehensweise."
    Umweltschützer glauben Umweltminister nicht
    Die staatliche Forstverwaltung möchte, dass sie im Waldgebiet in den kommenden Jahren fünfmal so viel Bäume fällen darf wie bisher vorgesehen. Allein im vergangenen Jahr waren dies schon 7.500 Bäume. Grund sei, dass diese von Schädlingen befallen seien, erklären gleichlautend der Umweltminister Jan Szyszko und der staatliche Forstbetriebe "Lasy panstwowe". Konrad Tomaszewski, der Direktor der Forstbetriebe:
    "Wenn Bäume gefällt werden, dann für den Umweltschutz - und für die Sicherheit der Menschen, die sich am Waldrand bewegen. Wir haben es mit einer Art Krebsgeschwür zu tun, das den Urwald befallen hat - mit dem Borkenkäfer. Wir fällen Bäume also nicht aus kommerziellen Gründen."
    Umweltschützer glauben dem Minister und den Forstbetrieben nicht. Sie gehen davon aus, dass es der Regierung ums Geld geht, um Einnahmen, die sich aus dem Verkauf von wertvollen Laubbäumen generieren lassen. Der Borkenkäfer, so argumentieren sie, schade dem Wald nicht auf Dauer, er gehöre zum Ökosystem. Die Puszcza Bialowieska, wie das Gebiet auf polnisch heißt, habe sich immer wieder selber regeneriert, dafür brauche es die Regierung der rechtskonservativen Partei PiS nicht.
    Abschuss einer seltenen Tierart
    Dafür, dass die Regierung kommerzielle Interessen mit dem Wald verfolgt, gibt es Hinweise. So erlauben ihre Behörden auch den Abschuss der seltene Wisente, die es im Bialowieska-Naturschutzgebiet und anderswo in Ostpolen gibt. Rafal Kowalczyk, Direktor, des Säugetier-Instituts in Bialowieza:
    "Die Abschüsse werden genehmigt, obwohl das gesetzlich eigentlich gar nicht gestattet ist. Und die Genehmigungen werden verkauft. In einer Gegend sollen zehn Prozent des Bestandes geschossen werden, in einer anderen 15 Prozent. Wir sollten bedenken, dass die Wisente eine seltene Art sind, weltweit existieren weniger Wisente als Polarbären. Diese Abschüsse ist ein Versagen unseres Umweltschutzes. "
    Unesco schaltet sich ein
    Die Vorgänge in Nordostpolen schlagen inzwischen auch international Wellen. Die Unesco fordert Polen auf, einen Plan vorzulegen, wie der Wald in Bialowieza geschützt werden kann. Denn er steht als Naturdenkmal auf der Welterbeliste der Unesco. Mit dem Plan, den die Regierung bisher vorgelegt hat, sind Umweltschützer nicht einverstanden, so Lukasz Grabowski, ein Student im Fach Umweltschutz:
    "Ich hoffe, dass die Regierung sich noch besinnt und nicht noch mit einer weiteren internationalen Institution einen Kampf beginnt. Sie soll es doch mal patriotisch sehen: Der Urwald ist unser nationales Erbe, wir sollten ihn nicht zu Särgen verarbeiten."