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Evangelische Christen
Keine Mission an Muslimen?

Die Evangelische Kirche im Rheinland prescht vor: Sie stellt die gezielte Bekehrung von Muslimen zum christlichen Glauben infrage. Ein theologischer Aufschlag, der den Missionsbefehl Jesu neu oder umdeutet. Was sagen andere EKD-Kirchen zum rheinischen Vorstoß? Und wie reagieren evangelikale Christen, denen die Mission wichtig ist?

Von Thomas Klatt |
    Ein Muslim betet in Hamburg in der Centrums Moschee.
    "Es gibt Situationen, in denen die Mission an Muslimen ein No-go-Area ist." (picture alliance/dpa/Axel Heimken)
    "Wir versuchen Menschen so anzusehen, wie Gott sie ansieht. Nämlich als geliebte Geschöpfe Gottes, also kümmern wir uns gut um sie. Und wir sagen nicht, da kommen ganz, ganz viele Missionierungsobjekte zu uns und wir müssen die erst mal mit der Bibel in der Hand empfangen. Wir empfangen sie, indem wir sie einladen, wir ihnen ein warmes Bett geben, was zu essen, versuchen ihnen erste deutsche Worte beizubringen, und wir hoffen durchaus, dass sie uns fragen, warum macht ihr das?"
    Pfarrer Joachim Lenz ist Direktor der Berliner Stadtmission, die mehrere Notunterkünfte betreibt, in denen vor allem Asylsuchende aus islamischen Ländern betreut werden. Ob sich ein muslimischer Flüchtling aber nun für die biblische Botschaft interessiere, davon dürfe die christliche Hilfe nicht abhängen.
    "Es gibt Situationen, in denen die Mission an Muslimen ein No-go-Area ist. Zum Beispiel dann, wenn in eine unserer Notaufnahmen Menschen direkt aus einem Flüchtlingszug kommen, dann ist nicht die Zeit für Mission, dann ist Begegnung in Form der Diakonie."
    Aber der größte Teil der über 4 Millionen Muslime in Deutschland lebt schon lange hier. Da dürfte es kein Problem sein, diesen die Botschaft des Evangeliums näher zu bringen. Oder doch? Die evangelische Kirche im Rheinland hat nun ein Diskussionspapier an ihre Gemeinden versandt, um – so der Titel – über "Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen" zu beraten. Der rheinische Präses Manfred Rekowski sieht sich als Teil einer "missionarischen Volkskirche". Und das bedeutet für ihn, ins freundliche Gespräch mit dem Gegenüber einzutreten.
    "Eine strategische Missionierung von Muslimen ist nicht unser Thema. Unser Thema ist, dass wir uns auf die Menschen einlassen, dass wir als Christinnen und Christen Zeugnis geben, wir haben das im Rheinland mal ausgedrückt vom offenen Himmel erzählen, dass wir unseren Glauben leben. Und wir erleben im Zusammenleben mit Muslimen auch, dass Muslime die religiöse Dimension sehr stark in den Alltag unserer Gesellschaft bringen. Sie leben ihren Glauben viel unverschämter, viel weniger verschämt, als viele Christinnen und Christen das tun. Das heißt wir werden immer wieder gefordert, von unserem Glauben zu erzählen. Und von daher ist mein Erfahrung über viele Jahre auch als Gemeindepfarrer gewesen: Das Zusammenleben mit Muslimen bringt die religiöse Dimension ganz stark auf die Tagesordnung und das finde ich gut und richtig."
    Nur am Ende des Matthäus-Evangeliums steht der sogenannte Missionsbefehl. Und in dem sagt der Jude Jesus, dass seine Anhänger zu allen Menschen gehen sollen, die noch nicht im Bunde Gottes mit Israel stehen, also zu allen Gojim, zu allen Völkern. Diese sollen sie zu Jüngern machen, lehren und taufen. Und das gelte auch im 21. Jahrhundert, meint Hartmut Steeb, Generalsekretär der Evangelischen Allianz, dem evangelikalen Netzwerk, dem sich nach eigenen Angaben 1,3 Millionen Christen hierzulande verbunden fühlen.
    "Wir halten daran fest, dass die missionarische Grundaufgabe der Christen, nämlich anderen Menschen das Evangelium von Jesus zu sagen, sie dazu einzuladen, dass das unaufgebbar ist. Soweit in diesem Papier der Eindruck entstehen kann, dass das aufgegeben werden könnte, müssen wir das ablehnen."
    Jahrhundertelanger Missbrauch der Mission
    In dem rheinischen Papier wird aber betont, es gebe Beziehungen Gottes mit den Menschen jenseits jeglicher Mission. So habe er bereits mit Noah einen Bund des Lebens für jegliche Kreatur geschlossen. Später dann folgte der Bund mit Abraham: Stammvater nicht nur für Juden und Christen, sondern auch für Muslime. Dabei aber stehen zu bleiben, reiche nicht aus, warnt Steeb.
    "Natürlich berufen sich diese drei monotheistischen Religionen auf Abraham als ihrem Stammvater, aber als Christen berufen wir uns in erster Linie auf Jesus Christus. Und an der Person von Jesus Christus entscheidet sich sehr viel von unserem Glauben. Das heißt, wir halten daran fest, Jesus ist der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist. Jesus ist für unsere Sünden am Kreuz von Golgatha gestorben und Jesus ist auferstanden von den Toten, also unsere drei großen Feste Weihnachten, als auch Karfreitag, als auch Ostern. Und deshalb halten wir es für falsch, wenn man diese monotheistische Gemeinsamkeit hier überzieht und davon könne man ableiten, es gäbe keinen Missionsauftrag."
    Im rheinischen Papier wird auf den jahrhundertelangen Missbrauch der Mission hingewiesen, ob nun in den christlichen Kreuzzügen, der spanischen Reconquista oder eben der gewaltsamen Verquickung westlicher Kolonisation mit christlicher Mission in Afrika, Lateinamerika oder Asien. Aber daraus leitet der Vertreter der konservativen Evangelischen Allianz nicht ab, Mission aufzugeben, sondern sie besser zu machen. Daher seien auch große Evangelisationsfeste wie ProChrist weiterhin richtig.
    "Ein schlechter Gebrauch hebt ja den guten Gebrauch nicht auf. Dass es viele Fehler gab in der Vergangenheit ist überhaupt keine Frage. Das kann ja nicht sein, dass wir jetzt auf den Missionsauftrag verzichten, weil irgendjemand was falsch gemacht hat, wobei wir nicht bestreiten, dass viel falsch gelaufen ist."
    "Und das ist eine der Irrtümer, die wir in diesem Papier sehen, und weshalb wir sagen, wir können dieses Papier nicht gutheißen, weil es ja zum Ausdruck bringt, dass ich nicht überzeugt bin, dass meine Glaubenshaltung so gut ist, dass sie auch für andere gut wäre."
    Der rheinische Präses Manfred Rekowski will lieber einen "Dialog des Lebens", bei dem man sich gemeinsam hilft, gemeinsam lernt und gemeinsam feiert. Aber bei der immer wieder beschworenen Begegnung auf Augenhöhe solle auch Kritik möglich sein.
    "Nach den Ereignissen in Paris bin ich im Januar in Krefeld in einer Moschee gewesen und habe auch offen vom Antisemitismus gesprochen und den verheerenden Wirkungen, die er hat und auch dem Antisemitismus, dem man im islamischen Kontext begegnen kann. Und ich war in der Synagoge gewesen in Wuppertal und hab auch von der Islamophobie gesprochen und ich finde da sind wir gut unterwegs so offen und klar und deutlich zu reden - das ist unser Ding als Kirche."
    "Niemand wird gezwungen"
    Im Vordergrund stehe aber das Zusammenleben mit Muslimen im Alltag, in Kitas, Schulen, im Religionsunterricht oder in der Jugendarbeit. Und da dürfe es keine missionarischen Hintergedanken geben. Was er aber auch nicht wolle: sich verstellen oder seinen Glauben verstecken, sagt Manfred Rekowski, der rheinische Präses:
    "Also wenn ich einen Gottesdienst mache für eine Schule, für Lernbehinderte in Wuppertal. Zu der Gottesdienstgemeinde gehören, ich schätze mal grob, ein Drittel Katholiken, ein Drittel Protestanten, ein Drittel Muslime, dann spreche ich von meinem Glauben ohne Schere im Kopf. Und ich sage, was mir Halt gibt und ich sage, was mir Christus bedeutet. Und auf der anderen Seite gehe ich in diesen Gottesdienst selbstverständlich respektvoll mit den Muslimen, ihrem Gauben und ihrer Tradition um. Und ich erlebe, dass sie sich darauf einlassen können. Niemand wird gezwungen zu diesem Gottesdienst zu kommen. Sie kommen gerne und freiwillig dazu."
    Diese Einstellung vertritt auch Pfarrer Joachim Lenz von der Berliner Stadtmission. Werben für die christliche Botschaft könne er Andersgläubige wenn überhaupt nur durch sein Engagement.
    "Wir hatten schon mal zwei Araber, die sich bei uns am Abendessenstisch unterhielten und der eine sagte zu dem anderen, ich verstehe gar nicht, warum die uns so behandeln, wir haben doch gelernt, dass Christen Hunde seien. Das haben wir nur mitbekommen, weil einer unserer Wachschutzleute dabei stand und Arabisch verstand. Also wenn Menschen neugierig werden und fragen, warum wir das machen, dann werden wir ihnen erzählen, warum wir das machen und wie bei allen anderen Menschen würden wir uns freuen, wenn Menschen dann neugierig werden und auch nachfragen und dann auch auf Jesus Christus dann auch zu sprechen kommen."