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Experte: Kampf gegen Klimawandel nicht nur Frage der Technologie

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung organisiert derzeit ein Symposium mit Wissenschaftlern und Politikern über Strategien gegen Erderwärmung, Energiesicherheit und nachhaltige Entwicklung. Nach Ansicht von Institutsleiter Hans Joachim Schellnhuber gehe es dabei nicht nur um technologische Innovationen, auch die Gesellschaft müsse sich ändern.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Alle sprechen vom Klima, aber haben auch alle etwas Substanzielles dazu zu sagen? Es ist ja kaum noch überschaubar, was es an internationalen Konferenzen, Kolloquien, Tagungen und Gipfeltreffen gibt, deren Ziel es ist, das Klima zu retten oder wenigstens darüber zu diskutieren, wie man es retten könnte. Auf Einladung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung treffen sich heute und morgen etwa 15 Nobelpreisträgern mit anderen Wissenschaftlern vor allem, um ebenfalls über den Klimawandel zu diskutieren. Die Kanzlerin kommt kurz, der Umweltminister natürlich auch und zum Schluss soll es auch ein Memorandum geben. Professor Hans Joachim Schellnhuber ist Direktor des gastgebenden Instituts, Initiator dieses interdisziplinären Treffens. Er berät auch die Kanzlerin und ist nun am Telefon. Guten Morgen Herr Professor Schellnhuber.

    Hans Joachim Schellnhuber: Guten Morgen.

    Durak: Sagen Sie war es eigentlich schwierig, 15 Nobelpreisträger aus aller Welt für das Thema zu interessieren und vor allem zusammenzubringen und nach Potsdam zu holen?

    Schellnhuber: Ja. Es war mit die schwierigste professionelle Aufgabe, die ich bisher in meinem Leben bewältigt habe.

    Durak: Wie haben Sie die Damen und Herren überzeugt?

    Schellnhuber: Man muss im Grunde genommen seine gesamten wissenschaftlichen Netzwerke in Bewegung bringen und nutzen, um über viele persönliche Kontakte diese Personen zusammenzubringen. Es kommen ja nicht nur 15 Nobelpreisträger; es kommen zusätzlich noch 30 herausragende Wissenschaftler aus aller Welt. Letztendlich ist es so: Es gibt ein Überangebot von Konferenzen, Symposien und dergleichen zu diesem Thema und man muss klar machen im persönlichen Gespräch, dass diese Konferenz, dieses Symposium wichtiger ist als alle anderen.

    Durak: Wieso ist diese Konferenz wichtiger als alle anderen?

    Schellnhuber: Wir sind in einem entscheidenden Jahr. Sie wissen: In Bali wird diskutiert werden, wie wir das Kyoto-Protokoll durch ein Nachfolgeregime, wie das so schön heißt, ersetzen. Bis 2009 muss ein neues Klimaabkommen im Grunde genommen verabschiedet werden, damit wir beim Klimaschutz nicht völlig an Fahrt verlieren, und das ist eine gewaltige Herausforderung. In diesem Jahr ist aber auch klar, dass wir zu einer Lösung nur kommen werden, die zum Beispiel das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern nicht abwürgt, wenn wir ganz neue Innovationsmöglichkeiten in Gang setzen, wenn wir uns also der Wissenschaft in einem viel größeren Umfang bedienen, um Wohlstand zu schaffen, ohne gleichzeitig das Klima zu ruinieren.

    Durak: Dann ist das also auch eine wissenschaftliche Konferenz, aber gleichzeitig eine politische?

    Schellnhuber: Es ist das Zusammenbringen dieser beiden Gemeinschaften. Das ist der besondere Charme und ich muss Ihnen sagen, wie diese Idee vor vielen Monaten geboren wurde, wie ich sie mit Frau Merkel auch diskutiert hatte, ich habe nicht erwartet, dass sich das ganze umsetzen ließe, dass es Realität werden würde. Um so glücklicher bin ich, dass es jetzt geschehen ist.

    Durak: Obwohl die Bundeskanzlerin Protestantin ist, erlaube ich mir mal die Bemerkung, Frau Merkel muss man sozusagen nicht katholisch machen, was den Umweltschutz, die Klimaveränderung und die Rettung angeht. Wen wollen Sie überzeugen in der Politik?

    Schellnhuber: Natürlich muss man viele Personen, vor allem wenn sie wie die Bundeskanzlerin naturwissenschaftlich vorgebildet sind, nicht mehr davon überzeugen, dass wir ein Klimaproblem haben. Es geht jetzt darum: Werden wir als Gesellschaft - und hier meine ich explizit Weltgesellschaft - die Kraft haben, eine Neuerfindung der Industriegesellschaft, unserer Zivilisation in Gang zu bringen, die eben nicht mit massiven Verlusten verbunden ist für viele Menschen auf diesem Planeten. Es geht also darum: Können wir eine Transformation hinbekommen, bei der es im Wesentlichen nur Gewinner gibt oder hauptsächlich Gewinner statt eben sehr viele Verlierer. Das ist das Besondere und diese Lösungen liegen nicht auf der Hand. Die stehen auch nicht im Parteiprogramm. Die stehen nicht im Feuilleton von Zeitungen. Die Zukunft zu denken in ihrer ganzen Komplexität mit diesen enormen Herausforderungen, das ist eben eine Aufgabe, wo man die besten Köpfe zusammenbringen muss. Das heißt nicht, dass wir die perfekte Lösung finden, aber wir versuchen jetzt in einen Dialog einzusteigen mit den politischen Kräften, die durch die Frau Merkel sicher repräsentiert sind, die daran interessiert sind, dass wir bald eine Lösung bekommen.

    Durak: Herr Schellnhuber, Sie sind ein Optimist, sage ich jetzt mal, denn es ist ja in der Vergangenheit oft genug bewiesen worden, dass die hehren Absichten und mühsam gewonnenen Einsichten, mehr für das Klima, für die Rettung des Klimas zu tun, an den nationalen Interessen, an politischen Gegebenheiten, an wirtschaftlichen Interessen gescheitert sind. Weshalb sollte sich das jetzt ändern?

    Schellnhuber: Weil wir eben genau versuchen, Lösungen auf den Tisch zu legen. Ich meine der Schlüssel ist Innovation. Bei Innovation meine ich nicht nur neue Technologien; ich meine auch institutionelle Innovation, ich meine Innovationen im Bildungsbereich. Man muss die Städte der Zukunft wahrscheinlich wirklich neu erfinden. Die Städte wie sie jetzt gebaut sind, sind nicht nur die größten Erzeuger von Emissionen, Treibhausgasemissionen. Sie werden auch große Probleme haben, sich an den Klimawandel, selbst wenn wir ihn begrenzen, anpassen zu können. Insofern ist das Entscheidende, dass wir jetzt darüber nachdenken, wie diese Zukunft zu gestalten ist. Sehen Sie diese Nobelpreisträger, die kommen, aber auch viele andere, die dort sind, das sind Leute, die auf höchstem Niveau versuchen, verrückte Einfälle umzusetzen möglicherweise in neue Systeme, in neue Erfindungen, in neue Technologien. Es wird wahrscheinlich so sein, dass wir so was wie eine neue Gründerzeit brauchen, um zum Beispiel Energiesicherheit zu erzeugen bis Ende des Jahrhunderts. Dafür müssen wir tausend Pferde starten lassen, tausend Pferde ins Rennen schicken und vielleicht werden ja drei oder vier das Ziel erreichen. So wie eben in den 50er Jahren der Transistor erfunden wurde, der uns die Informationsgesellschaft beschert hat, die kybernetische Revolution, so werden jetzt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Erfindungen gemacht werden, die uns helfen, Energiesicherheit zu schaffen. Im Übrigen - das sollte ich noch sagen - wir wissen im Augenblick auch schon: Wir haben sehr viele Möglichkeiten, zum Beispiel mit Energie sehr viel vernünftiger umzugehen. Das muss implementiert werden. Das alles zusammen muss eben jetzt diskutiert werden.

    Durak: Eine Bitte hätte ich doch. Die verrückten Lösungen, die Sie angesprochen haben, der modernen Daniel Düsentriebs, hätten Sie eine für uns?

    Schellnhuber: Na ja, es gibt inzwischen bereits etliche solche Pferde im Rennen. Zum Beispiel kommen hier Nobelpreisträger, die darüber nachdenken, wie man aus Plastikstoffen im Grunde genommen dann so etwas wie Solarzellen herstellen kann. Im Augenblick wird mit hochreinem Silizium versucht, Fotovoltaik zu betreiben. Da gibt es überall Engpässe. Die Frage ist: Gibt es sehr viel billigere Materialien, mit denen wir die Sonne ernten können. Die Sonne ist ja die demokratischste Energiequelle von allen, weil sie scheint quasi überall und kann überall in der Fläche genutzt werden. Es gibt in der Tat, wenn Sie mich so ansprechen, genau den verrückten Wissenschaftler Daniel Düsentrieb, der mit der wundersamen Erfindung daher kam. Es gibt inzwischen schon eine ganze Reihe von Verdächtigen, zum Beispiel Technologien, mit denen wir die Energiezukunft sichern könnten. Darüber hinaus - und das sollte ich noch mal betonen - gibt es auch eine ganze Reihe von konventionellen Verfahren, mit denen wir sehr viel pfleglicher mit unserer Umwelt und unserer Zukunft umgehen können. Diese Dinge müssen implementiert werden. Deswegen sage ich noch mal: Es geht nicht nur um technologische Innovation; es geht vor allem auch um gesellschaftliche Innovation.

    Durak: Sie haben mich neugierig gemacht, Herr Professor Schellnhuber, unsere Hörer vielleicht auch. Wir werden berichten und hören, was auf Ihrer Konferenz vorgeschlagen wurde. Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung wird diskutiert zwischen Nobelpreisträgern, anderen Wissenschaftlern und Politikern auf Einladung des Direktors des Instituts Professor Hans Joachim Schellnhuber, unser Gesprächspartner heute Morgen. Danke schön und einen guten Tag!