Archiv


Expo Villepin

"La force de l'art" - so heißt die Schau aktueller Kunst im Pariser Grand Palais, die ab morgen fürs gemeine Kunst-Publikum geöffnet ist, aber schon im Vorfeld viel innenpolitischen Staub aufwirbelt. Gewarnt wird vor einer "Expo Villepin", weil es stark den Anschein hat, als instrumentalisiere der französische Ministerpräsident das Ereignis für seinen Wahlkampf, um sich als weltoffener "Premier der Künste" zu präsentieren.

Von Katrin Hondl |
    Böse Zungen sprechen von der "Expo Villepin". Frankreichs angeschlagener Premierminister wolle mit diesem Kunststück sein Image aufpolieren - mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. Behauptet zum Beispiel der Maler Gérard Fromanger. Anfang April verkündete er deshalb seinen Rücktritt von der Großausstellung. Außerdem, so Fromanger, wecke diese "expo Villepin" düstere Erinnerungen an die "expo Pompidou" von 1972. Damals hatte der Staatspräsident zu einer Ausstellung in den Grand Palais geladen - begleitet von heftigen Protesten in der Kunstszene. Doch der Polit-Protest des Jahres 2006 hat außer einem gewaltigen Rauschen im französischen Blätterwald kaum Widerhall im Kunstbetrieb gefunden. Die Kuratoren im Grand Palais halten nichts von der Kritik des Triennale-Dissidenten Fromanger:

    " Er hat von der Situation profitiert, weil er in der Ausstellung nicht gut vertreten war - meint der Kunstkritiker Bernard Marcadé. Und prompt hat man mehr über ihn geredet als über alle anderen. Ich halte dieses Gerede von der "Expo Villepin" für problematisch. Dann müsste man doch auch bei jeder Museumseröffnung vom Chirac-Museum reden. Mich interessiert das nicht. Meine Ausstellung hat einen politischen Anspruch, aber sie ist kein Bekenntnis zu Dominique de Villepin. "

    " Ich weiß doch, dass alle Ausstellungen in Frankreich politisch sind ", sagt auch Kurator Eric Troncy, " wie überall auf der Welt. Jede Biennale ist von politischen Entscheidungen abhängig. Das ist doch nicht weiter schockierend. Alles ist politisch. Ich verstehe diesen Hexenprozess nicht. "

    Eric Troncy und Bernard Marcadé sind zwei von sage und schreibe 15 Kuratoren, die für die Großausstellung im Grand Palais berufen wurden. Denn angesichts der kurzen Vorbereitungszeit - erst im Oktober 2005 hatte Villepin das Projekt lanciert - fand sich niemand, der allein die Verantwortung für Konzeption und Gestaltung der Schau übernehmen wollte. Doch Olivier Kaepplin, Beauftragter für Bildende Kunst im französischen Kulturministerium, verteidigt das aus der Not geborene Ausstellungskonzept:

    " Es ergeben sich verschiedene Blickwinkel und Geschichten. Die verschiedenen Kuratoren eröffnen unterschiedliche Gebiete - der eine beschäftigt sich mit Malerei, der nächste mit Konzeptkunst, ein anderer mit Exil-Künstlern und so weiter. Es ging uns um Vielfalt. "

    Und nicht zuletzt holte man sich mit der Vielzahl der Kuratoren - darunter viele Kunstkritiker - auch die französische Fachpresse mit ins Boot. Autoren und Redakteure der beiden führenden Kunstzeitschriften - Beaux-Arts-Magazine und Art Press - sind an der Ausstellung beteiligt. Um dennoch wenigstens den Anschein von journalistischer Distanz zu bewahren beauftragten beide Blätter belgische Kritiker mit Artikeln über die Schau im Grand Palais.

    Und so ist "la Force de l’Art", die Kraft der Kunst eine schnell gestrickte Ausstellung vieler mehr oder weniger gelungener Ausstellungen geworden. Eine Kuratoren-Schau. Mit an die 300 Arbeiten von rund 200 Künstlern, die tatsächlich die Vielfalt der aktuellen Kunstszene in Frankreich repräsentieren. Auch wenn sie selbst unmittelbar kaum beteiligt waren - denn die gezeigten Werke stammen fast alle aus staatlichen oder privaten Kunstsammlungen. Eine der besten Ausstellungen ist die von Eric Troncy, Co-Direktor der Kunsthalle von Dijon. Unter dem Titel "Super Défense" - der Name einer Antifaltencreme - hat er einen dichten Kunst-Parcours konzipiert - mit unter anderem Malerei von Bernard Buffet und Yan Pei Ming, Skulpturen von Ugo Rondinone, Bertrand Lavier und Gloria Friedman, Video-Installationen von Pierre Huyghe und Orlan - und einem amüsanten Auftakt: Eine Fotoarbeit von Pierre et Gilles: Das Portrait des französischen Kunstsammlers Francois Pinault als Jules Vernes Kapitän Nemo. Der allerdings zeigt seine hochkarätige Sammlung lieber in Venedig, im gerade wiedereröffneten Palazzo Grassi - und nicht im heimischen Frankreich - der "Kraft der Kunst" zum Trotz.

    " Anstatt darüber zu jammern, dass Pinaults Sammlung jetzt in Venedig zu sehen ist, " meint Troncy, "sollten die Franzosen sich freuen einen Sammler dieses Formats zu haben. Er hat eine der weltweit schönsten Sammlungen. Ich verstehe das Gejammer nicht. Pinault ist ein französischer Sammler, um den uns die ganze Welt beneidet. "