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Sportliches Aufrappeln

Wenn es einer schaffen kann, dann Christian Lindner: Der FDP-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag ist der Hoffnungsträger der Partei. Am Wochenende soll er in Berlin zum neuen Parteichef gewählt werden.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 05.12.2013
    "Wir wechseln jetzt den Tanz, von eng anliegendem Walzer zu Freestyle. Und da bekommt man mehr Dynamik, und ich bin sicher, dass wir mit dem Stil 2017 hier auch wieder begrüßt werden als eine der Parteien im Parlament!"
    Ein paar Tage nach dem Bundespresseball sitzt Christian Linder auf schwarzem Ledermobiliar in seinem Düsseldorfer Landtagsbüro und übt sich in größtmöglichem Understatement. Der Bundespresseball? Er ist halt mal hingefahren:
    "Ich bin da eingeladen gewesen, hatte einen wunderbaren Tisch mit Frau Schwesig beispielsweise, und ich habe das genossen, auch abseits der üblichen Verhältnisse Gespräche zu führen."
    Abseits der üblichen Verhältnisse - soll heißen, ein Bundestag ohne FDP. Die letzten Wochen zählen zu den härtesten, die Linder in seinem politischen Leben durchgemacht hat. Noch mal muss und will er das nicht erleben. Und deshalb ist für ihn klar, "dass wir die FDP vom Fundament neu aufbauen müssen."
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    Der 34-Jährige wandelt in diesen Tagen, kurz bevor er am Wochenende in Berlin zum neuen Parteichef gewählt werden soll, zwischen kritischem Rückblick und - was bleibt ihm sonst auch übrig - Optimismus:
    "Und dass, wenn die FDP sich darauf besinnt, sie eine echte Chance hat, weil eine Stimme, die für Liberalität steht, unverändert in Deutschland ja auch von vielen Menschen ja auch gewünscht ist. Sie ist in der FDP nur nicht erkannt worden."
    Klingt sanftmütig, aber Lindner beherrscht durchaus Florett und Machete. Da kann sich die Große Koalition in Berlin schon mal warm anziehen - diese Botschaft transportiert der Liberale gern in diesen Tagen. Zugleich nagt der Zweifel an ihm - lässt sich das volle vier Jahre durchhalten? Die FDP von Düsseldorf aus wieder auf die Beine bringen ohne Präsenz im Bundestag? Wenn es einer kann, dann Christian Lindner, meint sein langjähriger Weggefährte und Parteifreund Gerhard Papke:
    "Der kam als ganz junger Mann in meine Abteilung, und es war auch nicht besonders schwer, festzustellen, dass es sich um einen außerordentlich begabten jungen Mann handelte."
    Papke ist heute Vizepräsident des Düsseldorfer Landtags. Lindner sei damals noch keine 20 gewesen, aber diese "Verbalisierungskompetenz", die habe er auch da schon gehabt.
    "Ich habe mich auf der anderen Seite auch anstecken lassen von seinem unglaublichen Elan."
    Heute ist Lindner Fraktionschef in Düsseldorf. Mit seiner Angriffslust gilt er dort längst als eigentlicher Oppositionsführer, und nicht die CDU. Nur bekommt das keiner so richtig mit - die NRW-Landespolitik schafft es derzeit nur selten in die Tagesschau. Linder aber vielleicht wieder öfter demnächst. Diese Woche hat er die Machete rausgeholt und das bisherige Auftreten seiner Partei als "kalt und abstoßend" gegeißelt.
    "Also, ich bin für Klarheit in der Sache, aber auch den vernünftigen Umgangston, und hier sind wir nicht immer diesen Ansprüchen gerecht geworden."
    Auftrag: Reanimation der FDP
    Christian Lindner hängt jetzt am Tropf der FPD, und umgekehrt. Die Partei und ihr designierter Chef bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Aber, was konkret will Linder dem bisherigen Kurs eigentlich entgegensetzen? Er nennt drei Themen:
    "In der Tradition von Ludwig Erhard müssen Staaten und Finanzindustrie getrennt werden, durch kluge Regulierung, nicht Dämonisierung der Banken. Die zweite Aufgabe ist der Schutz unserer Privatsphäre in Zeiten der NSA-Enthüllung. Und die dritte Aufgabe, bezogen auf Deutschland ist die Bewältigung unserer Energiewende, eine Riesenchance."
    Ein Kapitalist sei er übrigens nicht, behauptet Lindner, aber ein Neoliberaler?
    "Ich bin ein Liberaler, ich kann mit solchen Bindestrichen und Vorsilben wenig anfangen. Der Liberalismus hat immer zwei Perspektiven, er will den Einzelnen schützen vor fremdem Machtdiktat und eben auch Chancen eröffnen."
    Wer ihm zuhört, wartet schon auf das nächste Dahrendorf-Genscher-Heuss-Zitat. Sogenannte Parteifreunde aus Sachsen ätzen deshalb über den "säuselliberalen Leichtmatrosen". Der Rheinländer Lindner weist solche Schmähungen vehement zurück:
    "Wir haben bei der Landtagswahl, wo ich Spitzenkandidat war, 'Lieber neue Wahlen als neue Schulden'; 'Das Gymnasium darf nicht sterben', 'Marktwirtschaftliche Energiepolitik' auf unseren Plakaten gehabt. Das ist nicht Feuilleton, sondern das war so attraktiv, dass 8,6 Prozent gesagt haben, das wollen wir."
    Von allzu aufgeplusterten Slogans wie "mitfühlendem Konservatismus" oder "Neustart für die Freiheit" distanziert sich Linder mittlerweile. Er weiß genau: Für die Reanimation der FDP reichen die Stimmen allein von Apothekern und Anwälten nicht:
    "Momentan sehe ich nur, dass er eben emphatisch ist und eben merkt, was die Leute nicht wollen, nämlich dieses Arrogante, dieses Breitbeinige, dieses Hollahopp, hier kommen wir",
    sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Düsseldorfs Erste Bürgermeisterin soll Lindners Vize in der Bundes-FDP werden. Eine kluge Personalie, die den vielversprechenden Masterplan des künftigen Parteichefs offenbart: Nämlich die Partei von unten wieder aufzubauen. Auch wenn da der eine oder andere Heckenschütze lauert: Einer heißt Frank Schäffler. Der "Euro-Rebell" aus Westfalen schießt wieder mal, unterstützt von Hessen und Sachsen, gegen die Europapolitik des Neuen, bevor der überhaupt gewählt ist. Lindners Freund Gerhard Papke sekundiert seinem künftigen Chef mit deutlichen Worten:
    "Für die Zukunft der FDP ist nicht Frank Schäffler entscheidend, sondern Christian Lindner. So einfach ist das."