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Film "Inside Llewyn Davis"
Kurzweiliges Musikerporträt der Coen-Brüder

Das kurzweilige Zeitgeistporträt der Coenbrüder zeigt im Zeitalter von Castingshows eine ausgestorbene Spezies: einen liebenswerten, heimatlosen Musikfreak. Ihr Film "Inside Llewyn Davis" ist eine musikalische Komödie.

Von Josef Schnelle |
    "Denkst Du eigentlich jemals über die Zukunft nach?“
    "Du meinst fliegende Autos. Hotels auf dem Mond. Satelliten?“
    "Ich will, dass Du gehst. Verschwinde hier.“
    New York, 1961. Was macht ein erfolgloser New Yorker Musiker ohne ein eigenes Zuhause? Was passiert, wenn er fast jede Nacht auf einer anderen Couch schläft und dabei mal die Frau eines Freundes schwängert und mal die geliebte Katze eines anderen aussperrt? Und was, wenn er diese Katze dann einfach nicht mehr los wird? Llewyn Davis lebt für die Folkmusik, doch der große Durchbruch lässt auf sich warten. Während sich in den Klubs von Greenwich Village aufstrebende Musiker die Klinke in die Hand geben, pendelt Llewyn zwischen kleinen Gigs und Songaufnahmen. Nacht für Nacht muss er einen neuen Platz zum Schlafen finden und landet dann meist bei befreundeten Musikern, mit denen ihn kaum mehr als eine oberflächliche Bekanntschaft verbindet. Doch Llewyn kann seine Gefühle nur in der Musik und nicht im echten Leben äußern und so lässt er sich weiter treiben - von New York bis Chicago und wieder zurück, ganz wie die Figuren in seinen Folksongs. Es ist der Vorabend von Bob Dylans Ankunft in New York.
    "Du hast ja ne ziemlich große Klappe du Witzbold.“
    "Entschuldigung. Wer sind Sie?“
    Llewyn weiß gar nicht, was ihm geschieht, als ihm in der dunklen Gasse vor der Bar ein langer Kerl auflauert und nicht lange fackelt. Doch dann dämmert es ihm. Am Abend vorher hat er mit seinen Freunden über den dilettantischen Auftritt der Freundin des Mannes böse abgelästert. Wie viele andere ist Llewyn gerade auf der Suche nach seinem Stil und er spielt so oft er kann in einem dieser neuen Klubs, die gerade in Greenwich Village New York entstehen. Weil die neue Generation von Liedermachern noch nicht weiß, dass sie dabei ist, die Pop-Musik zu erfinden nennen Sie das, was sie spielen Folkmusik. So präsentiert das Llewyn Davis auch einem Impresario und Jazzmusiker, der von John Goodman – einem der üblichen Verdächtigen in den Filmen der Coen Brüder - gespielt wird.
    "Was für Musik machst Du?“
    "Folksongs.“
    "Solokünstler. Ich hatte einen Partner. Aber der hat sich von der George Washington Bridge gestürzt.“
    "Die George Washington Bridge? Man stürzt sich von der Brooklyn Bridge schon aus Tradition. George Washington Bridge? Wer macht denn so was?“
    Natürlich beschäftigt sich der Film nicht nur mit der Musik, die oft verdächtig nach Bob Dylan klingt. Oscarpreisträger und Komponist T Bone Burnett hat sich einen Spaß daraus gemacht die Figur des Llewyn Davis zu einer Art Anti-Dylan zu machen, der nach und nach die einzelnen Komponenten der Musik des genialen Verseschmieds und Schräg- bis Falschsängers zu entwickeln. Viele Ohrwürmer garnieren daher die Filmvorführung, die auch ein heiterer Ausflug in die Musikgeschichte ist. Doch der Film wäre kein Coenfilm ohne ein reiches Spektrum an schrillen Figuren und eine handlungsbestimmende Katze, die just in dem Moment entweicht, als Llewyn eine seiner Gastwohnungen für eine Nacht so unauffällig wie möglich verlassen will. Fortan muss der glücklose Held dieser Geschichte ihr nachjagen wie seinem ausbleibenden Erfolg. Mit großer Melancholie und erzählerischer Reife, betörenden Bildtableaus und komödiantischem Geschick erzählen Joel und Ethan Coen diese Geschichte eines Taugenichts und Lebenskünstlers bis zum bitteren Ende. Natürlich war die Frage nach der Zukunft am Anfang dieses Beitrags gar nicht so gemeint, wie Llewyn sie verstanden hat. Seine Freundin Jean, aktuell anderweitig liiert, zeigt ihm einen Zettel auf dem steht "Ich bin schwanger.“ Womit sie bei Llewyn lediglich einen Fluchtimpuls auslöst.
    "Ich hätte Dich zwingen sollen, zwei Kondome zu tragen. Falls Du es wieder tust, trag ein Kondom über dem anderen und wickel Isolierband drumrum.“
    Das kurzweilige Zeitgeistporträt hat einige vertrackte Widerhaken, zeigt es doch im Zeitalter von Casting-Shows eine ausgestorbene Spezies: einen liebenswerten aber heimatlosen Musikfreak. Mehrere der Musiknummern erhielten bei der Uraufführung auf dem Filmfestival von Cannes spontanen Szenenapplaus. Eine Komödie über Musik und eine, die selbst Musik ist. Da stört auch nicht der Auftritt von Justin Timberlake. Er ist vielmehr eine große Bereicherung.
    "Ich zieh los Pop, geh auf große Fahrt. Versuch was Neues.“