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Filmfestival Cannes
Triumph für Frankreich

Die Jury des Filmfestivals in Cannes hat mal wieder ein politisches Zeichen gesetzt: Mit dem Flüchtlingsdrama "Dheepan" hat der französische Regisseur Jacques Audiard die Goldene Palme gewonnen. Aktueller könnte das Thema kaum sein. Insgesamt gingen drei der sieben Hauptpreise an Frankreich.

Von Josef Schnelle |
    Der französische Filmemacher Jacques Audiard mit der Goldenen Palme von Cannes.
    Der französische Filmemacher Jacques Audiard mit der Goldenen Palme von Cannes. (pa/dpa/Nogier)
    Wie hätte es auch anders kommen können: Triumph für Frankreich. Die französische Präsenz im diesjährigen Wettbewerb um die Goldene Palme mit fünf Filmen und insgesamt acht Filmen im offiziellen Programm führte konsequent zum begehrtesten Filmpreis für einen Film aus dem Veranstalterland. "Dheepan" von Jacques Audiard erzählt die Geschichte dreier Einwanderer aus Sri Lanka, die um ihren Aufenthalt in Frankreich nicht zu gefährden, eine Familie spielen müssen. Sie wohnen in einem herunter gekommenen Banlieue und verstehen die Sprache nicht. Bald geraten sie in die Rivalenkämpfe örtlicher Mafiabanden und müssen mit genauso harten Bandagen kämpfen wie in der einstigen Heimat, aus der sie gerade deswegen geflohen sind. Ein sozial engagierter Film über die Probleme des Landes, seine Einwanderer zu integrieren.
    Grummeln und Pfiffe
    Nicht das große Kino, das man sich von einer goldenen Palme erwartet, die man allgemein nur dem amerikanischen Film "Carol" von Todd Haynes zugetraut hatte, weswegen sich in den üblichen Jubel auch eine gute Portion Grummeln und ein paar Pfiffe mischten. Das französische Kino feierte sich auch in den übrigen Preisentscheidungen, so dass am Ende drei der fünf französischen Wettbewerbsbeiträge prämiert worden waren. Die beste weibliche Hauptdarstellerin wurde Emmanuelle Bercot, mit dem Eröffnungsfilm schon als Regisseurin präsent, für ihre Rolle in "Mon Roi" von Maiwenn (auch wenn sie diesen Preis mit der Nebendarstellerin Rooney Mara in "Carol" teilen musste).
    Bester männlicher Hauptdarsteller wurde Vincent London für die Darstellung eines Arbeitslosen und seine Demütigungen und Qualen in Stéphane Brizés deutlich auf die Sozialdramen der Dardenne Brüder zurückgreifendem Film, der noch das Beste war, was die Franzosen zu bieten hatten. Sehr bewegt, oft den Tränen nahe, dankte der fast 60-jährige Schauspieler vom Typus der alten Garde des französischen Films à la Jean Gabin für die späte Anerkennung seiner Leistung.
    "Ich habe ein bisschen Zeit gewonnen. William Faulkner sagte: 'Träumt riesengroße Träume, damit ihr sie beim Hinterherrennen nicht aus den Augen verliert.' Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Preis bekomme."
    Der Erfolg der französischen Filme in Cannes könnte jedoch vergiftet sein, weil aus dem weltläufigen Ereignis plötzlich ein weitgehend nationales Ereignis zu werden scheint. Vielleicht war aber auch nur der Druck der französischen Produzentenverbände auf Festivaldirektor Thierry Frémaux zu stark. Ebenso sehr wird man sich an den Druck erinnern, der von den Frauen in diesem Jahr ausgeübt worden war: Frémaux, der oft ein gänzlich frauenfreies Festival befehligt hatte, eröffnete mit dem Film einer Frau, zeigte insgesamt acht Filme von Frauen und initiierte sogar eine tägliche Gesprächsreihe über den fehlenden Einfluss der Frauen auf die Filmindustrie, zu der er immer wieder auch selbst antreten musste.
    Pumps-Debatte bestimmt Festival
    Nach all diesen Bekundungen des guten Willens verdarb ihm die "Stiletto-Gate Affäre" alles. Ein paar Damen waren mit flachen Schuhen auf dem roten Teppich abgewiesen worden. Ihnen wurde bedeutet, nur Pumps seien der Kleiderordnung angemessen. Frémaux entschuldigte sich, aber seine gut gemeinte Gender-Diskussion war fortan völlig vom Schuhdebakel dominiert. Glücklicherweise hatte er im Vorfeld noch eine sehr kluge Entscheidung getroffen für die 86-jährige "Großmutter der Nouvelle Vague", die sich für ihre Ehrenpalme mit bewegenden und klugen Worten bedankte. Ganz ohne Stöckelschuhe erinnerte sich die große alte Dame des Kinos, Agnès Varda, an ihre Auftritte in Cannes, angefangen mit ihrem ersten Kurzfilm auf zwei Filmspulen und mit 100 Francs von ihrer Großmutter für die Projektionsgebühr, mit denen sie eines Tages auf dem Bahnhof von Cannes angekommen war. Ein Hauch von Nostalgie und Hoffnung für das Autorenkino durchwehte den Saal.
    "Ich nehme diese Palme niemandem weg, da es außerhalb des Wettbewerbs ist. Ich verstehe sie wie eine Palme für den Widerstand und die Ausdauer. Dafür danke ich Ihnen. Ich widme diese Palme allen mutigen und erfinderischen Filmemacher, die in Fiction oder Dokumentation ein originelles Kino erschaffen, die nicht im Rampenlicht stehen und trotzdem weitermachen. Und dann widme ich sie mir selbst, dafür, dass ich Entmutigung, Faulheit und Dummheit die Stirn geboten habe."