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Fitness-Apps
Krankenkassen haben ein Auge auf die Daten

Mit der passenden App wird das Smartphone zum persönlichen Fitnesscoach: Die App sammelt Daten über den Körper des Smartphonebesitzers und seine sportlichen Aktivitäten. Krankenkassen nutzen die neue Technologie, um ihre Versicherten zu mehr Sport zu motivieren - und um sie zu kontrollieren.

Von Tim Schauenberg | 14.08.2014
    Eine Frau läuft am 03.04.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf einem Laufband.
    Selbstkontrolle durch Fitness-Tracker? (picture-alliance / dpa / Oliver Berg)
    Mein Puls liegt bei 150 Schlägen pro Minute. Ich jogge jetzt eine halbe Stunde und habe bereits 360 rund 360 Kalorien verbrannt. Nicht schlecht.
    Das zeigt mir die Applikation auf meinem Smartphone an. Sie sagt mir auch, wie oft ich in den letzten Wochen Sport gemacht habe, wie hoch mein Blutzuckerspiegel ist ob ich im Schnitt schneller oder langsamer geworden bin. Das Handy ist mein persönlicher Fitnesscoach, das alle meine Stammdaten kennt, meine Leistungen misst und besser über meinen Körper Bescheid weiß als ich. Alle Details, die ich auf dem Handy einsehe, kennt auch der Anbieter der Applikation. Dort werden die sensiblen Daten gespeichert. Aus Sicht von Thilo Weichert, Bundesbeauftragter für den Datenschutz Schleswig-Holstein, ist das eine beunruhigende Situation:
    "Diese Applikationen sind dann Datensammel- und Datenauswertemaschinen, gleichzeitig werden diese Daten dann bei dem Applikationsanbieter abgespeichert und kommerziell verwendet."
    Nutzer müssen über Datenweitergabe informiert werden
    Deshalb sei es auch nicht genug, nur kurz in den allgemeinen Geschäftsbedingungen darüber zu informieren. Damit ein Anbieter das Recht hat Daten weiterzugeben, muss der Nutzer vorher ausführlich darüber informiert worden sein wer, welche Daten für welchen Zweck verarbeitet. Außerdem muss die Information immer:
    "besonders hervorgehoben sein. Auch diese rechtliche Anforderung ist in der Regel nicht erfüllt. Wenn jetzt hier keine umfassenden Informationen gegeben werden, und das ist leider bei den meisten Anbietern der Fall, insbesondere, wenn sie ihren Sitz nicht in Europa haben, dann erleben wir Datenschutzverstöße."
    Auch Krankenkassen haben mit dem Aufkommen der Fitness-Applikationen vermehrtes Interesse daran, die neue Technologie zu nutzen. Mit Bonusprogrammen versuchen viele Kassen, ihre Versicherten zu mehr Sport und einer gesünderen Lebensweise zu motivieren. Der Nachweis darüber, wie viele Stunden der Versicherte geschwitzt hat, erfolgt über die Applikation per Smartphone. Wurden genug Punkte erreicht, erhalten Kunden eine Sach- oder Geldprämie je nach Anbieter bis zu 150 Euro im Jahr.
    Datenhunger der Krankenkassen
    Trotzdem zahlen Kunden einen hohen Preis: Die Gefahr besteht, dass der Anbieter der Applikation alle persönlichen Daten an die Krankenkasse weitergibt. Zwar darf die Krankenkasse laut Datenschutzbestimmung diese Daten nicht beziehen, allerdings rät Weichert rät zur Vorsicht.
    "Also wir erleben, generell, dass sich Krankenkassen Daten besorgen, für die sie keine Befugnis haben. Sie unterstellen dann oft, dass da Beratungsverhältnisse erfolgen. Wir kennen aber den Datenhunger der Krankenkassen oder auch der privaten Krankenversicherungen und wissen, dass wenn diese Daten dann verfügbar sind, sie dann sehr oft, auch möglicherweise zum Nachteil des Versicherten verwendet werden."
    Zum Nachteil der Versicherten würde in diesem Fall bedeuten, dass die weniger Aktiven oder diejenigen, die die Applikation nicht benutzen, auf Dauer mehr zahlen als andere. Die Bonusprogramme deuten bereits in diese Richtung.
    Rechtlich gesehen sind diese Programme eine Grauzone, denn Beitragsrabatte dürfen gesetzliche Krankenversicherungen ihren Kunden für eine gesunde Lebensführung nicht geben; Beitragserhöhungen für eine ungesunde erst recht nicht. Eine Ausnahme sind private Krankenversicherungen, dort lässt sich eine vermehrte Beitragsanpassung an den Gesundheitszustand der Versicherten beobachten.
    Bei der AOK-Nordost testet man beispielsweise zurzeit ein Programm in Zusammenarbeit mit einem externen Applikations-Anbieter mit Sitz in der Schweiz und den USA. Die kostenlose Applikation bezieht sogar Faktoren wie Stress und Schlafqualität in den errechneten Gesundheitswert mit ein. Die Krankenkasse wehrt sich gegen den Vorwurf des Datenhungers.
    "Die Sammelwut der Krankenkassen sehe ich so nicht. Wir bekommen keine personenbezogenen Daten, sondern wir bekommen für die Auswertung lediglich eine Zusammenfassung von altersbezogenen Teilnehmergruppen. Und wie die Entwicklung des Health Score, des Gesundheitswertes, sich in diesem Bereich abbildet", sagt Pressesprecherin Gabriele Rähse.
    App-Anbieter wissen alles
    Das, was die Krankenkasse nicht weiß, weiß dafür der Applikationsanbieter, mit dem die AOK kooperiert. Dort verspricht man absolute Sicherheit und Diskretion im Umgang mit den Kundendaten. Ob man sich darauf allerdings verlassen kann, dürfte in Zeiten von Datenklau und Hackerangriffen fraglich sein. Selbst die Krankenkasse rät daher zum verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Daten.
    "Aber in Zeiten von NSA wird es immer gefordert sein, dass jeder mit seinen individuellen, technischen Möglichkeiten so umgeht, dass er regelmäßig die Datenschutzvorkehrungen updatet, indem man auch sicherlich überlegt, ob ich heute unter Facebook meine Bilder eingebe und dergleichen. Also der gesunde Menschenverstand sollte auch hier gelten und da muss sich jeder selbst entscheiden, ist es für ihn interessant daran teilzunehmen, ist es für mich schlimm da rein zu schreiben, wie viele Stunden ich schlafe oder eben nicht."
    Der Verbraucher muss sich entscheiden: Die Fitness-App benutzen oder die Kontrolle über die eigenen Daten behalten. Beides zusammen geht nicht.