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Flüchtlingslager im Nordirak
Radio von Frauen für Flüchtlinge

Schon seit zehn Jahren gibt es in Halabja, einem der größten Flüchtlingslager des Nordirak, "Radio Dange NWE". Der Sender kümmert sich vor allem um Frauenrechte. In mehreren Sprachen senden dort Radiojournalistinnen täglich acht Stunden Programm. Dafür hat sie die Friedrich-Naumann-Stiftung nun mit einem Preis geehrt.

Von Susanne Lettenbauer | 22.10.2016
    Hero Jafaar, Journalistin des Dange NWE Flüchtlingsradios, während der Preisverleihung zum Raif Badawi Awards auf der Frankfurter Buchmesse.
    Hero Jafaar, Journalistin des Dange NWE Flüchtlingsradios, während der Preisverleihung zum Raif Badawi Awards auf der Frankfurter Buchmesse. (picture alliance / dpa / Susann Prautsch)
    Radio in einem Flüchtlingslager. Im Nordirak, genauer Halabja, Kurdengebiet. Rund zwei Millionen Flüchtlinge leben derzeit in der Stadt, teils in Wohnungen, teils in Zelten. Viele von ihnen kamen in den vergangene Monaten aus Syrien, andere sind seit Jahren innerhalb des Irak auf der Flucht. Viele von ihnen haben keinen Fernseher, aber ein Radiogerät. Und damit hören sie rund um Halabja "Radio Dange NWE". Ein Programm für Flüchtlinge von Flüchtlingen. Das Programm kommt unter anderem von:
    - "Rangen Mahmood."
    Und:
    - "Hero Jafaar."
    Die 33-jährige Rangen Mahmood und ihre 30-jährige Kollegin Hero Jafaar produzieren täglich acht Stunden Programm. Ihre Kolleginnen, die unter anderem aus dem irakischen Fallujah oder dem syrischen Kobane geflohen sind, recherchieren täglich neue Geschichten bei den Flüchtlingen. Die Sendestation befindet sich in einem eigens eingerichteten Frauenzentrum. 2005 war "Dange NWE" mit Geldern europäischer Nichtregierungsorganisationen gegründet worden. Die 15 Mitarbeiterinnen laden vor allem Frauen ein, über ihr Leben zu erzählen, über Probleme mit den Kindern und dem Mann. Gesendet wird auf Hocharabisch, Kurdisch und in arabischen Dialekten aus Syrien und dem Irak.
    "Ich habe zuerst bei einem Fernsehsender als Journalistin gearbeitet", sagt Rangen, "wechselte dann aber zum "Radio Dange NWE", übersetzt heißt das "Neue Stimme". Ich hatte das Gefühl, dort viel mehr Menschen erreichen zu können. Man kann viel effektiver Botschaften senden, mit einfachen Worten. Die Leute interessieren sich vielmehr für Radiosendungen, deshalb bin ich jetzt Radiomoderatorin."
    Sender hat ein großes Verbreitungsgebiet
    Die zwei Radiojournalistinnen stammen beide aus dem Nordirak, die heutige Chefredakteurin und Moderatorin Rangen studierte Lehramt für Sozialkunde, die jüngere Hero Wakil wurde nach ihrer Journalistenausbildung Managerin des jetzt von der Friedrich-Naumann-Stiftung ausgezeichneten Flüchtlingsradios. Der Sender "Al Jazeera" hat bereits über sie berichtet. Rund 40.000 Hörer schalten täglich ihr Programm ein. Im Umkreis von 100 Quadratkilometern kann man sie hören, freuen sich Rangen Mahmood und Hero Jafaar:
    - "Wir berichten oft über Beschneidungen oder die 13 Strafen, die es für Frauen gibt, wie man sich dagegen wehren kann. Wir versuchen, hochrangige Gesprächspartner aus der Stadt oder von Organisationen zu uns einzuladen und ihnen die Fragen zu stellen, die eben Frauen interessieren. Wir haben zum Beispiel erreicht, dass es mittlerweile ein Gesetz gegen Beschneidung gibt."
    - "Uns ist wichtig, die Frauen selbstbewusster zu machen. Am Anfang sind wir sehr angegriffen worden, die Männer haben uns beobachtet, ob da nicht auch Männer bei unserem Radio arbeiten. Mittlerweile sind wir im ganzen Land so bekannt, dass man uns nicht mehr so kritisiert."
    "Wir laden die syrischen Frauen erst einmal zu uns ein", erzählt Rangen. "Sie können sich in unserem Frauenzentrum treffen, von wo auch die Radiosendungen ausgestrahlt werden. Aktuell haben wir eine Sendung, die heißt "Von Flüchtling für Flüchtling". Da können sich die Frauen gegenseitig Tipps geben. Meine Eltern sind sogar richtig stolz auf mich, geben mir Ratschläge, wie ich noch besser moderieren kann."
    Mittlerweile sei ihr Radio nicht mehr aus dem Flüchtlingslager wegzudenken, freuen sich die beiden Frauen. Der Preis der Friedrich-Naumann-Stiftung bestärkt sie in ihrem Willen, weiterzumachen, neue Geschichten zu finden, Menschen zu interviewen:
    "Wir sind ja schon bei Facebook online, wir stellen Videos auf YouTube", sagt die Radiomoderatorin Rangen. "Wegen des Krieges in Mossul erwarten wir derzeit noch mehr Flüchtlinge, für die wir da sein wollen. Schön ist natürlich, dass wir jetzt so bekannt geworden sind, dass man uns als Frauen nicht mehr so angreifen kann, wie früher. Wir sind sehr dankbar für den Preis, das motiviert uns sehr."