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Folie gegen Keime

Lebensmitteltechnologie. - Frisches Fleisch ist ein schnell verderbendes Lebensmittel, weil es einen idealen Nährboden für Bakterien bietet. Im Supermarkt werden heute bis zu 20 Prozent der angebotenen Fleischwaren weggeworfen, weil sie nicht im Rahmen der Mindesthaltbarkeit verkauft werden können. Forscher entwickeln neue Verpackungsmaterialien, die Fleisch länger frisch halten können – und das ohne den Einsatz von Schutzgasen oder chemischen Zusätzen.

Von Lucian Haas | 20.12.2012
    Fleisch sollte frisch verarbeitet werden. Haltbarer wird es nur durch spezielle Verpackungen.
    Fleisch sollte frisch verarbeitet werden. Haltbarer wird es nur durch spezielle Verpackungen. (Jan-Martin Altgeld)
    Universität Bonn, Institut für Tierwissenschaften. Judith Kreyenschmidt kontrolliert Petrischalen im Labor. Die Böden der Schalen sind mit verschiedenen Kunststofffolien ausgelegt. Einige Stunden zuvor wurden sie mit einer Bakterienlösung bestrichen und dann in einen Wärmeschrank gestellt. Es ist ein Test, wie gut sich die Mikroben auf den verschiedenen Folien entwickeln.

    "Ich kann halt gezielt hier sehen, bei dem neuen Material, das man hier keine Mikroorganismen mehr sieht, die sind alle abgetötet; während hier habe ich halt einen starken Wuchs auf der Referenzplatte und kann darauf sehr, sehr viele Bakterien sehen. Hier habe ich halt keinen antimikrobiellen Effekt, und hier habe ich diesen antimikrobiellen Effekt."

    Antimikrobiell – das klingt nach Antibiotika. Doch darum geht es beim Projekt "Safe-Pack" gerade nicht. In Kooperation mit der Fachhochschule Münster und mehreren fleischverarbeitende Betrieben sucht Projektleiterin Judith Kreyenschmidt nach neuen Möglichkeiten, die Haltbarkeit von Fleisch zu verbessern – ohne den Einsatz spezieller Schutzgase oder bakterientötender Chemikalien in den Verpackungen. Die speziellen Folien, die sie testet, bekämpfen Bakterien mit einem rein physikalischen Prinzip.

    "Bei uns ist die Idee, dass man halt Effekte nutzt, die es eigentlich schon seit langem in der Natur gibt. Wir kombinieren eine positive Oberflächenladung mit einem stark hydrophoben Charakter, und dadurch werden die Bakterien gezielt abgetötet. Ich bringe nichts in meine Verpackung ein, sondern aufgrund meiner Oberflächenstruktur werden halt Bakterien abgetötet."

    Hydrophob bedeutet wasserabstoßend. Die positiv geladene Oberfläche der Kunststoffe wiederum zieht die negativ geladene Zellmembran der Bakterien an. Die Kombination dieser Kräfte führt dazu, dass die Zellwände der Bakterien regelrecht aufbrechen. Die Mikroben sind nicht mehr teilungsfähig und sterben schnell ab. Kreyenschmidt:

    "Ein Vorteil bei dieser Lösung ist, dass sich halt keine Resistenzen entwickeln, weil es ein physikalischer Effekt ist, und ich nicht ein Biozid einbringe."

    Dass das Prinzip im Kontakt mit Fleisch und den darauf siedelnden Bakterien gut funktioniert, hat Judith Kreyenschmidt schon in einem Vorgängerprojekt bewiesen. Das nannte sich "Smart-Surf" und hatte zum Ziel, keimtötende Kunststoffoberflächen etwa für Förderbänder in fleischverarbeitenden Betrieben zu entwickeln. Safe-Pack soll nun helfen, die gleiche Technologie auch auf die üblichen Fleischverpackungen im Supermarkt zu übertragen.

    "In unserem Projekt geht es erst mal darum, dass man das gesamte System für verschiedene Verpackungslösungen, also einmal auf Folien, dann auf Schalen, Fleischschalen und auch auf Vlieseinlagen entwickelt."

    Bis die ersten biozidfreien und dennoch keimtötenden Fleischverpackungen in den Supermarktregalen Einzug halten, werden noch einige Jahre vergehen. Sollten die Tests im Rahmen des Projekts Smart-Pack erfolgreich enden, müssten die neuen Materialien erst noch ein lebensmittelrechtliches Zulassungsverfahren durchlaufen. Judith Kreyenschmidt rechnet mit fünf bis sieben Jahren, bis die Verbraucher im Alltag von der neuen Verpackungslösung profitieren können.

    "Ich könnte durch diese Verpackung noch einmal signifikant die Haltbarkeit verlängern. Insbesondere wenn ich auch aerobes Fleisch habe, was normal eingepackt ist, dass ich da die Haltbarkeit zum Teil verdoppeln kann."

    Aerobes Fleisch heißt: Es ist nicht in einer Verpackung mit Schutzgasatmosphäre luftdicht versiegelt. So behält es besser seinen natürlichen Geschmack. Zugleich könnte zum Beispiel Geflügelfleisch in den neuen antimikrobiellen Verpackungen künftig nicht mehr nur fünf, sondern zehn Tage lang genießbar bleiben.