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Formationsflug im Erdorbit

In der Raumfahrt gilt ein ehernes Gesetz: Satelliten sollten sich nicht zu nahe kommen, da sie sonst miteinander kollidieren und eine Menge Weltraumschrott zurücklassen. Doch gerade winzige Satelliten im Schwarm fliegen zu lassen, bietet viele Vorteile. Sie könnten die Raumfahrt billiger und zuverlässiger machen.

Von Karl Urban | 17.04.2013
    So gibt es Ideen, zukünftig mehrere Kleinsatelliten dicht beieinander um die Erde kreisen zu lassen.

    Formationsflüge erfordern Teamgeist: Die Piloten müssen ihre Maschinen exakt steuern und sich voll aufeinander verlassen. Nur so können sie eine Kollision verhindern. Das gilt in der Kunstfliegerei genauso wie in der Raumfahrt. Kreisen Satelliten nah beieinander um die Erde, müssen sie ihre Lage im Raum und ihre Bahnen möglichst genau kennen. Was in der Raumfahrt heute noch recht selten passiert, könnte schon bald Alltag werden: Denn viele kleine Satelliten in einer kontrollierten Formation fliegen zu lassen, birgt einiges Potential.

    "Die ergänzen sich gegenseitig, wie es bei uns in den menschlichen Gruppen auch ist. Wenn man ein gutes Team beisammen hat, dann kommen interessante Resultate heraus, selbst wenn der Einzelne eigentlich nicht Einstein ist."

    Klaus Schilling ist Professor für Robotik und Telematik an der Universität Würzburg. Und er ist der geistige Vater von UWE: Der "Universität Würzburg Experimental-Satellit" war vor acht Jahren der erste Picosatellit einer deutschen Hochschule – mit einem Kilogramm Masse nicht größer als eine Milchtüte. Was als Forschungsspielwiese für Studenten begann, ist längst in seriöse Wissenschaft übergegangen. Mit mehreren Folgemissionen bewegt sich Schillings Arbeitsgruppe nun vorsichtig zu ihrem eigentlich Ziel: dem Formationsflug im All.

    "Wir machen Schritt für Schritt diese einzelnen Technologien, die für Formationen notwendig sind. Mit UWE-1 haben wir praktisch Internettechnologie, also Kommunikation in den verteilten Systemen, angegangen. Mit UWE-2 war die Lagebestimmung das Entscheidende. Man muss wissen, wo der Satellit gerade hinschaut. Und mit UWE-3 steuern wir jetzt den Satelliten in die Wunschrichtung."

    Nach dessen Start noch in diesem Jahr folgt dann UWE-4: vor dem eigentlichen Formationsversuch ein allerletzter Testflug. Der soll beweisen, dass der Kleinsatellit auch problemlos seine Bahn korrigieren kann. Diesen und die folgenden Schritte hat Klaus Schillings Arbeitsgruppe schon geplant – dank einer Millionenförderung der Europäischen Union.

    "Mit UWE-4 sind wir dann soweit, dass wir die Orbitkontrolle angehen. Das heißt, er kann seine Position im Orbit anpassen. So können wir dann eine Formation im Orbit zusammenhalten. Denn die driften sonst außerhalb der Sichtweite und diese Drift müssen wir entsprechend korrigieren können. Wir werden dann als Nächstes vier Satelliten gleichzeitig nach oben bringen, also UWE-5 bis 8."

    Bis dahin dürften aber noch mehrere Jahre vergehen. Denn einen ganzen Schwarm von Kleinsatelliten zu steuern, birgt weiterhin technische Herausforderungen. Sensoren, die sich etwa punktgenau an den Sternen orientieren, sind noch immer viel zu groß für solche Picosatelliten. Deren Teamarbeit könnte aber manche Nachteile ausgleichen: Die Ungenauigkeit der Messinstrumente fällt etwa weniger ins Gewicht, wenn viele kleine Satelliten zusammenarbeiten.

    "Das sind dann spannende Herausforderungen gerade für uns Informatiker, dass man diese beschränkte Genauigkeit von Sensordaten durch entsprechende Software zusammenschaltet, dass man Daten filtert, fusioniert und damit durch viele schwache Satelliten ein spannendes Gesamtergebnis dieser Formation erzielen kann."

    Nützlich wäre der Formationsflug der Winzlinge. Denn die Missionen sind wegen ihrer geringen Startkosten günstig: Sie könnten etwa die Bewegung von Vulkanasche häufiger und damit zuverlässiger überwachen als ein Flugzeug. Sie könnten bei unvorhergesehenen Naturkatastrophen sogar selbstständig beginnen, die Oberfläche zu beobachten, ohne auf Kommandos von der Bodenstation zu warten. Doch vorher müssen die Würzburger Forscher beweisen, dass ihr Formationsflug reibungslos vonstatten geht.