Archiv

Forschung
Werkzeuge für die molekulare Pflanzenzüchtung

Ein zentrales Werkzeug der Pflanzenzüchtung ist die Mutagenese. Man könnte sie auch als Störfeuer bezeichnen: Pflanzen werden mit Chemikalien behandelt oder Strahlung ausgesetzt, um zufällige Mutationen im Erbgut auszulösen. Unter den Mutanten suchen die Züchter dann nach Pflanzen mit neuen, interessanten Eigenschaften.

Von Lucian Haas |
    Eine Samenprobe bei der Keimprüfung. Das Bild wurde am 5.9.2012 in der Samenbank des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturforschung (IPK) in Gatersleben / Sachsen-Anhalt aufgenommen
    Die Forscher experimentieren an einer molekularen Züchtung. (dpa / picture alliance / Stefanie Paul)
    Der Biologe Jens Boch führt durch das Institut für Pflanzengenetik an der Universität Hannover. "Wir gehen jetzt in eins unserer Labore in denen wir molekularbiologisch arbeiten."
    Der Raum ist weiß getüncht. An den Stirnseiten der fachtypische Maschinenpark.
    "Wir haben Zentrifugen, wir haben Geräte zum Schütteln von kleinen Kulturen, wir haben eine PCR-Maschine zum Amplifizieren von DNA-Abschnitten und Heizer mit unterschiedlichen Temperaturen zum Inkubieren von unseren Proben."
    Vor einem sterilen Arbeitsbereich steht Jana Streubel. Geschickt nimmt sie kleine Probenröhrchen aus einem Bett aus gecrunchtem Eis, öffnet deren Verschluss mit einem Finger und füllt mit einer Pipette einen Tropfen einer farblosen Reaktionslösung hinein.
    "Wir messen da jetzt eine Proteinaktivität. Das ist im Prinzip so eine Art Schnelltest. Da gibt man hier in die Platten ein Substrat dazu. Und dann sieht man ob die TAL-Effektoren das dahinter liegende Gen aktivieren konnten oder nicht."
    TAL-Effektoren. Das sind Proteine, die in die Pflanzen eingeschleust werden und dort Gene einschalten. Jens Boch gehörte zu den Ersten, die den Mechanismus dahinter erklären konnten. 2010 entwickelten andere daraus ein molekulares Werkzeug. Sie koppelten an das TAL-Protein eine sogenannte Nuklease als Gen-Schere – aus TAL wurde TALEN. Finden, schneiden, fertig. So lassen sich ganz gezielt Veränderungen im Erbgut auslösen.
    Eines der zentralen Werkzeuge für die Pflanzenzüchtung
    "Bei diesen neuen Techniken, dem Genome Editing, da dirigiere ich die Nuklease an einen speziellen Ort im Erbgut und schneide dort. Es kann natürlich passieren, dass sie woanders schneidet, aber das ist sehr, sehr unwahrscheinlich."
    Jens Boch erforscht Grundlagen. Er ist überzeugt, dass TALEN – neben einem ganz ähnlich funktionierenden Gen-Scherensystem namens Crispr-Cas – in Zukunft zu zentralen Werkzeugen für die Pflanzenzüchtung werden. Denn mit beiden Verfahren lassen sich Mutationen gezielt auslösen, um einem Weizen etwa mehr Toleranz gegen Dürre oder Rost einzubauen. Im Vergleich zu klassischen Züchtungsmethoden geht das viel genauer und vor allem auch schneller. Dauert es heute noch fünf bis zwanzig Jahre, um neue Eigenschaften stabil in einer Pflanzensorte zu etablieren, verkürzt das Genome Editing diese Spanne deutlich:
    "Ich nehme schon an, dass es um den Faktor fünf und mehr wahrscheinlich schneller dann geht. Und das sind ja viele Jahre dann auch."
    Eine gezielt per TALEN herbeigeführte Punktmutation ist von einer zufällig auftretenden, natürlichen Mutation nicht zu unterscheiden. Nur beim Einbringen der TALEN-Proteine in die Pflanze werden gentechnische Methoden angewendet. Bei korrekter Durchführung hinterlassen sie aber keine weiteren Spuren im Erbgut der Pflanzen. Jens Boch plädiert deshalb dafür, solche Formen des Genome Editing nicht als kennzeichnungspflichtige Gentechnik einzustufen.
    "Wenn keine zusätzlichen Gene im Erbgut des Organismus landen, dann finde ich das sehr schwierig mir vorzustellen, warum das Gentechnik sein soll.
    Ich denke, letztendlich ist das einfach eine Art der Züchtung, eine molekulare Züchtung, wenn man so sagen möchte. Natürlich sind all diese molekularen Hintergründe für Ottonormalverbraucher sehr schwer abzuschätzen und zu verstehen. Aber ich weiß auch nicht, inwieweit er auch die jetzigen Züchtungsmethoden überhaupt hinterblickt, dass dort halt Chemikalien und Strahlung und sonst was auf die Pflanzen geworfen werden."