Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Frankreich verkauft seine Autobahnen

Nachdem der französische Staat in diesem Jahr bereits ein Fünftel seiner Anteile des Gasversorgers Gaz de France verkauft hat und knapp dreieinhalb Milliarden Gewinn mit dem Teilverkauf der französischen Telecom gemacht hat, ist nun das Autobahnnetz an der Reihe. Zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro soll das Geschäft in die Staatskasse spülen.

08.08.2005
    Was die Franzosen davon halten, dass ihre Autobahn demnächst Privateigentum werden, danach hat sich Margit Hillmann erkundigt.

    Die A1 bei Paris: Lkw, Firmenwagen und Berufspendler sind unterwegs, und unzählige Urlauber aus dem In- und Ausland. Kurz vor Paris staut sich der Verkehr an den Autobahnzahlstellen, den Péages. Dort sitzen in kleinen Schalterhäuschen junge Frauen und kassieren die Autobahngebühr für die gefahrenen Kilometer.

    "Teuer! Vor allem die Autobahnstrecken im Süden sind teuer. 60 Euro für 800 Kilometer, von Toulon nach Paris."

    "Die Autobahn ist zu teuer, aber es ist eine Dienstleistung. Und eine Dienstleistung kostet eben."

    Dass die Autobahn Geld kostet, daran sind französische Autofahrer gewöhnt: Seit 1956 werden sie für jede Fahrt auf der Autobahn zur Kasse gebeten. Aber auch die Privatisierung der Autobahn ist den Franzosen nicht mehr fremd. Vor gut 4 Jahren, unter der damals sozialistischen Regierung, wurden die staatlichen Autobahngesellschaften bereits teilprivatisiert. Doch was, wenn jetzt das Autobahnnetz komplett an Privatunternehmen verkauft wird und der Staat sich ganz zurückzieht? Sind die Franzosen damit einverstanden? Stichprobe auf einem Autobahnparkplatz:

    "Mich stört das nicht."

    "Das ist eine gute Sache"

    "Der Staat wird immer nachlässiger und der Zustand der Autobahn verschlechtert sich zusehends. Ich glaube die Privaten kümmern sich besser um die Autobahnen, weil sie ja Gewinn machen wollen. Und das bedeutet, sie müssen sie für ihre Kunden in Ordnung halten. Das ist doch klar."

    "Wenn die Autobahn in einem guten Zustand bleibt, habe ich nichts dagegen."

    "Wenn es den Service verbessert, warum nicht?! Vielleicht bringt es uns auch Vorteile, wenn ein bisschen Konkurrenz ins Spiel kommt. "
    Auf der politischen Bühne dagegen formiert sich Widerstand. François Bayrou, Parteivorsitzende der regierungsnahen, liberalen UDF, entrüstet sich öffentlich: "Die klammheimlich vorbereitete Privatisierung der Autobahn ist ein Skandal". Es sei "zum Heulen", dass so kostbares Staatseigentum verscherbelt werde, nur um kurzfristig Geld in die Kassen zu bekommen. Eine Kritik, die die gesamte französische Linke teilt. Bernard Guibert, Spezialist für Wirtschaftsfragen bei den französischen Grünen:

    "Die Regierung macht den Reichen und Unternehmern im Land zurzeit viele Geschenke. Und das, obwohl uns das Geld fehlt mit Investitionsprogrammen das französische Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Der Verkauf der Autobahnen widerspricht jeder wirtschaftlichen Logik. Er ist wirklich das klassische Beispiel für eine Regierungspolitik, die Verluste und Schulden der Allgemeinheit auflädt und den Profit an die Unternehmer verteilt. "

    Zwischen 10 und 12 Milliarden Euro soll die Privatisierung der Autobahn in die Staatskasse spülen. Ein schlechtes Geschäft, glaubt man den Kritikern. Würde der Staat seine Anteile behalten, heißt es, brächten sie ihm in den nächsten zwei Jahrzehnten geschätzte 35 bis 40 Milliarden Euro.

    Davon könnten Ausbau und Modernisierung des Schienenverkehrs bezahlt werden, so der Vorschlag der französischen Grünen. Ihr Wirtschaftssprecher, Bernard Guibert

    "Anstatt den Aktionären die Milliarden zu schenken, sollten die Gewinne lieber verwendet werden: für den Ausbau einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik in Frankreich und - im europäischen Rahmen - zur Unterstützung der Osteuropäer beim Aufbau ihrer Infrastruktur nach Umweltschutzkriterien."
    Für die Regierung ist der Autobahnverkauf jedoch beschlossene Sache. Bis zum 22. August können am Autobahnkauf interessierte Unternehmen ihre Angebote abgeben. Allerdings ist der bisher finanzstärkste französische Interessent, das Grossunternehmen Bouygues, inzwischen abgesprungen.

    Damit wächst die Wahrscheinlichkeit eines ausländischen Unternehmens als künftiger Besitzer französischer Autobahnen. Doch seit dem Gerücht, dass die Amerikaner das französische Aushängeschild Danone übernehmen wollen, predigt der französische Premierminister, Dominique de Villepint, ohne Unterlass mehr Patriotismus in der Wirtschaft. Das könnte der Regierung nun beim Verkauf der Autobahn zum Verhängnis werden.