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Frankreichs Abschied von Afrika

Die Abneigung der Afrikaner gegenüber Frankreich wächst. Ob in Mali, der Elfenbeinküste oder dem Senegal - die Bevölkerung der ehemaligen Kolonien fühlt sich von den Franzosen immer häufiger betrogen und ausgebeutet. Aus Paris berichtet Margit Hillmann.

    Gestern Abend vor einem Wohnheim für afrikanische Arbeiter, am Rande von Paris: Einige Bewohner stehen draußen vor dem Eingang und unterhalten sich. Sie haben die Bilder in den Nachrichten gesehen vom afrikanisch-französischen Gipfel in Cannes: Staatspräsident Jacques Chirac, der freundlich lächelnd afrikanische Staatschefs empfängt, ihnen kollegial die Schultern klopft, so, wie man gute, alte Freunde begrüßt. Harmonische Bilder, die, da sind sie sich die Afrikaner einig, wenig mit dem tatsächlichen Verhältnis zwischen Frankreich und Afrika zu tun haben.

    "Der Grosse frisst den Kleinen auf; Frankreich frisst Afrika. Frankreich ist nur dann Freund, wenn es was zu holen gibt. Rohstoffe. - Es interessiert sich für das, was unter der Erde liegt."

    "Wir haben die Rohstoffe, aber nicht die Mittel, sie selbst zu fördern. Das tun französische Unternehmen, aber wir profitieren nicht davon. Die nutzen uns aus."

    "Die Diktatoren in Afrika werden oft von Frankreich unterstützt. Auf die Weise kontrollieren sie uns Afrikaner."

    "Jedes Mal, wenn das Volk sich wehren will gegen korrupte Staatschefs, wenn es Aufstände gibt, kommen sie, um es zu verhindern. Es ist ihnen nämlich recht, wenn es in Afrika so bleibt, wie bisher."

    Die Franzosen würden sich eigentlich noch immer wie Kolonialherren benehmen, sagen sie und scherzen:

    "Wir schicken sie zur Tür heraus, und sie kommen zum Fenster wieder rein."

    Die Unzufriedenheit der Afrikaner mit Frankreich wächst. Ob in Mali, der Elfenbeinküste oder dem Senegal, - die Bevölkerung der ehemaligen Kolonien fühlt sich von den Franzosen immer häufiger betrogen und ausgebeutet.

    Das beobachtet auch Philipe Hugon, Forschungsdirektor am Pariser Institut für internationale Beziehungen und Strategien, Spezialist für geopolitische Fragen in Afrika:

    "Die Präsenz der Franzosen stößt vor allem bei der afrikanischen Jugend auf Ablehnung. Die befindet sich in sehr großen Schwierigkeiten, weil es ihnen in ihren Ländern an wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven fehlt. Und diese Generation empfindet die französische Politik in Afrika zunehmend als neo- oder postkolonialistische Machtpolitik."

    Es wächst nicht nur die Kritik an politischen und militärischen Aktionen der Franzosen in Afrika. Es schwindet auch spürbar der bisher als selbstverständlich geltende Einfluss Frankreichs auf dem schwarzen Kontinent, politisch, wirtschaftlich und kulturell, zugunsten der Amerikaner, Chinesen und Inder, die sich brennend für Afrika interessieren. Für Philippe Hugon ist das die Folge der überholten, konservativen Afrikapolitik Jacques Chiracs, aber auch die seiner Vorgänger.

    "Jacques Chirac ist Erbe der von de Gaulle und Mitterand bereits stark geprägten Afrikapolitik. Ich würde sogar sagen, dass er eher weniger in politische Spielchen verstrickt war. Natürlich ist auch wahr, dass er in seiner Amtszeit eine zu große Nähe hatte zu afrikanischen Diktatoren, sehr persönliche Beziehungen, die ihm immer wieder vorgeworfen werden. Aber man muss auch bedenken, dass die Situation in Afrika derzeit sehr instabil ist. Wenn der französische Präsident diese Machthaber gestützt hat, dann auch deswegen, weil es in diesen Ländern keine stabile und glaubwürdige Opposition gibt, an die man sich halten könnte. Das ist zum Beispiel auch im Tschad der Fall, wo zusätzlich noch die Ausdehnung der Darfur-Krise droht."

    So mache es sich denn auch die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Segolene Royal ein wenig zu leicht mit ihrer Kritik an Jacques Chiracs Afrikapolitik, glaubt Philippe Hugon:

    "Sie hat eine Rede gehalten, die man Pro-Dritte-Welt nennen könnte: mehr finanzielle Hilfen für Afrika, mehr Demokratie und Transparenz. Aber bisher haben weder Segolene Royal noch Sarkozy auf fundamental wichtige Fragen geantwortet: Soll die französische Armee in der Elfenbeinküste bleiben? Die Frage der französischen Militärbasen in Afrika - bleiben sie erhalten, ja oder nein? Sie Frage, ob die Verteidigungsabkommen mit afrikanischen Ländern weiterhin gelten sollen. Antworten, die man von einer künftigen Präsidentin erwarten darf."

    Der Mann vom Pariser Institut für Internationale Beziehungen und Strategien, der übrigens auch als Berater für die Weltbank arbeitet, ist dennoch davon überzeugt, dass mit dem Abtritt von Jacques Chirac eine neue Phase in der französischen Afrikapolitik beginnen muss und wird: glaubwürdiger, demokratischer und gerechter muss sie werden. Unverzichtbar sei aber auch, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mehr Verantwortung in Afrika übernehmen.

    "Man kann nicht immer die Franzosen machen lassen, mit dem Argument, die kennen sich da besser aus."