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Frauenquote
"Das Richtige auf den Weg gebracht"

Die Quote, die festlegt, zu welchem Mindestanteil Aufsichtsräte großer Unternehmen mit Frauen besetzt werden müssen, ist beschlossene Sache. Paul Lehrieder (CSU), Vorsitzender des Familienausschusses im Bundestag, erinnerte im DLF daran, dass auch eine Art Männerquote für den öffentlichen Dienst verabschiedet wurde.

Paul Lehrieder im Gespräch mit Manfred Götzke | 06.03.2015
    Ein Mann und eine Frau in Business-Look beugen sich gemeinsam über einen Laptop-Computer
    Das Szenario einer Unterrepräsentierung von Männern im öffentlichen Dienst bezeichnete Paul Lehrieder als "zugegebenermaßen konstruierten Fall". (imago / McPHOTO)
    Manfred Götzke: Gefühlt 20 Jahre lang hat die deutsche Politik sie diskutiert, heute haben die Abgeordneten im Bundestag sie mit großer Mehrheit beschlossen: die Frauenquote! Und zwar keine freiwillige oder Flexi-Quote, sondern eine echte. Und das hat heute vor allem die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig gefreut.
    O-Ton Manuela Schwesig: So selbstverständlich, wie Frauen heute wählen und gewählt werden können, so selbstverständlich werden zukünftig Frauen in Führungsetagen von Unternehmen und dem öffentlichen Dienst mitbestimmen. So fremd uns heute die Vorstellung ist, dass Frauen politisch nicht mitbestimmen dürfen, so fremd muss in Zukunft die Vorstellung sein, dass Frauen in Unternehmen nicht mitbestimmen dürfen.
    Götzke: Und damit das künftig alles so selbstverständlich sein wird, müssen ab 2016 30 Prozent der Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen Frauen sein. Weil es aber vor allem in der Union immer schon große Vorbehalte gegenüber dieser Form von Frauenförderung gegeben hat, musste offenbar auch was für die Männer getan werden! So wurde heute auch eine Art Männerquote für den öffentlichen Dienst verabschiedet. Männer sollen künftig bevorzugt werden, nämlich dann, wenn sie unterrepräsentiert und strukturell benachteiligt sind. Paul Lehrieder ist Vorsitzender im Ausschuss für Familien und Frauen. Herr Lehrieder, wieso wollen Sie diese Quote, diesen Männerschutz umsetzen?
    Paul Lehrieder: Gut, es ist in Paragraph 8 des Bundesgleichstellungsgesetzes eine entsprechende Norm mit aufgenommen worden, die für den aus meiner Sicht momentan mir noch nicht bekannten Fall eben einer strukturellen Benachteiligung von Männern eine vergleichbare Regelung vorsieht. Nicht mehr und nicht weniger. Weil, wir haben uns gesagt, dass ein Quotengesetz, ein Geschlechterquotengesetz, also das Geschlechtergleichstellungsgesetz, und gerade nicht nur ausschließlich hier für die Frauenförderung, sondern natürlich auch für den zugegebenermaßen konstruierten Fall, dass in einem Ministerium beispielsweise ein Minister oder eine Ministerin sagt, okay, ich will eben in den Führungsebenen ausschließlich Frauen haben, weil ich vor Jahren mal mit Männern schlechte Erfahrungen gemacht habe, und deshalb dann sage, gut, ich bevorzuge das eine Geschlecht ausschließlich, besetze meine Abteilungsleiter ausschließlich mit Frauen. Dass da natürlich der Mann für den zugegebenermaßen theoretischen Fall eine Möglichkeit hat, auch zur Bewerbung zu kommen.
    Götzke: Im Gespräch war in diesem Zusammenhang ja auch immer die Kita, die Grundschule, die Altenpflege. Sehen Sie dort eine strukturelle Benachteiligung von Männern?
    Lehrieder: Glaube ich nicht. Weil, da ist die Benachteiligung, das werden wir diskutieren müssen: Reicht die Bezahlung aus? Das besteht natürlich in vielen Bereichen, gerade im Kita-Bereich, im Grundschulbereich natürlich fest: Wo die Bezahlung nicht ganz so toll ist, ist der Frauenanteil überdurchschnittlich groß. Da müssen wir aufpassen, dass da die Bezahlung natürlich irgendwie in gleicher Weise ist. Das vielleicht aber auch in Zukunft - das war die Diskussion, die wir auch nach der Anhörung am 23. Februar im Ausschuss hatten - ... wir wollen eine Parität, gibt das Grundgesetz in Artikel 3.2 beim besten Willen nicht her. Das heißt, ein Eingriff eben hier in die Bewerbungsmöglichkeiten von männlichen oder weiblichen Bewerbern muss eben gestützt sein auf eine strukturelle Benachteiligung. Und die wäre dann da, wenn beispielsweise trotz Bewerbungen ausschließlich Frauen im Kita-Bereich genommen würden. Aber das ist nicht der Fall. Wenn sich Männer bewerben, werden sie genauso genommen. Nur, die Frage ist, warum bewerben die sich nicht. An den Ursachen müssen wir vielleicht irgendwo drehen, aber nicht eben an der strukturellen Benachteiligung.
    Götzke: Wenn wir über die strukturelle Benachteiligung im öffentlichen Dienst sprechen, geht es ja in der Regel um Frauen. Also, oftmals ist es in Führungspositionen ja so, dass 90 Prozent von Männern besetzt werden, obwohl sich möglicherweise Frauen bewerben.
    "Ein Bekämpfen der strukturellen Benachteiligung"
    Lehrieder: Bei gleicher Qualifikation ist dann eben hier die Frau zu berücksichtigen. Aber Fakt ist auch, dass natürlich eben hier in den Hinterköpfen vieler Personalmanager, auch im öffentlichen Dienst, in den letzten Jahren natürlich immer noch die Frage gestanden hat, ja, wird die Frau schwanger, dann muss sie zur Kindererziehung zwei Jahre zu Hause bleiben. Dann eben entsprechend hier, wenn sie tatsächlich zu Hause vielleicht einen pflegebedürftigen Angehörigen zu betreuen hat, dann fällt sie auch möglicherweise komplett aus. Und genau dafür haben wir mit Inkrafttreten zum 1. Januar 2015 ja etliche Verbesserungen. Im Kita-Bereich natürlich, wir kommen zum Qualitätsausbau der Kitas, dass da natürlich der Personalmanager weiß, jawohl, wenn ich jetzt die Frau mit der gleichen Qualifikation wie den Mann einstelle, kann ich davon ausgehen, dass sie dem Arbeitsplatz in ähnlicher Weise zur Verfügung steht wie der Mann. Das ist ein Bekämpfen der strukturellen Benachteiligung, dass ich nicht wegen meines Geschlechtes, weil ich schwanger werden kann, dass ich nicht deshalb benachteiligt werden kann. Da haben wir an mehreren Stellschrauben die letzten Jahre, glaube ich, sehr viel Positives gemacht, dass die Wirtschaft und natürlich auch der öffentliche Dienst sagen kann, jawohl, eine Frau, eine engagierte, tüchtige, akademisch beispielsweise ausgebildete Frau, die sich auf den Posten bewirbt, steht in gleicher Weise betriebswirtschaftlich auf dem Posten zur Verfügung wie der Mann.
    Götzke: Wäre es da nicht trotzdem konsequenter gewesen – Sie haben gesagt, es gab verfassungsrechtliche Bedenken bei einer paritätischen Besetzung –, aber trotzdem eine Frauenquote im öffentlichen Dienst von, sagen wir mal, 20, 30, 40 Prozent einzuführen?
    Lehrieder: Der Punkt ist der: Wenn ich 20 Prozent Frauen irgendwo in einer bestimmten ... bei der Müllabfuhr einstelle, dann mag sie möglicherweise zu hoch gegriffen sein. Wir haben im öffentlichen Dienst so viele unterschiedliche Berufsbilder, dass ich eben hier eine Quote ... absolut für falsch halte. Wenn ich sage, okay, in der Müllabfuhr wird eine Frau nicht eingestellt, die sich trotzdem beworben hat, weil sie eine Frau ist, dann ist es strukturelle Benachteiligung. Aber den hypothetischen Fall habe ich genauso wenig vernommen wie den eingangs gestellten Fall. Wir schreiben niemandem vor, wo er sich zu bewerben hat. Wenn wir die ursprüngliche Fassung des Entwurfs gelassen hätten im Bundesgleichstellungsgesetz, dann würde das heißen, dass bei gleicher Bewerbung eben hier 50 Prozent Sekretäre erst mal eingestellt werden müssen, die sich gar nicht darauf bewerben, weil natürlich sicherlich eben hier der eine oder andere sagt, Sekretär, zu wenig Bezahlung, da bewerbe ich mich gar nicht! Darum ist jede Quote da ein Stück weit ... über alle Berufsbilder im öffentlichen Dienst, würde wieder zu Verfälschung führen, wäre verfassungsrechtlich aus meiner Sicht nicht tragbar, nein.
    Götzke: Sie haben von hypothetischen Fällen gesprochen. Aber wird es in Zukunft nicht auch hypothetisch bleiben, weil man gar nicht so richtig feststellen kann, was eine strukturelle Benachteiligung ist?
    Lehrieder: Ich weiß nicht, welche von diesen Fällen sich tatsächlich in den nächsten Jahren erweisen werden, wie wir das vielleicht mal präzisieren, werden wir noch mal hinschauen müssen. Aber noch mal, wir haben ...
    Götzke: Also, Sie würden sagen, es ist ein schwammiger Begriff?
    Lehrieder: Es ist sicherlich auslegungsfähig. Ich muss schauen, eine strukturelle Benachteiligung, allein weil ich Frau bin, ist natürlich ein auslegungsfähiger Begriff. Das nachzuweisen ist nicht immer einfach, da gebe ich Ihnen Recht. Aber wir werden gucken müssen, wie das wirkt. Und ich glaube, im Bundesgleichstellungsgesetz haben wir da zumindest das Richtige auf den Weg gebracht, dass ich bei gleicher Qualifikation nicht sagen kann, gut, ich nehme dicht nicht, nur weil du Frau bist!
    Götzke: Die Koalition hat heute nicht nur eine Frauenquote beschlossen, sondern auch so eine Art Männerschutz. Welchen Sinn das hat, das habe ich mit Paul Lehrieder besprochen. Er ist Vorsitzender des Familienausschusses im Bundestag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.