Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Fricke: Nur bei schlüssigem Vorschlag kann die FDP zustimmen

Zustimmung zum Betreuungsgeld könne es nur geben, wenn der Haushalt ausgeglichen bleibe, sagt Otto Fricke. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP ergänzt, dass seine Partei sehr genau auf die Detailfragen des neuen Kompromisses schauen werde.

Peter Kapern im Gespräch mit Otto Fricke | 22.09.2012
    Peter Kapern: Soweit der Bericht von Christel Blanke, und bei uns am Telefon ist nun Otto Fricke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Fricke!

    Otto Fricke: Einen schönen herzlichen Morgen vom Niederrhein, Herr Kapern!

    Kapern: Herr Fricke, da stehen jetzt also zwei Themen, die in der Koalition durchaus umstritten sind, wieder ganz oben auf der Agenda: das Betreuungsgeld und die Frauenquote. Freuen Sie sich schon darauf, Ihre Qualitäten als Konfliktmanager unter Beweis stellen zu können?

    Fricke: Ja, also ich glaube, das ist Teil einfach von Politik, und ein wesentlicher Teil, den wir auch akzeptieren müssen. Es ist einfach Politik nicht so, dass man sagt, ja, ja, da ist das Problem, da ist die Lösung, beschlossen, verkündet, Ende. Und natürlich wird das auch bei diesen beiden von Ihnen angesprochenen Themen nicht etwas sein, was mal eben so läuft, und ich glaube, das darf man auch von Parteien erwarten, dass sie das tun. Und das haben alle vorher ja auch getan, da muss man durch.

    Kapern: Schauen wir mal auf das Betreuungsgeld und was da auf Sie zukommt. Der Kompromiss sieht also so aus: Wer Betreuungsgeld beziehen will, muss mit seinem Kind regelmäßig zum Arzt, er kann aber ersatzweise auch Geld für die eigene private Rentenvorsorge einstreichen. Erschließt sich Ihnen diese Konstruktion?

    Fricke: Na ja, es ist ein typischer innerer Kompromiss, und das muss man immer wieder sagen - das ist aber jetzt auch der schöne mediale Versuch der CDU/CSU, zu sagen, wir haben einen Kompromiss gefunden, Klammer auf, damit ist das eigentlich alles klar und durch. Das ist jetzt ein weiterer neuer Vorschlag der CDU/CSU, wie man das Thema lösen könnte. Ich will ausdrücklich sagen, dass die Frage der verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung für sich etwas ist, über das man reden kann. Auch da gibt es unterschiedliche Meinungen, aber nach dem, was ich an Gesprächen mit Kinderärzten erlebe in diesem Zusammenhang, ist das zumindest etwas, was unabhängig von der Frage, ob und wie man das Betreuungsgeld macht, eine gute Linie ist.

    Kapern: Aber warum muss man Eltern dafür bezahlen, dass sie mit ihrem Kindern zum Arzt gehen?

    Fricke: Nein, das ist eben nicht der Fall. Wenn wir sie nur dafür bezahlen, dass sie zum Arzt gehen, wäre das falsch. Das ist die Grundfrage, die wir in der Diskussion zum Betreuungsgeld haben. Und machen wir uns klar, ich werde jetzt nicht hier als FDP-Mann sagen, das ist das, was ich schon immer wollte. Im Gegenteil, ich halte weiterhin das nicht für die richtige Richtung. Aber wir haben - und das gehört zu Koalitionen dazu, dass man sich nie hundertprozentig durchsetzt - das als Koalitionsvereinbarungsergebnis gehabt, wir haben das dann später in einer Koalitionsarbeitsgruppe gemacht, und jetzt schauen wir uns genau an, wie die einzelnen Detailvorschläge da sind, und erst dann, wenn die insgesamt schlüssig sind und tragend, dann kann es zu einer Zustimmung im Deutschen Bundestag kommen.

    Kapern: In früheren Zeiten, Herr Fricke, als die FDP noch in der Opposition war - Sie mögen sich daran vielleicht nicht so gerne erinnern - ...

    Fricke: Doch, gehört dazu.

    Kapern: ... ja, da hat sie mit dem ja doch etwas polemischen Satz Schlagzeilen gemacht: Tanken für die Rente. Kann man das jetzt umdichten in einen Satz wie: Heute den Kindern die frühkindliche Bildung verweigern, damit die Eltern mehr Rente bekommen?

    Fricke: In dem Falle - und jetzt würde ich mal sagen, versuche ich zu entideologisieren -, in dem Falle, wo ich pauschal davon ausgehe, dass das, was für mich auch eine Befürchtung ist, nämlich dass dann, wenn ich dieses Betreuungsgeld in einem falschen Anreiz mache, man sich nämlich nicht um die Kinder kümmert, würde ich dem zustimmen. Aber ich kann - und das muss ich als Liberaler dann in Achtung der Individualität der Eltern auch sagen - nicht pauschal über Eltern, ich sage bewusst, herziehen und sagen, jeder, der seine Kinder zuhause hat, wird sich in der frühkindlichen Betreuung nicht richtig um die Kinder kümmern. Mit Verlaub, dagegen sprechen dann doch Generationen von Deutschen, die das von ihren Eltern mitbekommen haben, und das würde ich so nicht sagen. Aber, und das ist eben der Punkt, wir müssen ganz genau gucken, was machen wir in den Fällen, wo erkennbar ist, dass eben eine solche Leistung nicht dahin geht, wo sie hingehen sollte, nämlich ins Wohl der Kinder.

    Kapern: Aber Herr Fricke, dieser Kompromissvorschlag, der da jetzt entwickelt worden ist, der stellt ja einen Zusammenhang her zwischen dem Betreuungsgeld, das Eltern bekommen, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken und höheren Renten, wenn sie denn dieses Geld in eine private Rentenversicherung einzahlen. Erschließt sich Ihnen dieser Zusammenhang irgendwie?

    Fricke: Nein. Um es ganz klar zu sagen, jeder Kompromissvorschlag, der hier von der CDU/CSU kommt, das müssen wir doch offen erkennen, ist doch nicht ein Kompromissvorschlag, der rein in der Sache ist, sondern ist wie viele Kompromissvorschläge in der Politik der Versuch, an der einen Seite etwas zu geben, um an der anderen Seite etwas zu bekommen. Und deswegen müssen wir ja als FDP uns jetzt genau angucken: Macht das Sinn, ist das sinnvoll? Wie viel zusätzliche Kosten kommen da auf uns zu? Denn das stimmt ausdrücklich, wenn ich sage, ich will die Leistung erhöhen, kommt, wenn auch nachher möglicherweise mit zeitlicher Verzögerung eine erhebliche Zusatzbelastung auf uns zu, aber das ist genau das, was man sich angucken muss. Ich weiß, dass der Bürger das nicht mag, weil es nach Geschachere aussieht, nur hier muss man eben genau sehen, wie das eine mit dem anderen verbunden wird, was die Diskussion sicherlich nicht leichter macht.

    Kapern: Das, was man bekommt, das könnte ja für die FDP so aussehen: Von der Pflicht auf eine Vorsorgeuntersuchung profitieren die Ärzte, von der Möglichkeit, mit dem Betreuungsgeld zu riestern, profitiert die Versicherungswirtschaft - appelliert die Union da an den Klientelinstinkt der FDP?

    Fricke: Na ja, das ist so das übliche kleine Vorurteil, das sehe ich so nicht. Zweitens, ich glaube eher, dass dieser Kompromiss ein Kompromiss ist, der versucht hat, die inneren Reihen der CDU/CSU zu schließen. Ich bin auch sehr gespannt, wie die Wirtschaftspolitiker, Haushaltspolitiker und Finanzpolitiker der CDU/CSU jetzt darauf reagieren, denn auch da gab es in der Vergangenheit erhebliche Widerstände. Nein, der Versuch, das mit dem berühmten Projekt Klientel zu lösen, ist, würde ich sagen, der einfache Versuch, zu sagen, na ja, die FDP ist eine Klientelpartei, das wissen doch alle, jetzt haben wir unser Vorurteil wieder befriedigt, und dann wird es funktionieren. Nein, es wird am Ende geguckt, was kommt dabei raus, ist das vertretbar, ist das bei einer Kompromisslösung - nochmals, was ich betonen muss -, die wir machen müssen bald, sonst hätten wir ja auch an anderen Stellen, Stichwort Streichung der kalten Progression, nicht andererseits die CDU/CSU zu einem jeweiligen Kompromiss bringen können.

    Kapern: Nun sind Sie auch, Herr Fricke, erfahrener Haushälter. Die OECD sieht eine Rezession am deutschen Horizont, die möglicherweise Auswirkungen oder ganz bestimmt Auswirkungen auf die Steuereinnahmen haben wird. Können wir uns das Betreuungsgeld überhaupt leisten?

    Fricke: Für sich alleine nein. Jetzt kann ich zwar sagen, wir haben das im Haushaltsentwurf 2013 in der Planung, 2014 folgende eingeplant, und sehen dabei ja, dass wir die europäischen Vorgaben, die Verfassungsvorgaben und den Abbau erreichen, aber dennoch, es ist ganz klar, dass wir immer wieder genau gucken mussten, wie das hineinpasst, und - auch das muss man klar sagen - im Rahmen der Haushaltsberatung werden wir uns genau angucken müssen, was wir noch zu tun habe. Das ist nicht einfach, denn das, was die OECD sagt, ist ja ein Hinweis, der wirtschaftlicher Normalität entspricht. Es geht nicht immer nur aufwärts. Und dann muss man genau gucken, was geht, was kann ich mir noch erlauben, auch das gehört in die Diskussion dann rein und wird auch was mit der Frage zu tun haben, ob man möglicherweise Einsparungen an anderer Stelle findet - übrigens dann nicht nur von denen, die immer sagen, ich möchte neue Leistungen - was mir leider viel zu häufig inzwischen bei der CDU/CSU die Basis von Politik ist -, sondern auch bei der Frage, auf was kann, soll oder muss ich verzichten.

    Kapern: Also Zustimmung der FDP nur, wenn die Ausgaben für das Betreuungsgeld an anderer Stelle kompensiert werden?

    Fricke: Zustimmung kann es nur dann geben, wenn wir das im Haushalt in einer Balance halten. Wir haben bisher den ersten ...

    Kapern: Was heißt das genau, Herr Fricke - in einer Balance halten?

    Fricke: Ja, das heißt im Endeffekt, wenn ich an der Stelle sehe, dass mir der Haushalt wegen sich verändernder wirtschaftlicher Entwicklung auseinander gleitet und ich die Abbaukurve, die wir tatsächlich haben, nicht erreichen kann, oder auch nicht erreichen kann, dass wir etwas erreichen, was wir seit 30 Jahren in Deutschland nicht mehr hatten, nämlich die Ausgaben innerhalb einer Legislatur stabil zu halten, dann muss ich an anderer Stelle an die Ausgaben ran oder ich muss sagen, ich kann mir diese Leistung nicht leisten.

    Kapern: Und das wird in diesem Falle so sein?

    Fricke: Das wird in diesem Falle so sein, denn ich glaube, wenn es eines gibt, was die Stabilität in diesem Land ausmacht, dann ist es unsere Arbeit im Bereich von Haushalt und Finanzen, wo wir zwar innen immer kritisch gucken, aber wo ganz Europa sagt, meine Güte, wenn die den Kurs einhalten, ist das der Anker, den Europa braucht.

    Kapern: Wie bewerten Sie, Herr Fricke, das, was gestern im Bundesrat geschehen ist? Zwei Bundesländer von der CDU geführt stimmen für eine gesetzliche Frauenquote - ist das, wie die "Süddeutsche Zeitung" heute schreibt, ein Fanal für die Regierung Merkel?

    Fricke: Na ja, die Fanale hat es immer wieder gegeben, bei meiner eigenen Partei wird das dann immer Sterbeglöcklein genannt, und nach der nächsten Wahl muss man dann immer wieder feststellen, dass es eine Glocke war, die wachgemacht hat. Nein, man muss ja einfach sehen, so sehr, so strittig das Thema ist, und so sehr ich auch glaube, dass wir anstatt zu gucken, was passiert, faktisch im Bereich Frauenquote, nämlich ein wirkliches Aufwachsen, das begrüßen und unterstützen, machen wir sehr viel Symbolpolitik, aber - und das sage ich als Liberaler ganz selbstbewusst - im Endeffekt zeigt doch das, was der Bundesrat gegenwärtig macht, genau, mit welchen Schwierigkeiten wir es als FDP bei unserem Koalitionspartner in den letzten Jahren auch immer schon zu tun hatten, nämlich dass es dort eine andere Vorstellung davon gibt, was der Staat alles regeln muss, eine andere Vorstellung davon gibt, wie Wirtschaft funktioniert, und vor allen Dingen eine andere Vorstellung davon gibt, wie man mit welchen Programmbeschlüssen versucht, dieses Land zu verändern, und das ist unsere Schwierigkeit als FDP, macht aber auch klar, wofür wir benötigt werden.

    Kapern: Aber es bleibt festzuhalten, dass die FDP sich irgendwie in dieser Koalition zu dieser Frage verhalten muss.

    Fricke: Ja.

    Kapern: Wie denn?

    Fricke: Wenn sie sich weiterhin so ablehnend - nehmen wir das Thema Quote - so ablehnend verhalten wird, wie sie es in der Vergangenheit getan hat - ich weiß, dass das nicht leicht ist, aber ich glaube, dass eine reine Ergebnisgleichheit, die wir versuchen durch Gesetzesbeschlüsse hinzubekommen, einen Staat, der uns versucht zu sagen, was wie richtig ist, dass das auf Dauer nicht funktioniert, das ist klarer Grundsatz liberaler Politik. Was nicht heißt, dass eben die andere Frage, nämlich die Frage, an welcher Stelle haben Frauen in unserem Berufsleben Nachteile, Stück für Stück angegangen werden muss, also die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur, um es ganz kurz zu machen: Ich muss dann im Endeffekt, wenn ich auf Dauer in Unternehmen, die insbesondere wegen Ingenieurseigenschaften, die insbesondere wegen Technik nach vorne kommen, muss ich dafür sorgen - und das wird eine der schwierigsten Aufgaben sein -, dass wir dann eben auch bei der Frage Technikbegeisterung, technische Fächer und so weiter, dafür sorgen müssen, dass wir hier gerade junge Mädchen fördern.

    Kapern: Herr Fricke, ganz kurz noch zum Schluss: Überlebt die Koalition die internen Auseinandersetzungen über Betreuungsgeld und Frauenquote?

    Fricke: Ja, das wird sie, denn bei allen Berichterstattungen über die Frage, wie angeblich zerstritten diese Koalition ist, darf man auch immer wieder daran erinnern, in welchem Umfeld sie sich stabil die letzten drei Jahre gehalten hat, und ich erinnere immer gerne daran, dass man vor Wahlen, je näher sie kommen, immer wieder versucht, noch mal das in eine Zerrüttung zu schicken, und dann kommt nachher so ein Ergebnis wie in Nordrhein-Westfalen raus. Also da bin ich immer recht beruhigt.

    Kapern: Otto Fricke, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag. Herr Fricke, danke, dass Sie heute Morgen Zeit für uns hatten, schönen Tag!

    Fricke: Ich danke, schönes Wochenende!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.