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Frühlingsgefühle bei Pflanzen

Biologie. - Den richtigen Moment für die Fortpflanzung abzupassen, das ist nicht nur für Menschen, sondern für alle Lebewesen eine höchst bedeutsame Angelegenheit. Eine Pflanze zum Beispiel darf nicht ein paar warme Tage im Spätherbst oder im Winter für den Frühling halten und vorzeitig blühen - um dann anschließend von der Kälte dahingerafft zu werden. Tatsächlich gibt es einen Mechanismus, der Pflanzen dabei hilft, den "richtigen Winter" zu erkennen und lange genug abzuwarten. Was sich dabei auf biochemischer Ebene abspielt, damit haben sich gleich zwei Artikel in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" beschäftigt.

Michael Gessat |
    Wenn eine lang anhaltende Kälteperiode in der Natur vorbei ist, dann heißt das normalerweise: Es ist Frühling. Und das lateinische Wort "Ver" für den Frühling steckt auch in der Bezeichnung "Vernalisation" für eine erst durch andauernde Kälte hervorgerufene Blühbereitschaft, wie sie bei vielen Pflanzen zu beobachten ist. Richard Amasino, Biochemiker von der Universität Wisconsin hat die Modellpflanze der Botanik, die Ackerschmalwand "Arabidopsis thaliana" unter die Lupe genommen:

    Viele Pflanzenarten benötigen mehrere Steuersignale, um zu blühen. Eine häufige Kombination von Signalen ist, dass die Pflanze zuerst einen Winter abwarten muss, also vernalisiert ist, und dann aber auch noch eine passende Tageslänge braucht. Bei solchen Pflanzenarten kann man zeigen, dass Vernalisation die Fähigkeit der Pflanze zu blühen hervorbringt; sie kann dann anschließend auf die Sonneneinstrahlung reagieren. Aber solange sie nicht die ausreichende Lichtmenge bekommt, wird sie auch noch nicht blühen.

    Eine Schlüsselrolle bei der biochemischen Regulation des Blühzeitpunktes spielt das Gen FLC (Flowering Locus C), wie Amasino vor einigen Jahren herausfand. Es ist ein hemmendes Gen; und eine ungehinderte Aktivität von FLC verhindert das Blühen der Pflanze. Im Verlauf der Vernalisation, also der Kälteeinwirkung, wird FLC offenbar nach einiger Zeit regelrecht abgeschaltet. Und das ermöglicht den Pflanzen im Frühling nach der Kälteperiode dann das Blühen. Für das Abschalten von FLC, das haben Richard Amasino und sein Doktorand Sibum Sung herausgefunden, sorgt ein anderes Gen. Und dieses andere Gen mit dem Namen VIN3 spielt auch gewissermaßen bei der Zeitmessung eine wichtige Rolle. Amasino:

    Wir wissen nicht, wie es funktioniert, aber ich würde sagen, eine der faszinierenden Eigenschaften von VIN3 ist es, dass es tatsächlich einen kompletten kalten Winter braucht, um es einzuschalten. Und VIN3 muss eingeschaltet sein, um FLC auszuschalten.

    Was nun wiederum in der Pflanze abläuft, um VIN3 zu aktivieren, darüber rätseln die Forscher noch heftig: Der Anfang der Regulationskette liegt also bislang noch völlig im Dunkeln. Ein "kompletter kalter Winter" jedenfalls- das sind in Amasinos Labor, bei vier Grad Celsius und optimaler Nährstoffversorgung etwa 30 Tage. In der Natur geht es unregelmäßiger und gemächlicher zu. Kommt es nämlich zu Frost, geht die Pflanze -vorausgesetzt sie ist überhaupt ausreichend akklimatisiert und übersteht die Minustemperaturen- in einen speziellen Kältestarrezustand. Für die Vernalisation, bei der ein aktiver Stoffwechsel erforderlich ist, zählen diese Tage nicht mit.

    Im Frühling dann ist es für die Pflanze sehr wichtig, dass das abgeschaltete Gen FLC auch abgeschaltet bleibt und nicht etwa seine blühhemmende Aktivität wieder aufnimmt, bevor es durch andere auslösende Signale wie zum Beispiel "ausreichende Tageslänge" zur tatsächlichen Blüte gekommen ist. Auch hierfür sind wiederum spezielle Gene verantwortlich. Caroline Dean, Leiterin der Abteilung Zell- und Entwicklungsbiologie am englischen "John Innes Centre" in Norwich:

    Was in der Kälteperiode passiert, ist, dass die Aktivität von FLC gehemmt wird und gehemmt bleibt, auch wenn die Pflanze in die Wärme zurückgekehrt ist. Es gibt also eine Art von Erinnerung, dass die Pflanze im Winter gewesen ist. Und für diese Erinnerung sorgen die Gene, die wir VRN1 und VRN2 genannt haben.

    Richard Amasinos VIN3 schaltet also das blühhemmende FLC im Winter aus und Caroline Deans VRN1 und VRN2 sorgen im Frühling dafür, dass dies bis zur Blüte so bleibt: Biochemisch funktioniert das in beiden Fällen durch Austauschen von Acetyl- durch Methylgruppen in bestimmten Proteinregionen der Erbsubstanz, den Histonen. Und interessanterweise ist dieser Mechanismus zum stabilen Ausschalten eines Gens zuerst bei Forschungen an der Fruchtfliege Drosophila entdeckt worden. Dean:

    Diese chemischen Modifikationen der Proteine scheinen ein fundamentaler Mechanismus zur Steuerung der Genexpression in allen Lebewesen zu sein: in Hefen, in Menschen, Tieren und Pflanzen haben diese gleichartigen chemischen Veränderungen an gleichartigen Proteinen gleichartige Auswirkungen auf die Ausprägung von Erbeigenschaften.