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Funkfeuer in Londoner Wohnzimmern

Die meisten Handy-Telefonate werden innerhalb von Gebäuden geführt. Doch sobald ein Handy-Signal eine Wand durchdringen muss, wird es schwächer: Gespräche "knacken" und Datenströme bewegen sich nur noch im Schleichtempo. Abhilfe sollen daher "Femto Zellen" bringen - quasi Funkmasten im Format eines Wlan-Routers.

Von Tobias Armbrüster | 17.05.2008
    Ein Küche im englischen Swindon, eine Stunde von London entfernt. Familienvater Keith Day macht gerade einen Tee und sucht auf seinem Handy nach einem Kurzfilm der BBC. Der Klang, der aus dem Mobiltelefon kommt ist ungewöhnlich klar, keine Spur vom handy-typischen Rauschen. Noch ungewöhnlicher ist, wie schnell das Handy die Ein-Megabyte-Datei aus dem Internet herunter lädt.

    "Ich wähle hier auf dem Display als Option downloading ... und da ist die Datei schon. Das war jetzt weniger als eine Sekunde."

    Keith Day testet mit seinem Handy zurzeit ein Gerät, das alle großen europäischen Provider in den nächsten zwölf Monaten auf den Markt bringen möchten. Es handelt sich dabei um so genannte Femto-Zellen. Diese handlichen Empfangsgeräte sind sozusagen Handy-Masten für die eigenen vier Wände. Sie schnappen das Handy-Signal in der Küche oder im Wohnzimmer auf und leiten es über den hauseigenen DSL-Anschluss sofort weiter an den Provider. Der Weg über einen großen Sendemast irgendwo in der Nachbarschaft wird damit abgekürzt – und die Übertragungsgeschwindigkeit steigt rapide. Keith Day hat seine Femto-Zelle gleich neben der Telefonbuchse aufgestellt.

    "Hier, sehen Sie, das Ding ist so groß wie ein Taschenbuch. Sie stecken an der Seite eine SIM-Karte rein, die kriegen Sie von ihrem Mobilfunk-Provider und damit stellt der Kasten die Verbindung zu ihrem Handy her. Und dieses Kabel stecke ich in die DSL-Verbindung. Alles andere wird über die Internet-Verbindung gesteuert. Ich muss mich um nichts mehr kümmern."

    Keith Day ist Marketing-Leiter bei Ubiquisys, einem europäischen Hersteller von Femto-Zellen. Als Testperson ist er deshalb nicht gerade unvoreingenommen - aber Testreihen mit unabhängigen Handy-Telefonierern gibt es bislang nicht, die meisten Geräte werden zur Zeit noch intern bei den großen Mobilfunk-Betreibern geprüft, so wie im Haus von Keith Day. Er sagt, die Femto-Zelle hätte das Telefonier-Verhalten seiner Familie stark verändert.

    "Wir benutzen auf einmal unsere Handys zum ständigen Internet-Surfen. Vorher haben wir den Browser am Mobiltelefon nicht angerührt – einfach weil uns das viel zu teuer und zu langsam war. Vor allem das Runterladen von riesigen Dateien, von Videos zum Beispiel. Mit der Femto-Zelle waren meine Frau und meine Kinder auf einmal ständig mit ihren Handys im Internet."

    Eine Femto-Zelle holt den Sendemast sozusagen ins Wohnzimmer – für viele Verbraucher ist das wahrscheinlich keine angenehme Vorstellung, denn die Debatte über Gesundheitsrisiken durch Handy-Masten ist noch nicht beendet. Chris Gilbert, der Geschäftsführer von Ubiquisys sagt allerdings, mit der Femto-Zelle im Haus könne man das Strahlungsrisiko sogar minimieren.

    "So eine Femto-Zelle braucht extrem wenig Sendeleistung – eben weil sie ja schon in der Wohnung steht. Zum Vergleich: Ein Wifi-Router benötigt ungefähr 100 Milliwatt Leistung, die Femto-Zelle kommt mit einem Milliwatt aus, häufig sogar mit viel weniger. Es ist die alte Regel im Mobilfunk: Je näher die Antenne am Handy steht, desto weniger müssen sich beiden Seiten anstrengen, um das Signal zu übermitteln. Ein schöner Seiteneffekt der Femto-Zelle ist deshalb, dass der Akku am Handy viel länger voll bleibt."

    Nicht alle sind aber davon überzeugt, dass die Femto-Zelle nur Gutes bringt. Dean Bubley ist Gründer der Londoner Beratungsfirma "Disruptive Analysis", sein Unternehmen beschäftigt sich mit neuen Technologien. Zumindest für den Anfang, prophezeit er ein neues Geräte-Chaos.

    "Zurzeit sind Femto-Zellen auf einen Handy-Provider abgestimmt. Das heißt, eine Vodafone-Zelle arbeitet nur mit Vodafone-Handies. In einem typischen Haushalt mit drei, vier Leuten sind aber nicht alle beim selben Provider, der Vater hat vielleicht einen blackberry aus dem Büro, und die Kinder haben einen Provider, der viel sms erlaubt. Das heißt, sie müssten möglicherweise vier verschiedene Femto-Zellen aufstellen. Was man deshalb eigentlich bräuchte, wären Femto-Zellen, die mehrere Provider unterstützen. Aber dieses Problem ist bislang noch nicht gelöst."

    Ungeklärt ist außerdem, ob die Handy-Kunden für die Femto-Zelle bezahlen sollen – oder ob die Geräte kostenlos mit jedem Handy-Vertrag verteilt werden. Keiner der großen Handy-Provider äußert sich bislang zu diesen Fragen. Die ersten Femto-Zellen sollen europaweit Ende des Jahres angeboten werden.