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Fußball und Politik
Ein Ja! zur Präsidial-Diktatur?

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will die Macht im Land mit der Einführung eines Präsidialsystems gänzlich an sich ziehen. Anfang April gibt es dazu ein Referendum. Die Debatte darüber hat nun auch den Sport erreicht: Die Fenerbahce-Legende Ridvan Dilmen startete eine Video-Challenge via Social Media.

Von Fatih Aktürk und Hüseyin Topel | 30.01.2017
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. (imago / Depo Photos)
    "Für eine starke und souveräne Türkei sage ich Ja! Lieber Arda Turan, bist Du auch dabei?" Mit dem Aufruf an Arda Turan beginnt ein Schneeballsystem, in dem weitere Sportler zur Challenge aufgerufen werden. Jeder soll sich bekennen. Es dauert nicht lange, bis sich diese Challenge bis nach Deutschland ausweitet.
    Neben der Bevölkerung steigen auch deutsch-türkische Fußballer wie der in Köln geborene Gökhan Töre und der Leverkusener Hakan Çalhanoglu ein. "Mein Bruder Gökhan, ich habe deine Nachricht erhalten. Für unser Vaterland, für unser Volk, für die große Türkei, bin auch ich dabei. Mein Bruder Metin Saygin, bist du auch dabei?"
    Auch Bundesliga-Profis beteiligen sich
    Dem Initiator wird vorgeworfen, die Kampagne aus Karrieregründen gestartet zu haben. Kritiker glauben, dass Ridvan Dilmen damit seinem Ziel näher kommen will, Präsident des türkischen Fußballverbands zu werden. Warum aber beteiligen sich Bundesliga-Profis wie Calhanoglu? Die Verwicklung in die türkische Nationalmannschaft dürfte dabei eine große Rolle spielen.
    Hakan Calhanoglu freut sich über sein Tor für Leverkusen in der 40. Minute.
    Hakan Calhanoglus Äußerungen finden nicht die Zustimmung seines Arbeitgebers Bayer 04 Leverkusen (dpa/picture alliance/Rolf Vennenbernd)
    Calhanoglus Arbeitgeber Bayer 04 Leverkusen reagierte auf den Appell "JA! zum Präsidialsystem in der Türkei" zerknirscht. In der Zeitung "Die Welt" hieß es, der Vorstand habe dem jungen Deutsch-Türken mehr Zurückhaltung in politischen Äußerungen ans Herz gelegt.
    Mahnender Erstliga-Trainer erntet Hassbotschaften
    Während die Zahl der Ja-Sager steigt, üben sich die Stimmen der Gegner des bevorstehenden Präsidialsystems in Zurückhaltung. Einzig Aykut Kocaman, Trainer des Erstligisten Konyaspor, meldet sich in einer Fernsehsendung mahnend zu Wort: "Wir dürfen nicht in die Politik miteinbezogen werden. Die Spieler und auch wir Trainer dürfen nicht in das Spielfeld der Politik eintreten. Meine Empfehlung an die Spieler ist, dass sie sich stets für soziale Projekte einsetzen, aber dabei nicht nur zu Vertretern einzelner Parteien werden. Unter unseren Fans und Unterstützern befinden sich Menschen aus allen Ethnien, politischen Kreisen und Kulturen. Wir gehören zu niemandem. Wir dürfen niemanden ausschließen."
    In den sozialen Netzwerken erntet er dafür Hassbotschaften. Kocaman wird unter anderem als Landesverräter verunglimpft. Die Spaltung der türkischen Bevölkerung ist aber längst auch in Deutschland angekommen. Die Videobotschaft von Çalhanoglu ist nur ein weiterer, prominenter Beleg dafür.