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Fußballsimulator Skills Lab
Das virtuelle Stadion

Fußball geht auch virtuell: Mit Ballmaschinen, HD-Beamer, Laser und Highspeed-Kameras zaubert die österreichische Firma Skills Lab künstliche Fußball-Welten. Trainiert wird darin aber mit echtem Schweiß.

Von Alexander Musik | 03.05.2019
Ein Klick auf das Tablet, und die Geräuschkulisse im virtuellen Stadion schwillt an und könnte authentischer nicht sein. In der Halle können sich angehende und Profikicker austoben: Vier Ballmaschinen spucken in gewünschtem Takt und Härte und aus allen Winkeln Bälle aus, die die Kicker möglichst rasch annehmen und zielgenau retournieren müssen. Je nach gewähltem Programm gilt es, den virtuellen Tormann auszutricksen, der auf der 360-Grad-Leinwand nervös wackelnd die Schüsse erwartet. Oder die Aufgabe lautet, einem Spieler der eigenen Mannschaft einen Ball elegant in den Lauf zu flanken.
"Wir haben 320 Quadratmeter Spielfläche, wir haben um die 50 Trainings mit bis zu fünf Leveln integriert. das heißt, große Fülle an unterschiedlichen Aufgaben, die trainiert werden können, wir können grafisch nahezu alles, was am Computer anzeigbar ist, in die Anlage, in das System integrieren", sagt Geschäftsführer Michael Lang. Er steht inmitten der perfekten Kulisse, geliefert von 6 HD-Beamern: Sie projizieren Stadion, Spielfeld und Spieler auf die mit Sensoren bestückten riesigen Leinwandmatten von "Skills Lab".
Perfekte Stadion-Kulisse per Klick
Währenddessen wird alles vermessen und verglichen: Aufpralldruck des Balles auf den Matten, Schusswinkel, Dauer der Ballannahme, Ausdauer des Spielers, Blutdruck und Puls. Matthias Fischer, Trainer und Operator, macht's vor: Der junge Mann wählt einen Schwierigkeitsgrad, stellt sich in den Lichtkreis auf dem Kunstrasen – und wartet auf die Bälle.
"Da haben wir vier flache Bälle zum Abschließen. Dann haben wir vier Bälle, die von oben her kommen, zum Volleyschießen. Und zum Abschluss haben wir dann nochmal vier flache Bälle, wo wir dann auf die Zielscheibe schießen müssen oder dürfen."
Profis brauchen Daten
Nach dem Training kommt die Auswertung der ermittelten Daten, ohne die heute im Profibereich kaum ein Trainer auskommt, sagt Geschäftsführer Michael Lang, selbst Techniker und fußballaffin:
"Das System hier ist entwickelt worden für den Profifußball. Ganz klar, Zielsetzung: Spieler besser zu machen, beim Scouting zu unterstützen, sprich: neue Talente zu identifizieren und bei verletzten Spielern, die rascher wieder ins Mannschaftstraining heranzuführen. Dann sind wir nach einer Zeit drauf gekommen, dass man das System auch für den kommerziellen Bereich benutzen kann, weil Fußball einfach Breitensport ist und auch Amateure so trainieren wollen, und aus dem Grund haben wir die Anlage hier in Wundschuh für die breite Masse, für die Öffentlichkeit geöffnet."
Hierher kommen nicht nur die Profis von Sturm Graz zum Training, auch Schulklassen und Nachwuchsspieler kicken gegen den virtuellen Gegner. 18 Mitarbeiter - Sportwissenschaftler, Trainer, Software-Ingenieure und Anlagentechniker – kümmern sich um immer ausgeklügeltere Simulationen.
"Die Spieler hier bei uns im System sind anonymisierte Spielerdummies, man kann diese softwaretechnisch jederzeit gegen reale Spieler-Avatare austauschen, die aktuelle Herausforderung sind die Rechte, man muss mit dem Eigentümer der Daten einen Vertrag, ein Agreement machen, was grundsätzlich jederzeit machbar ist, ist halt ein Aufwand, das machen wir kundenspezifisch."
Eine Trainingseinheit, 30 Minuten, kostet etwa 50 Euro. Doch "Skills Lab" kann man auch mieten oder gleich kaufen, für einen siebenstelligen Betrag im unteren Bereich, so Michael Lang, je nach Ausstattung kostet das rund eine Million Euro. Lang stehe mit verschiedenen Vereinen bereits in Verhandlungen, wie er sagt. Denn wo früher das Bauchgefühl den Trainer leitete, seien es heute verstärkt Daten.
"Wenn Sie sich Amateurspieler, Amateursportler herannehmen: Jeder trägt seine diversesten Gimmicks, die Smart Watch, weil sie anhand der Daten besser werden wollen, da ist der Bereich Fußball, der mittlerweile schon ein recht großer Markt ist, wo horrende Ablösesummen bezahlt werden, prädestiniert, um anhand von Daten, Fakten fundierte Entscheidungsgrundlagen zu haben, aber auch Spieler besser zu machen."
Ein Boxsack zum Stören
Und so wie die Vereine nicht ruhen, ihre Spieler zu vermessen, will auch "Skills Lab" immer realitätsnaher werden: Michael Lang verschwindet hinter den Leinwänden und kommt wenig später mit einer Art selbst fahrendem Boxsack wieder zurück.
"Dieser Roboter, der wird derzeit noch über Fernbedienung gesteuert. Was kann er? Er kann im Spielfeld herumfahren, kann den Spieler wenn Sie sich´s vorstellen, wenn das im Abstand von einem Meter oder ein, zwei Metern was steht, was sich bewegt, ist das für die Lösung der Aufgabe eine ganz andere Komplexität, als wir's jetzt hatten. Er kann stören, genau, das ist es auf den Punkt gebracht."
Der brusthohe Roboter-Dummy, der da auf Walzen beunruhigend schnell hin und her flitzt, stammt aus den USA, kostet 10.000 Euro und wird dort zum Football-Training eingesetzt, sagt Lang. Beunruhigen soll er auch und – wenn alles gut läuft – den Punktestand des Kickers noch einmal steigern. Denn wer trotz Störaktionen des Robo-Dummies, trotz eingespielter Beschimpfungen aus dem Stadionrund und trotz messerscharfer Pässe aus den Ballmaschinen die Ruhe bewahrt, den oder die wird der Trainer wohl nicht auf die Ersatzbank schicken.