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Gegen die Schwindsucht

Tuberkulose konnte bisher noch nicht besiegt werden. Das könnte auch daran liegen, dass die Lungenerkrankung schon immer eine Krankheit der "armen Leute" gewesen ist. Für die meisten Pharmaunternehmen scheint es daher nicht besonders lohnend, neue Medikamente oder Impfstoffe zu entwickeln. Im US-Bundesstaat Maryland aber gibt es eine Stiftung, die Tuberkulose in Entwicklungsländern bekämpfen will.

Von Arndt Reuning | 29.04.2008
    Es sind winzige, stäbchenförmige Bakterien. Wer sich mit ihnen ansteckt, hat eigentlich ganz gute Chancen, dass die Krankheit nicht ausbricht. Nur bei fünf bis zehn Prozent aller Infizierten zeigen sich auch Symptome, meistens wenn das Immunsystem geschwächt ist - zum Beispiel durch Drogenmissbrauch oder eine HIV-Infektion. Aber immerhin: Rund ein Drittel der Weltbevölkerung trägt die Tuberkulose-Erreger in sich. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich rund zwei Millionen Menschen an der Krankheit. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation verschärft: Tuberkulose und AIDS bilden eine tödliche Kombination, sagt der Mediziner Dr. Lew Barker.

    "Außerdem nehmen die Probleme mit Arzneimittelresistenzen zu. Es gibt gute Wirkstoffe gegen Tuberkulose. Sie können die Krankheit innerhalb von sechs bis neun Monaten heilen. Es treten aber nun immer mehr neue TBC-Stämme auf, multiresistente oder sogar sogenannte extrem resistente Stämme - unempfindlich gegenüber nahezu allen Medikamenten und sehr schwer zu behandeln."

    Lew Barker arbeitet für eine Stiftung mit Sitz in Rockville, Maryland: Die Aeras Global Tuberculosis Vaccine Foundation. Die Wissenschaftler dort entwickeln neue Tuberkulose-Impfstoffe. Bisher wurde der Immunschutz mit einem abgeschwächten Erreger der Rindertuberkulose aufgebaut, mit dem sogenannten BCG-Impfstoff, bekannt bereits seit 1921.

    "Der kann vor allem bei jungen Kindern helfen, die Schwere der Krankheit einzudämmen. Aber es sieht nicht so aus, als sei der Impfstoff effizient genug, um wirklich die weltweite TBC-Epidemie kontrollieren zu können. Dafür brauchen wir etwas Neues und Besseres als BCG."

    Sechs Kandidaten dafür sind bei Aeras in der Entwicklung, die auch Erwachsene gegen die Krankheit schützen sollen. Zunächst einmal geht es den Forschern darum, den BCG-Impfstoff zu verbessern - mit Hilfe von gentechnischen Verfahren. Solch eine aufgerüstete BCG-Vakzine könnte dann einen grundlegenden Immunschutz aufbauen, einen Primärschutz. Eine Zweitimpfung mit einem sogenannten Booster könnte die Wirkung anschließend verstärken.

    "Wir haben uns vorgenommen, spätestens bis zum Jahr 2015 eine erste Verbesserung der TBC-Impfstoffe zu erreichen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber im Moment liegen wir noch gut in der Zeit. Wir glauben nicht unbedingt, dass der erste Erfolg ausreichen wird. Aber wir haben mehr als nur eine Generation von Impfstoffkandidaten in der Entwicklung. Wir haben einige Kandidaten, die im Moment in Führung liegen. Und dann gibt es solche, an denen wir länger werden arbeiten müssen, die dann aber möglicherweise auch besser sind als die erste Generation."

    Aeras ist eine gemeinnützige Stiftung. Für reine Privatunternehmen würde es sich wohl kaum lohnen, einen neuen TBC-Impfstoff zu entwickeln. Aber ganz zurück gezogen hat sich die Industrie auch nicht aus dem Gebiet - und sei es nur aus Image-Gründen.

    "Wir arbeiten mit allen möglichen Partnern zusammen: Mit Regierungsbehörden, mit akademischen Instituten und mit der Industrie, mit verschiedenen Firmen in Europa. Es gibt also ein gewisses Engagement der Industrie. Tuberkulose war ja immer als Krankheit der Armut bekannt. Und das hat natürlich Auswirkungen darauf, wie attraktiv die Impfstoff-Forschung hier für die Industrie ist. Aber zum Glück gibt es Firmen, die mit uns kooperieren, um bessere Tuberkulose-Impfstoffe zu entwickeln."

    Den größten Teil ihrer Finanzmittel bekommt Aeras allerdings nicht von den Pharma-Firmen, sondern von der Bill und Melinda Gates Stiftung.