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Gentechnik
Vom umkämpften Freilandversuch zur CRISPR-Gerste

Vor zehn Jahren startete der Gießener Biotechnologie-Professor Karl-Heinz Kogel den deutschlandweit ersten Freilandversuch mit gentechnisch veränderter Gerste und stieß damit auf viel Widerstand. Heute wird eine neue Technik angewandt - die allerdings ebenfalls von einigen Bioverbänden abgelehnt wird.

Von Ludger Fittkau | 02.05.2016
    Ein Wissenschaftler arbeitet in einem Labor.
    Gentechnik: Erprobung der CRISPR-CAS-Technik. (picture alliance/dpa/Jens Büttner)
    Karl Heinz-Kogel trägt ein großes Tablett mit etwa zehn Zentimeter hohen Gräsern in sein Labor. Wie schon vor zehn Jahren arbeitet der Gießener Biologe mit gentechnisch veränderter Gerste. Doch die Methode, die er jetzt anwendet ist neu, erklärt Kogel:
    "Das ist jetzt unser Stolz. Das sind CRISPR-Pflanzen. Das sind Gerste-Pflanzen, die mit der neuen CRISPR-CS-Methode behandelt sind. Was sie sehen, ist, dass sich diese Pflanzen zunächst nicht vom Wildtyp, von den normalen Pflanzen unterscheiden. Trotzdem fehlt ihnen ein bestimmtes Gen, nämlich ein Anfälligkeitsgen für Krankheiten, das wir mit der CRISPR-Technik ausgeschaltet haben. Und das bewirkt, dass diese Gerste-Pflanzen sehr hoch resistent sind gegen Mehltaupflanzen zum Beispiel."
    Wie viele andere Biotechnologen setzt auch Karl-Hein Kogel große Hoffnung auf die CISPR-CAS-Technik, mit der einzelne Gene aus dem Pflanzenerbgut ausgeschnitten oder dem Genom hinzugefügt werden können. Bisher hatte man im Genlabor vor allem Viren verändert und versucht, diese manipulierten Mikroorganismen in die Zellen hineinzubringen, um dort ein neues Gen zu platzieren. Eine vergleichsweise ungezielte und aufwendige Technik.
    CRISPR-CAS-Technik soll Geneingriffe günstiger machen
    Mit der neuen CRISPR-CAS-Technik wollen Biotechnologen nun das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen kostengünstiger und präziser verändern. Obwohl bisher rechtlich noch nicht geklärt ist, ob CRISPR-CAS ein gentechnisches Verfahren ist, lehnt der Ökolandbauverband Bioland solcherart manipulierte Pflanzen in der ökologischen Landwirtschaft ab. Zur Vorsicht insbesondere bei Tieren und Menschen rät Regine Kollek, Biologin und langjähriges Mitglied des Deutschen Ethikrates:
    "Ja, weil die ersten Versuche, die gemacht worden sind, sowohl an Tieren als auch an menschlichen Embryonen, in China ist das ja schon erfolgt, da sind 85 Embryonen beispielsweise behandelt worden. Und von denen hat kein Einziger alle Kriterien erfüllt, die man an die Präzision dieses Verfahrens anlegt. Es kam zu Mosaikbildung, das diese Embryonen ganz unterschiedliche Zellen hatten hinterher. Und es kam vor allen Dingen in ganz vielen Fällen zu sogenannten Off-Target- Effekten, also das außerhalb des Ziels das Erbgut verändert wurde, was dann auch zu Schädigungen der Embryonen geführt hat. In der Praxis ist das sehr viel ineffizienter und ungenauer, als allgemein behauptet wird."
    Auch der Gießener Biotechnologe Karl-Heinz Kogel räumt mit Blick auf seine jungen Gräser auf dem Labortisch ein, dass es mit der neuen CRISPR-Technik nicht ganz einfach ist, stabile Gerste herzustellen, der das für Mehltau anfällige Gen ausgeschnitten wurde:
    "Nach Lehrbuchwissen wäre die CRISPR-Technik hier jetzt ganz einfach anzuwenden, aber wir kämpfen doch schon ein Jahr darum, optimale CRISPR-Pflanzen herzustellen. Das ist dann doch in der Realität doch gar nicht so einfach, wie man das erwartet."
    Gentechnik stößt auf Widerstand
    Gentechnik in der Landwirtschaft stößt insbesondere in Europa weiterhin auf Widerstand - vor allem bei der Freisetzung genmanipulierten Pflanzen in die Umwelt. Nachdem Karl-Heinz Kogel vor zehn Jahren in Gießen den ersten dreijährigen Freisetzungsversuch mit biotechnisch veränderter Gerste in Deutschland startete, bekam er es mit radikalen Gentechnikgegnern zu tun:
    "Wir haben in allen drei Jahren Feldzerstörungen gehabt. Gott sei Dank keine kompletten Zerstörungen, sodass wir einzelne Pflanzen, ein Dutzend Pflanzen, retten konnten und mit denen Versuche durchführen konnten und das dann doch noch publizieren konnten nach drei Jahren."
    An der Uni Gießen nehmen Biotechnologen neben Pflanzen seit einigen Jahren verstärkt Insekten in den Blick. Zurzeit wird hier mithilfe der Fraunhofer-Gesellschaft eines der weltweit größten Zentren für Insektenbiotechnologie aufgebaut. Ziel ist es etwa, bestimmte Sekrete, die Insekten produzieren, für die Medizin nutzbar zu machen. Federführend ist hier Kogels Kollege Andreas Vilcinskas:
    "Wir werden weltweit auch als eine Pioniergruppe auf diesem Gebiet gesehen, das Institut für Insektenbiotechnologie und die Fraunhofer-Einheit in Deutschland, vielleicht sogar europaweit. Bis jetzt decken wir als einzige die ganze Wertschöpfungskette von der Identifizierung bis zur Produkterstellung ab."
    So arbeitet man zurzeit etwa daran, Wundsalben aus Stoffen herzustellen, die Maden produzieren. Gersten-Spezialist Karl-Heinz Kogel beobachtet die Arbeit der Insekten-Biotechnologen im Nachbargebäude mit Wohlwollen. Auch deswegen, weil die Gerste viel mit schädlichen Insekten zu tun hat – etwa mit Blattläusen:
    "Das ist durchaus ein wissenschaftliches Problem, Resistenz von Gerste gegen Blattläuse zu finden. Und auch da forschen wir dran."