Dienstag, 19. März 2024

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George Taboris "Mein Kampf" am Stadttheater Konstanz
Provokation ohne Echo

Die Konfrontation blieb aus bei der Konstanzer Premiere des George Tabori-Klassikers „Mein Kampf“. Nicht einmal die Hakenkreuze wurden gesichtet, die willigen Zuschauern freien Eintritt verschaffen sollten. Das Konzept des Regisseurs Serdar Somuncu verplätscherte in freundlichem Schlussapplaus.

Von Bernhard Doppler | 21.04.2018
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    Szene aus "Mein Kampf" am Stadttheater Konstanz (Theater Konstanz, Ilja Mess Fotografie)
    Erwartet wird ein großer Eklat bei einem Stück, das inzwischen Klassiker geworden ist und in der Schule behandelt wird. Georges Taboris mehr als 30 Jahre alte Groteske "Mein Kampf", ein theologischer Schwank", wie Tabori jenes Stück über Adolf Hitlers Jahre als Mitbewohner eines Männerwohnheim in Wien nannte.
    In Konstanz muss man sich durch zahlreiche Kamerateams hindurchdrängen, denn ein von vielen als obszön empfundenes Mitspieltheater ist angekündigt. Will man eine Freikarte, so muss man eine Hakenkreuzbinde tragen, bei normalen Kauf einen Davidstern, was später freilich vom Theater abgemildert wird. Das Tragen des Davidsterns ist nicht Pflicht, es wäre auch eine allzu abgeschmackte Idee gewesen.
    Geschminkte Statisten stürmen die Bühne
    Doch nun: Wie werden die 40 Freikartenbesitzer mit Nazibinde sich outen? Und wann? An der Kasse? An der Garderobe? Erst im Zuschauerraum? Sind wir Kritiker am Ende sogar auch dabei, da wir Freikarten haben? Oder werden Rechtsradikale gar das Theater instrumentalisieren? Der Beginn verzögert sich eine halbe Stunde lang; es sei nur eine technische Panne. Die Nervosität steigt. Aber ein Hakenkreuz ist weiterhin nicht zu sehen. Die ganze Aufregung zuvor umsonst?. Eine Horde Jugendlicher stürmt plötzlich mit Pegida-Sprüchen die Bühne und schlägt auf einen Asylanten ein. Es sind geschminkte Statisten, keine Zuschauer.
    Mit Gummipenis "atemlos durch die Nacht"
    Der Kabarettist Serdar Somuncu scheint prädestiniert dafür, " Mein Kampf" zu inszenieren. Schließlich hat er auch jahrelang szenische Lesungen von Hitlers Buch gemacht. Auch Somuncus Tabori-Inszenierung ist politisch eine vollkommen eindeutige Stellungnahme gegen Neo-Nazitum, ja wohl sogar etwas pädagogischer als der tiefgründige tabulose jüdische Witz Taboris. Somuncu will aber vor allem eine an neuer schriller Comedy angelehnte Sicht über Taboris Humor stülpen. Der junge Hitler (Peter Posniak) weniger menschelnd unbeholfen, sondern bei Somuncu vor allem eine grelle Witzfigur in seiner Sprachsuada oder wenn er mit einem Gummipenis zu Helene Fischers "Atemlos durch die die Nacht" strippt. Warum die anderen Figuren von Taboris Stück aktuellen Politikern ähnlich sind, wird freilich nicht ganz klar, der Koch Lobkowitz: Donald Trump, Gretchen: Frauke Petry, Frau Tod: Theresa May.
    Hat da einer "Buh" gerufen?
    Und dann gibt es doch noch einen kleinen Zwischenfall und Unmutsäußerungen. Gretchen gibt aktuelle rechtsradikale Verspottungen über KZs und KZ-Häftlinge zum Besten, also nicht Taboris Text, sondern neuere Pamphlete. Ein paar Zwischenrufe sind zu hören, einige wenige verlassen den Zuschauerraum.
    Auch der Schluss ist bei Somuncu weit brutaler gefasst. Auch bei Tabori verweist er auf den Holocaust. Während bei ihm, was auf der Bühne überaus schockierend sein kann, Herzls Huhn geschlachtet wird, ist es bei Somuncu ein schwarzes Baby, das gekocht wird. Doch überraschend am Schluss - wie erlöst - nur braver Beifall des Stadttheaterpublikums, oder war doch ein Buhruf kaum vernehmbar zu hören? Und ganz zu verhehlen ist es nicht, ein bisschen Enttäuschung hängt dann- nicht nur für die angereisten Kamerateams - doch noch in der Luft, dass die groß angekündigte Konfrontation im Theater selbst ausgeblieben ist.