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Gesundheit
Bakterien fressen sich selbst

Immer wieder verursachen Bakterien chronische Infektionen. Weil sie sich in einer selbst produzierten Schleimschicht verstecken, sind das Immunsystem und Antibiotika machtlos. Forscher haben nun eine Möglichkeit gefunden, diese Bakterien aufzuschrecken und sie dazu zu bringen, sich selbst aufzufressen.

Von Michael Lange | 06.01.2014
    Ein Biofilm ist für Bakterien ein sicherer Ort. Es handelt sich dabei um eine Schicht aus Schleim, den die Bakterien selbst produzieren. Bakterien, die dort ausharren und sich nicht vermehren, sind so gut wie sicher - vor dem Immunsystem ihres Wirtes, aber auch vor Antibiotika. Der Mikrobiologe Brian Conlon von der Northeastern University in Boston will an diese verborgenen Bakterien herankommen.
    "Wenn Bakterien in Biofilmen, bei wenig Nahrung dahinvegetieren, dann haben gewöhnliche Antibiotika keine Chance. Denn Antibiotika greifen nur Bakterien an, die aktiv sind und sich vermehren. Diese Bakterien überdauern, weil sie nichts tun; und sobald die Antibiotika weg sind, wachsen sie wieder."
    In der Arbeitsgruppe von Professor Kim Lewis am Zentrum für die Entdeckung neuer Antibiotika an der Northeastern University in Boston hat Brian Conlon eine Stoffgruppe erforscht, die auch gegen ruhende Bakterien in Biofilmen wirkt. Ihr Name: Acetyldepsipeptide, oder kurz ADEPs.
    "Die Wirkstoffe binden an sogenannte Proteasen. Das sind Enzyme in den Bakterien, die Proteine zerlegen und zerstören. Normalerweise vernichten diese Proteasen nur solche Proteine, die nicht mehr gebraucht werden - so wie ein Müllwagen in der Stadt den Müll beseitigt. ADEPs jedoch legen das aktive Zentrum der Proteasen frei und aktivieren sie; und die Proteasen zerlegen Hunderte wichtige Proteine, die die Bakterien zum Leben brauchen. Die Bakterien-Zellen fressen sich regelrecht selbst auf."
    Brian Conlon testete das Prinzip der Aktivierung von Bakterien-Proteasen bei Mäusen mit einer Infektion im Muskelgewebe. Um alle verantwortlichen Bakterien zu vernichten, setzte er auf eine Kombination von neuen und bewährten Wirkstoffen.
    "Es funktionierte hervorragend. Wir haben bei Mäusen mit chronischen Infektionen fantastische Werte ermittelt, einfach indem wir den neuen Wirkstoff mit einem konventionellen Antibiotikum kombinierten. Und in kürzester Zeit war die Infektion vollständig verschwunden. Wir konnten alle Bakterien, die für die Infektion verantwortlich waren, sehr schnell beseitigen."
    Das konventionelle Antibiotikum allein brachte praktisch gar keinen Effekt. Nun müssen die Forscher in klinischen Studien testen, ob die Kombination aus Protease-Aktivator und konventionellem Antibiotikum auch Menschen mit chronischen oder immer wieder kehrenden Infektionen helfen kann.
    Einen Aktivator für Poteasen ist hervorragend geeignet, um schlafende Bakterien zu bekämpfen oder um ganz allgemein chronische Infektionen zu bekämpfen.
    Brian Conlon ist überzeugt: Statt wie bisher aktive Bakterien zu vergiften, sollte man besser die Proteasen der Bakterien aktivieren. Den Rest erledigen die Erreger dann selbst, in dem sie sich verdauen.