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"Griechenland hat seine Pflicht natürlich nicht getan"

Vor Griechenland liege ein langer und harter Weg, bis es seine Finanzen wieder konsolidiert habe, sagt der Europaparlamentarier Alexander Graf Lambsdorff. Zur Überwachung der Maßnahmen rate er, einen Sondergesandten nach Athen zu schicken, sagte der FDP-Politiker.

Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit Sandra Schulz | 04.03.2010
    Jochen Spengler: Eingefrorene Renten und weniger Gehalt für Staatsdiener einerseits, höhere Mehrwertsteuer und mehr Steuern auf Tabak und Spirituosen andererseits, das gestern vorgelegte zweite griechische Sparpaket ist schon ein Einschnitt.

    Wie reagieren die Europäer auf die griechischen Anstrengungen? – Meine Kollegin Sandra Schulz hat gestern Abend den liberalen Europaabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff gefragt, ob Ministerpräsident Papandreou Recht hat mit seiner Behauptung, dass Griechenland mit dem Sparpaket seine Pflicht getan habe?

    Alexander Graf Lambsdorff: Nein. Griechenland hat seine Pflicht natürlich nicht getan. Griechenland steht am Anfang einer Pflichterfüllung. Das ist ein langer und harter Weg, der vor dem Land liegt, den es aber beschreiten muss, wenn es seine Finanzen konsolidieren will. Und das muss es tun, weil es sonst die Euro-Zone in Mitleidenschaft zieht.

    Sandra Schulz: Zeichnet sich denn überhaupt schon ab, welchen Effekt die Schritte, so weit sie jetzt geplant und angekündigt sind, welchen Effekt sie überhaupt haben werden?

    Graf Lambsdorff: Ja. Wenn die Schritte umgesetzt werden, dann können wir damit rechnen, dass sich die öffentlichen Finanzen in Griechenland in der Tat verbessern werden. Das hat der Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn sehr klar gesagt als Reaktion auf diese angekündigten Schritte. Nur ich warne davor, aus der Ankündigung schon die Realität abzuleiten. Da liegen doch Welten dazwischen, zwischen dem, was einerseits gesagt wird, und dem, was andererseits getan wird. Das haben wir in der Vergangenheit schon öfter gehabt.

    Ich glaube, dass es deswegen wirklich wichtig ist, die jetzt angekündigten Schritte auch in ihrer Umsetzung im Detail zu überwachen. Ich will deswegen auch diese Idee unterstützen, die ja bereits diskutiert wird, einen Sondergesandten auch der Europäischen Kommission nach Athen zu schicken, um dort monatlich zu berichten, wie sieht es aus, was passiert, werden die Maßnahmen umgesetzt, verbessern sich die Finanzen der griechischen öffentlichen Haushalte oder nicht. ich glaube, man muss jetzt wirklich anders an die Sache herangehen als in der Vergangenheit.

    Schulz: Wem gilt Ihr Misstrauen, der griechischen Regierung, oder den griechischen Wählern, den griechischen Bürgern?

    Graf Lambsdorff: Mein Misstrauen gilt ganz allgemein der Situation, dass wir eine demokratisch gewählte Regierung in Athen haben, die jetzt mit einer wirklich katastrophalen Schlussbilanz ihrer Vorgängerregierung konfrontiert war und einer Bevölkerung gegenübertreten muss, die es nicht gewohnt ist, dass man tatsächlich harte Einschnitte macht. Und dass wir in einer solchen Situation natürlich mit allem auch an politischen Konsequenzen unter Umständen zu rechnen haben. Deswegen, glaube ich, ist es wirklich wichtig, jemand von der Kommission ist permanent in Athen und erklärt, warum das notwendig ist. Man kann nicht Mitglied der Euro-Familie sein einerseits und andererseits eine Haushaltspolitik betreiben, so wie das in Athen in den letzten Jahren der Fall war.

    Schulz: Jetzt haben die Gewerkschaften schon erste Proteste angekündigt. Rechnen Sie mit neuen sozialen Unruhen?

    Graf Lambsdorff: Ich glaube, dass die griechische Streikkultur eine etwas andere ist als die, die wir in Deutschland gewohnt sind. Da wird zuerst gestreikt und dann geredet. Bei uns wird ja normalerweise erst geredet und dann hoffentlich eben nicht mehr gestreikt. Ich denke, dass diese, Unruhen will ich das gar nicht nennen, aber dass diese skeptischen, kritischen, auch wütenden Reaktionen jetzt dazu gehören, aber das kann nicht dazu führen, dass das Land von diesem Pfad abweicht der Konsolidierung seiner öffentlichen Haushalte.

    Schulz: Und jetzt schlage die Stunde der EU, um noch mal Papandreou zu zitieren. Mit Fug und Recht erwarte man jetzt europäische Solidarität. Was heißt das?

    Graf Lambsdorff: Ich glaube, das heißt, dass die griechische Regierung im Fall der Fälle auf ein sogenanntes Bail-out spekuliert, also mit anderen Worten die Überweisung von europäischen Geldern in die athenische Schatzkasse. Ich glaube, dass das eine ganz falsche Idee wäre. Griechenland, ich habe eben gesagt, könnte die Euro-Zone negativ beeinflussen. Es hat allein aber nicht das volkswirtschaftliche Gewicht, um uns wirklich in große Schwierigkeiten zu stürzen. Das ist aber bei anderen potenziellen Sündern ganz anders, denken wir an Spanien, denken wir an Italien. Das sind große Volkswirtschaften. Wenn wir jetzt das Signal senden, dass man in den öffentlichen Haushalten tun und lassen kann was man will und anschließend wird Geld überwiesen aus Frankreich oder aus Deutschland, dann wäre das ein wirklich fatales Signal für andere Mitglieder der Euro-Zone. Da wäre ich also strikt dagegen.

    Schulz: Aber wie verstehen Sie denn vor dem Hintergrund die Ankündigung von EU-Kommissionspräsident Barroso, der sagt, bald werde man die konkreten Instrumente für eine Hilfe für Griechenland vorstellen?

    Graf Lambsdorff: Welche Instrumente er damit konkret anspricht, hat er ja nicht gesagt. Ich halte ein Instrument für ganz wichtig: Das ist dieser Sondergesandte. Ich halte es auch für wichtig, zum Beispiel sich mal beim Internationalen Währungsfonds zu erkundigen, wie mit Ländern außerhalb der Euro-Zone, die in solche Schwierigkeiten geraten, umgegangen wird, welche Maßnahmen da die technischen Teams des IWF, die dann vor Ort sind, ergreifen, welche konkreten Hilfen es dann auch gibt für die Verwaltung der öffentlichen Haushalte – das ist ja auch ein Problem in Griechenland -, und dann kann man tatsächlich die Griechen in die Lage versetzen, und darauf muss es ja hinauslaufen, durch europäische Hilfe diesen harten Weg erfolgreich zu gehen, denn nichts wäre schlimmer, wenn dieser Weg eingeschlagen werden würde, aber am Ende nichts dabei herauskäme.

    Schulz: Aber ist nicht trotz allem eigentlich schon klar, dass auch an finanziellen Hilfen von der EU kein Weg vorbeiführen wird?

    Graf Lambsdorff: Nein, das glaube ich nicht. Wenn die Maßnahmen den gewünschten Erfolg zeitigen, dann werden wir hoffentlich um finanzielle Hilfsmaßnahmen herumkommen. Wie gesagt, ich bin strikt gegen solche Maßnahmen. Die wären ein fatales Signal. Wir müssten dann nicht fragen, hat die griechische Haushaltspolitik dem Euro geschadet, sondern hat die Tatsache, dass die europäischen Regierungen Griechenland in dieser Situation Geld überwiesen haben, kann das der Euro überstehen, weil da das Signal eben genau das falsche ist, dass es die Politiker auch in anderen Ländern ermutigt, mit ihren Haushalten verantwortungslos umzugehen.

    Spengler: Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit meiner Kollegin Sandra Schulz.