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Griechenland in der Euro- und Medienkrise

Die Wirtschafts- und Währungskrise in Griechenland hat inzwischen nahezu alle Branchen erfasst. Auch die Medien sind betroffen, so dass die Mitarbeiter der drei staatlichen Sender in dieser Woche in den Streik getreten sind, um einen neuen Tarifvertrag und bessere Konditionen zu fordern.

Von Eleni Klotsikas und Jörg Wagner |
    Auf den ersten Blick ist es wie immer in Thessaloniki: In den verwinkelten Gassen sind die Cafés und Tavernen gut besucht. In den Hauptstraßen fließt der Verkehr gewohnt, fahren die Motorroller zwischen den engen Lücken der Autos Slalom. Man schlängelt sich durch wie im echten Leben.

    Doch die Stimmung in Griechenlands zweitgrößter Stadt ist auch kämpferisch, so haben sich in der Nähe des Aristoteles-Platzes viele Menschen versammelt, um gegen die massive, unaufhaltsam wachsende Arbeitslosigkeit zu demonstrieren. 15,9% der Griechen sind nach jüngsten Zahlen dieser Woche davon betroffen. Aber auch die, die noch Arbeit haben, müssen drastische Gehaltskürzungen akzeptieren.

    Pavlos Nerantzis, der Chef des staatlichen Radiosenders ERT3 kritisiert dafür das Streben der Finanzmärkte nach Maximalprofit, aber auch die gegenwärtige Regierung. Radio ERT 3 ist einer der drei staatlichen Sender. In dieser Woche berichten die Journalisten einmal nicht über die Euro- und Finanzkrise, auch nicht über den Generalstreik. Sie haben die Arbeit selbst nieder gelegt.

    "Aufgrund eines Streikes des Dachverbands der Journalisten-Gewerkschaften von Radio und Fernsehen ...”", so die wiederkehrende Ansageschleife, ""wird unser Programm von Mittwoch 6 Uhr in der Früh bis Donnerstag Uhr Abends umgestellt.”"

    Stattdessen ertönt Musik aus der Konserve.

    ""Ja, heute wird gestreikt. Unsere Hauptforderung ist, dass ein neuer Tarifvertrag unterzeichnet wird. Seit 2009 liegt er auf Eis. Diese Situation in der Presse ist sehr tragisch, hunderte von Journalisten werden entlassen. Es gibt große Einschnitte bei den Gehältern."

    Bis zu 30% wurden bereits im vergangenen Jahr gekürzt. Der Durchschnittsverdienst sei ohnehin mit 700 Euro im Monat schon recht niedrig, empört sich ERT3-Chef Pavlos Nerantzis.

    "Und ein Jahr später nachdem wir diese ganzen Opfer bringen, stehen wir vor der bitteren Erkenntnis, dass sich nichts geändert hat. Die Finanzmärkte spekulieren weiter zu Lasten Griechenlands und niemand, ja wirklich niemand - und ich wiederhole es noch einmal - niemand hat eine Vision oder Ahnung, wie man dieses Problem lösen kann, auch nicht Angela Merkel."

    Die Verbitterung sitzt tief beim Radiochef, der auch sehr genau die deutsche Berichterstattung registriert.

    "Griechenland wird mit Spott und Häme überzogen, wenn wir dabei an die Berichterstattung der Bildzeitung oder die Verunglimpfung unserer Aphrodite durch den Focus denken. Es wird immer gesagt der Grieche arbeitet nicht. Das stimmt nicht. Die Griechen arbeiten wie verrückt. Auf Basis der Statistik von Eurostat mehr als alle anderen."

    Dennoch scheint die Lage ohne Ausweg. In Griechenland gibt es zudem eine besondere Art der Abhängigkeit zwischen den Medien und dem Staat. Vor allem Tageszeitungen können sich nicht eigenständig finanzieren. Sie sind Subventionsgeschäfte und politisches Druckmittel der Besitzer großer Baufirmen in Griechenland.

    Ein Beispiel ist die Tageszeitung "Ethnos", die dem Bauunternehmer Georgios Bobolas gehört. Diese Abhängigkeiten waren in der Berichterstattung schon immer zu spüren. Jetzt in der Krise, wo die Bauvorhaben auf Eis gelegt sind, geht es auch den Zeitungen sehr schlecht. Und neben der Finanzierbarkeit von Journalismus ist noch ein weiteres Problem zu bedenken. Auch Griechenland will den Übergang zum digitalen Rundfunk schaffen. Der ERT3-Technikchef Panaglozis Vouras dämpft die Erwartungen:

    "Wir sind im Verzug mit den TV-Programmen. Erst seit ca. 8 Monaten werden schon einige Fernseh-Signale digital gewandelt. Für das Radio existiert bisher überhaupt noch kein Zeitplan. Es gibt auch noch keinen einheitlichen Digitalstandard und wir wissen auch noch nicht, von welchem Sendezentrum aus gesendet wird."

    Ein entscheidender Grund ist auch das fehlende Geld. Denn in der Krise geht das Programm vor, wird lieber an der Technik gespart. Auch deshalb wird gestreikt. Doch Hoffnungen auf Besserung sind unrealistisch. Warum man dann streiken? Es gehe um die Ehre, dass man sich nicht alles gefallen lasse.