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"Griechenland ist unter Beobachtung gesetzt"

Griechenland ist nach Ansicht des FDP-Europaabgeordneten Jorgo Chatzimarkakis zwar der größte Defizitsünder in der Euro-Zone, ähnliche Probleme drohten jedoch auch Portugal, Italien und Spanien. Vor der Wirtschafts- und Finanzkrise habe das Land die Zeit nicht genutzt, um das strukturelle Defizit in den Griff zu bekommen.

Jorgo Chatzimarkakis im Gespräch mit Sandra Schulz | 10.12.2009
    Sandra Schulz: Geld hat man zu haben, das ist eine Grundregel des bürgerlichen Rechts. Der Satz gerät in Europa aber mit Blick auf die öffentlichen Haushalte offenbar ins Wanken. Die gelbe Karte bekam jetzt gestern Spanien. Von der Rating-Agentur Standard & Poor's wurde das Land mit einem negativen Ausblick belegt. Die Zweifel an der Kreditwürdigkeit Griechenlands haben sich schon Anfang der Woche deutlicher manifestiert, als eine Rating-Agentur das Land aus der besten Klasse der sichersten Schuldner gestrichen hat, was ein Vorgang war zum ersten Mal seit zehn Jahren. Nun wächst die Sorge um die Währungsunion, denn die Probleme Griechenlands hat Währungskommissar Almunia schon in der vergangenen Woche als Problem für die gesamte Euro-Zone bezeichnet.

    Über die Konsequenzen der griechischen Finanznot wollen wir in den kommenden Minuten mit Jorgo Chatzimarkakis sprechen. Der FDP-Europaabgeordnete ist Vorsitzender der deutsch-hellenischen Wirtschaftsvereinigung und mir jetzt telefonisch zugeschaltet. Guten Morgen!

    Jorgo Chatzimarkakis: Guten Morgen.

    Schulz: Ist Griechenland ein systemisches Risiko für die Währungsunion?

    Chatzimarkakis: Griechenland ist nicht ganz allein; die Europäische Union spricht von den PIGS. Die Länder des südlichen Europas, das sind Portugal, Italien, Griechenland und Spanien. Spanien hat auch die gelbe Karte bekommen, Italien hat auch strukturelle Probleme, aber Griechenland ist mit Abstand das bedeutendste Problem, macht aber eben nur drei Prozent der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone aus, ist insofern vielleicht nicht ein strukturelles Risiko, aber ein symbolisches. Die Märkte haben reagiert, die Märkte reagieren immer, wenn ein Land aus der Euro-Zone herabgesetzt wird, und dass es so drastisch heruntergesetzt wurde von einer Rating-Agentur Fitch zwar nur, aber die anderen haben auch reagiert, und zwar nicht mehr im A-Bereich ist, sondern nur noch im B-Bereich, das ist schon bedeutend und das heißt, die Märkte schauen sich den Euro genau an und reagieren sensibel. Griechenland muss was verändern, denn es ist schon lange ein Sünder und muss jetzt endlich die Maßnahmen einleiten, damit das eben nicht mehr so ist.

    Schulz: Gleichzeitig will die EU-Kommission Athen helfen, das hat sie schon angekündigt. Wie könnte diese Hilfe denn aussehen?

    Chatzimarkakis: Zunächst einmal wird Athen jetzt stärker beobachtet. In Griechenland ist das bisher schon so gewesen, dass der Währungskommissar Herr Almunia in Griechenland so ein bisschen immer Angst und Schrecken einflößte, weil man wusste ganz genau: Wenn der seinen jährlichen Brief schickt, dann droht Ungemach. Herr Almunia wird jetzt nicht mehr zuständig sein, sondern das wird jetzt Olli Rehn sein. Olli Rehn, der bisherige Erweiterungskommissar, wird dieses Dossier übernehmen und der ist eben kein Südeuropäer. Das ist ein Finne und der wird sich das ganz genau anschauen. Ich kenne Olli Rehn gut, es ist ein liberaler Kommissar. Gleichwohl wird er das mit ganz großer Gewissheit machen und das heißt, Griechenland wird beobachtet, ist unter Beobachtung gesetzt.

    Es ist noch nicht fremdregiert in Wirtschaftsfragen, das kann aber sehr schnell kommen, denn die schwedische Ratspräsidentschaft hat ja ganz klar gemacht: ihr habt jetzt noch ein Jahr Zeit und ihr müsst jetzt wirklich zeigen, was ihr könnt. Das Problem ist, die neue griechische Regierung ist erst seit Oktober im Amt und man muss ganz offen und ehrlich sagen – ich gehöre keiner der beiden Parteien, um die es jetzt geht, weder der alten Regierungspartei, noch der neuen an -, da ist die letzten fünf Jahre eine Riesenchance verpasst worden. Vor der Wirtschafts- und Finanzkrise, die ja ganz Europa, den ganzen Globus getroffen hat, hatte Griechenland ein starkes Wachstum, mit das stärkste Wachstum in der Euro-Zone zu verzeichnen, und es hat einfach diese Zeit nicht genutzt, um sein strukturelles Defizit in den Griff zu bekommen. Man hat im Grunde geprasst, man hat die Staatsausgaben auf sehr hohem Niveau gelassen, und das rächt sich nun und es ist jetzt an der neuen Regierung, an dem Finanzminister Papakonstantinou, das in den Griff zu kriegen.

    Schulz: Sind das nicht alles Argumente dafür, dass diese Hilfen aus Brüssel eigentlich der falsche Weg sind?

    Chatzimarkakis: Es führt schon zu Schmarotzertum. Das muss man ganz klar sagen. Ich bin ja ein deutscher Abgeordneter und sehe das auch mit großer Sorge, wie manche andere Länder – das betrifft nicht nur Griechenland – mit Geldern aus Brüssel umgehen. Das wird als gegeben angenommen, und das ist das große Problem. Deutschland ist nach wie vor der größte Nettozahler und muss sich dann schon Gedanken machen, wie gehen eigentlich die Nehmerländer mit unseren Mitteln um.

    Schulz: Also ist die Hilfe falsch?

    Chatzimarkakis: Die Hilfe ist nicht falsch, weil es profitieren ja auch ganz viele deutsche Unternehmen davon. Wenn man sich mal anguckt, wie die Einkaufsketten in Griechenland, ob das bestimmte deutsche Namen sind, im handwerklichen Bereich oder in anderen Bereichen, das wird von deutschen Ketten dominiert. Also Deutschland profitiert natürlich auch darüber. Der Punkt ist nur, die Disziplin, das Denken in Euro-Disziplin, das hat eben noch nicht stattgefunden und das geht nicht an. Das muss man ganz klar sehen. Unter den Wirtschafts- und Finanzministern muss ein Comment herrschen, eine Kobrüderschaft. Ich weiß jetzt nicht, wie man das nennt, aber das muss völlig klar sein, dass jeder sich dafür einsetzt, und das ist eben unterblieben.

    Ich sehe auch mit großer Sorge, das sage ich Ihnen auch, dass zum Beispiel nicht Deutschland dieses Ressort bekommen hat, sondern Herr Rehn. Herr Rehn ist in Ordnung, aber Deutschland hat es angeboten bekommen. So weit wir hier in Brüssel wissen, hat Frau Merkel das Ressort abgelehnt, weil auch Deutschland durch die Wirtschafts- und Finanzkrise in eine Situation kommen könnte, wo man sich dann nicht wünschen würde, dass der Kommissar - und dann eben ein deutscher Kommissar - einen blauen Brief schickt. Insofern müssen wir alle aufpassen. Als der Euro damals erfunden und dann später umgesetzt wurde, haben wir uns geschworen – und Deutschland hat den Stabilitätspakt noch draufgesetzt -, die Stabilität langfristig einzuhalten. Ich weiß das sehr genau, ich war damals der Assistent von Klaus Kinkel. Dieses Denken, an das müssen wir wieder anknüpfen.

    Schulz: Und jetzt haben wir noch die nächste Komponente, die internationalen Finanzmärkte. Wenn jetzt die Hilfen aus Brüssel kommen, geht es dann nicht damit weiter, dass die Spekulanten an den Finanzmärkten darauf wetten, dass schwächelnde Länder ohnehin gerettet werden?

    Chatzimarkakis: Eindeutig! Das ist das große Problem. Wir sind auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Es ist nämlich viel, viel teuerer, ein Land aus dem Euro herauszukomplementieren und zu katapultieren. Das ist sehr, sehr schwer und deswegen werden die Spekulanten genau da ansetzen. Wir hatten die Situation bereits im Mai 2009, als die Krise begann, und das wirkt sich sehr, sehr schnell aus. Deswegen muss Griechenland jetzt sehr, sehr symbolisch sofort handeln.

    Man muss sagen, Herr Papandreou, der neue Premierminister, hat sofort alle Dienstwagen einkassiert und hat die runtergestuft, hat sofort alle Mobiltelefonverträge aller staatlich Bediensteten einkassiert. Das sind ja wichtige Dinge, die zeigen, dass wir bei uns selber anfangen. Gleichwohl muss Griechenland zum Beispiel beim Steuersystem dafür sorgen, dass ein Athener Arzt im Zentrum angibt, ich habe Jahreseinnahmen von 30.000 Euro, hat aber fünf dicke Autos.

    Verstehen Sie, das sind Dinge, das zeigt, dass es keine Art und Weise gibt, die Steuern wirklich dann auch einzutreiben. Und gleichzeitig die Staatsausgaben weiter hochzutreiben, das muss beendet werden und das ist schwer. Die Strafen, die Griechenland betreffen könnten, sind im schlimmsten Falle, dass 0,2 Prozent des griechischen BIP einkassiert werden, und noch später, dass EU-Mittel aus EU-Fonds, Kohäsionsmittel, weggenommen werden. Aber jeder weiß, das ist ja ein Teufelskreis. Gerade jetzt braucht ja Griechenland dringend Geld.

    Schulz: Der Appell des FDP-Europaabgeordneten Jorgo Chatzimarkakis heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke schön!

    Chatzimarkakis: Danke Ihnen!