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Griechenland will Privatisierungswelle einläuten

Die neue griechische Koalitionsregierung unter Führung der Konservativen plant große Reformen. Die Liste reicht vom Verkauf mehrerer Flughäfen, Teilprivatisierung der staatlichen Eisenbahn und der traditionell defizitären Landwirtschaftsbank. Der linke Oppositionsführer Alexis Tsipras beschuldigt die Koalitionsregierung eines Ausverkaufs.

Von Jannis Papadimitriou | 12.07.2012
    Schon einmal ging der Plan gründlich schief: Im Sommer 2010 kündigte der damalige griechische Premier Giorgos Papandreou umfangreiche Privatisierungen bei der Bahn und der Staatslotterie sowie im Energiebereich an. Fünfzig Milliarden Euro wollte der Sozialistenchef durch den Verkauf von Staatseigentum einnehmen, doch die Gewerkschaften machten ihm mit unbefristeten Streiks einen Strich durch die Rechnung.

    Der konservative Regierungschef Antonis Samaras hingegen will ebenso entschlossen, aber auch behutsam vorgehen. Der Verkauf des Stromversorgers DEI, in dem traditionell starke Gewerkschaften das Sagen haben, wird erst einmal verschoben, dafür sollen Teile der maroden Bahngesellschaft OSE, sowie mehrere Staatsimmobilien versilbert werden. Aber auch das wird nicht einfach, glaubt Panayotis Petrakis, Wirtschaftsprofessor an der Athener Universität.

    "Wir erleben gerade eine Zeit, in der Assets, Objekte im Staatseigentum, eher niedrige Preise erzielen. Der potenzielle Käufer hat kaum Interesse, einen hohen Preis zu zahlen, wenn er doch weiß, dass sein Geschäftspartner finanziell auf den Verkauf angewiesen ist. Da gibt es keine Geschenke. Dazu kommen die ganzen juristischen Probleme in Griechenland, etwa die Tatsache, dass es immer noch keine landesweiten Grundbücher gibt."

    Obwohl also der ökonomische Nutzen des Unterfangens umstritten bleibt, plädiert Professor Petrakis für den Privatisierungskurs. Denn dadurch würde sein Land ein deutliches Zeichen für Reformen setzen, meint der griechische Ökonom.

    "Ich glaube, dass der genaue Betrag der Privatisierungseinnahmen im Endeffekt nicht so wichtig ist. Es geht hier vor allem ums Prinzip, nämlich um die Frage, ob Griechenland zu seinen Verpflichtungen steht und bereit ist, diese auch umzusetzen. Das wollen die Geldgeber sehen."

    Ein Zeichen seines Reformwillens wollte der neue Finanzminister Jannis Stournaras setzen: Direkt nach seinem Amtsantritt ließ er vier Flugzeuge der früheren Staatslinie "Olympic Airlines" zu einem Niedrigpreis von 32 Millionen Euro verkaufen. Prompt meldete sich die Linksopposition zu Wort und warf der Regierung den "Ausverkauf des Landes" vor. Der linke Parteiführer Alexis Tsipras drohte "Investoren, die nur auf Spottpreise spekulieren", mit Gerichtsverfahren. Und das ist nur den Anfang, glaubt der Athener Politikwissenschaftler Levteris Kousoulis.

    "Die Zeichen stehen auf Sturm und die große Frage lautet, ob es der Regierung gelingt, die Menschen von der Notwendigkeit der Privatisierungen zu überzeugen. Heute wird ein Großteil des Staatsvermögens nicht einmal registriert, geschweige denn angelegt. Von dieser Situation profitieren nicht die Menschen, sondern höchstens bestimmte Interessengruppen, die den Staat als Fundament ihrer Macht sehen."

    Der Widerstand gegen Privatisierungen dürfte zunehmen. Die Gewerkschaft der Eisenbahner lässt vielsagend verlauten, sie sei nicht zur Selbstauflösung bereit. Gewerkschaftsfunktionäre des staatlichen Stromversorgers DEI drohen mit Streiks und Stromausfällen. Die Fronten werden sich in den nächsten Monaten weiter verhärten, glaubt der Politikwissenschaftler Levteris Kousoulis.

    "Es geht hier um einen politisch motivierten Konflikt zwischen den liberalen Kräften auf der einen und den Staatsideologen auf der anderen Seite. Dieser Konflikt wird in den nächsten Monaten offen ausgetragen."