Es ist Güllezeit im Emsland: Auf dem Hof von Gereon Albers in Lengerich wird die braune Brühe nicht einfach in ein Güllefass gepumpt, sondern vorher auf Stickstoff- und Phosphorgehalt getestet.
"Wir haben uns ein Gerät angeschafft, das kontinuierlich die Nährstoffe messen kann während des Befüllvorgangs eines Fasses und können uns anpassen in der Ausbringung."
Auch für Landwirt Norbert Stilling aus Emsbüren spielen die Bestandteile seiner Gülle neuerdings eine große Rolle: Für das deutsch-niederländische Projekt "Mest op maat" (Dünger nach Maß) testet er eine sogenannte Pressschnecke. Sie drückt die Gülle durch ein Sieb und trennt so die flüssigen von den festen Bestandteilen. Und damit Phosphor von Stickstoff, erklärt Stilling.
"Der Phosphor in den Feststoffen wird dann ab separiert - der geht runter vom Betrieb. Und der flüssige, wo der Stickstoff und Kali drin ist, kann ich behalten und unsere Pflanzen mit effizient mit düngen."
Auf Stillings Hof fallen durch Schweine- und Bullenmast jährlich 3.500 Kubikmeter Gülle an. Weil das zu viel für seine 70 Hektar Ackerfläche ist, hat der Bauer die braune Soße bisher als Einheitsbrei exportiert - und musste trotzdem am Ende Stickstoff für seine Flächen extra kaufen.
Ressourcen besser nutzen und Geld sparen
Mit der neuen Technik hofft er künftig, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: weniger Gülle loswerden zu müssen und das Geld für den Mineraldünger zu sparen. Bis 2019 testet das Europaprojekt
"Dünger nach Maß" neue Technologien für Gülle und Gärreste aus Biogasanlagen. Mit dabei ist das Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe im emsländischen Werlte. Geschäftsführerin Marie-Luise Rottmann-Meyer:
"Das Problem der Phosphor- und Stickstoffüberschüsse gerade in den Veredelungsregionen ruft nach Lösungen. Und da versuchen wir mit praktischen Betrieben zusammen an Verfahrenstechniken zu feilen."
Derzeit werden rund 20 Prozent der Gülle und 80 Prozent des Geflügelmists aus dem Emsland nach Ost- und Südniedersachsen exportiert. Dort landen die Nährstoffe als Dünger auf den Ackerflächen oder werden in Biogasanlagen vergärt, beschreibt Jan Wulkotte von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen den Weg der Gülle.
Noch mehr Überschuss produzieren die Landkreise in der Nachbarschaft - auch für sie sind die Studienergebnisse von Interesse. Ihre Situation wird sich mit der neuen Düngeverordnung voraussichtlich ab 2017 verschärfen: Dann darf weniger Gülle auf die Felder ausgebracht werden, so Wulkotte.
"Das ist der Landkreis Vechta, der Landkreis Cloppenburg - da kneift das deutlich. Da müssen natürlich die Anstrengungen noch höher sein, als bei uns. Wir haben früher auch schon gescherzt: Man hätte ne Pipeline bauen sollen von hier nach Ostniedersachsen oder sogar darüber hinaus."
Wie und in welcher Form die Gülle in die Regionen um Uelzen, Hannover, Hildesheim oder sogar bis Magdeburg kommt, darüber entscheiden auch die Abnehmer, so Christof Wetter von der Fachhochschule Münster. Er begleitet das Projekt.
"Was möchten denn die Abnehmer? Möchten die einen Flüssigdünger, möchten die Pellets? Welche Trockensubstanzgehalte müssen wir erreichen? Wir gehen das ganzheitlich an."
Mineraldünger langfristig ersetzen
In den Bedarfsregionen soll auf diesem Wege der Mineraldünger - also der anorganische Dünger - ersetzt werden. Dieser Ansatz findet auch beim BUND Beifall. Allerdings gelte generell, dass in einigen Regionen Deutschlands die EU Düngevorgaben nur mit einer deutlichen Verringerung der Tierbestände einzuhalten seien, sagt Christian Rehmer. Er leitet beim BUND das Ressort Agrarpolitik.
Das Problem des Gülleüberschusses dadurch zu lösen, indem einfach weniger Tiere gemästet werden, ist für viele Landwirte aus dem Emsland allerdings keine Option. Daran ändere auch eine verschärfte Düngeverordnung wenig, so Wetter.
"Dieser Ansatz hat nicht funktioniert über die letzten Jahrzehnte. Es hat sich ja gezeigt, dass das Gülleaufkommen in der Region immer weiter angestiegen ist. Das heißt: Die politische Lösung hat nicht gegriffen. Und jetzt sind wir auch dem Weg, die technische Lösung nach vorne zu bringen."
Grenzübergreifende Zusammenarbeit
13 Partner aus Nordrhein Westfalen, Niedersachsen und zwei niederländischen Provinzen beteiligen sich an dem rund drei Millionen Euro teuren Projekt. Das Thema Nährstoffe ist laut Wetter ein großer Wirtschaftsfaktor in diesen Regionen. Er geht davon aus, dass dort in den kommenden fünf bis zehn Jahren rund zwei Milliarden Euro in innovative Gülle und Nährstofftechniken investiert und pro Jahr rund 600 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet werden.