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Guter Wille, schwere Folgen

Medizin.- Häufiger Antibiotikagebrauch kann nicht nur zu Resistenzproblemen führen, sondern auch das Risiko für Asthma erhöhen. Vor allem Kleinkinder gelten als gefährdet. Diesen Zusammenhang konnten kanadische Forscher nun in einem Tierexperiment nachweisen.

Von Christine Westerhaus | 10.04.2012
    Bakterien sind für unseren Körper lebensbedrohlich und lebensnotwendig zugleich: Als Krankheitserreger rufen sie Infektionen hervor, als Darmbakterien sorgen sie dafür, dass sich unser Immunsystem richtig entwickelt. Wenn das Immunsystem aus dem Gleichgewicht gerät, können Allergien wie Asthma entstehen. Dieser Zusammenhang hat Brett Finlay auf die Idee gebracht, dass es zwischen den Darmbakterien und einem erhöhten Asthmarisiko eine Verbindung geben könnte.

    Es gab schon eine Menge indirekte Hinweise darauf, dass die Darmflora einen Einfluss auf das Asthmarisiko hat: Zum Beispiel entwickeln Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, häufiger Asthma und gleichzeitig finden wir bei ihnen andere Bakterien im Darm. Doch niemand hatte diesen Zusammenhang bisher experimentell untersucht.

    Die Forscher von der Universität von British Columbia in Kanada haben neu geborene Mäuse mit Antibiotika behandelt. Damit töteten sie einen Teil ihrer Darmbakterien ab. Anschließend behandelten die Wissenschaftler die Mäuse mit Allergie auslösenden Substanzen, um bei den Tieren Asthma zu provozieren. Tatsächlich trat diese Krankheit bei den antibiotikabehandelten Tieren deutlich häufiger auf, als bei den unbehandelten. Allerdings zeigte die Antibiotika-Kur nur bei neugeborenen Mäusen einen Effekt. Behandelten die Forscher ausgewachsene Tiere, blieb deren Asthma-Risiko nahezu unverändert.

    "Das zeigt, wie wichtig die Darmflora für die gesunde Entwicklung des Immunsystems ist. Wir denken, das bestimmte Bakterien mit den Immunzellen interagieren und dass sie für das Immunsystem so etwas wie zentrale Markierungspunkte sind. Wenn wir die Darmflora durcheinander bringen, beeinflussen wir also auch die Entwicklung des Immunsystems. Und das ist auch der Grund, warum wir dann so empfänglich für Immunkrankheiten wie Asthma werden."

    Brett Finlay und seinen Kollegen ist es sogar gelungen, ein paar Gruppen von Bakterien zu identifizieren, die bei der Entwicklung des Immunsystems eine zentrale Rolle spielen könnten. Die Forscher haben unterschiedliche Typen von Antibiotika eingesetzt, die jeweils andere Arten von Bakterien abtöteten. So konnten sie gezielter untersuchen, welche Mikroben das Asthmarisiko beeinflussen.

    "Manche Mikroben scheinen das Asthmarisiko zu erhöhen, andere schützen uns vor Asthma. Interessant war vor allem zu beobachten, dass diejenigen Bakterien, die offenbar einen Schutz vor Asthma bieten, häufig zusammen mit sogenannten regulatorischen T-Zellen auftraten. Wir wissen, dass diese Immunzellen sehr wichtig sind für die Entwicklung des Immunsystems. Und wenn die schützenden Bakterien fehlten, dann fehlten auch diese regulatorischen T-Zellen."

    Antibiotika können also die Entwicklung des Immunsystems indirekt stören, weil sie wichtige Bakterien abtöten. Brett Finlay plädiert deshalb dafür, diese Medikamente nur bei wirklich ernsthaften Krankheiten einzusetzen. Besonders bei kleinen Kindern sollten Ärzte vorsichtig sein. Denn ihr Immunsystem muss sich erst noch aufbauen.

    "Allein in den USA werden Kleinkindern pro Jahr 40 Millionen mal Antibiotika verschrieben. Ich denke, dass wir nun anfangen, die Folgen dieses massiven Antibiotika-Einsatzes zu sehen. Asthma ist nur eine davon: Auch Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes können zunehmen. Und es gibt bereits Studien, die eine Verbindung zwischen Fettleibigkeit und der Darmflora nachgewiesen haben. Antibiotika könnten also auch das Risiko für Fettleibigkeit erhöhen."