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Hans-Meyboden-Ausstellung in Fischerhude
Wie ein Fisch im Aquarium

Das Otto-Modersohn-Museum in Fischerhude zeigt derzeit eine Retrospektive auf den Maler Hans Meyboden. Seinen Lebensstationen folgend, unterscheidet die Ausstellung drei Phasen: Das Frühwerk, die Fischerhuder Zeit und die späten Werke in Freiburg und der Provence. Eine Schau, bei der man in Trance geraten kann.

Von Rainer Berthold Schossig | 07.03.2015
    Wenn Stillleben wirklich stilles Leben meint, dann trifft es auf diese Bilder geradezu beglückend zu: Alles ist still - hochgeklappte Tische voller Vanitas-Dinge: Hier eine Uhr, da Früchte in Keramikschalen, Vasen und Musikinstrumente, Blütenzweige, und ab und zu ein kleiner matt-weißer Totenkopf. Und wie beruhigt erst die Interieurs! Blicke in schattig-grüne bürgerliche Wohnzimmer, gefüllt mit weichen bräunlichen Sitzmöbeln, verhängt mit geblümten Draperien, bevölkert mit Menschen, die - wie zwischen Wachen und Träumen - umhergehen, ins Gespräch oder die Lektüre von Büchern vertieft.
    Umgeben von diesen kontemplativen Bildern des Malers Hans Meyboden braucht man nur wenige Momente, um gleichsam selbst ein Stück in Trance zu geraten und wie ein Fisch in den Aquarien dieser Räume mit zu schwimmen. Die Schau im Fischerhuder Otto-Modersohn-Museum versammelt Werke aus dessen Nachlass, ein einfühlsamer Querschnitt durch das kaum bekannte Leben und Schaffen dieses Malers.
    Immerhin hatte er das Glück, in Dresden zum engsten Studentenkreis um Oskar Kokoschka zu gehören. Und er war ein guter Schüler: Schon mit 22 Jahren stellte er im Kunstverein Erfurt aus. Seine frühe Ansicht der berühmten Kirche Santa Maria della Salute am Canal Grande mag ein wenig an den nervösen Pinselduktus Kokoschkas erinnern, doch bleibt die kleine Venedig-Vedute ein ganz eigenes Werk. Und so geht es auch mit Meybodens anderen großen Vorbildern: Cézanne und Matisse und Paula Modersohn-Becker. Ohne deren Vorbilder wären Meybodens Werke sicher nicht denkbar, aber er vermeidet jeden Anklang von Epigonentum. Die Bescheidenheit seiner Malerei, die nie virtuos auftrumpft, aber souverän über ihre Themen verfügt, kontemplativ-gelassen, aber nie beschaulich oder gemütlich wirkt, diese lakonische Einfachheit kontrastiert mit der Fülle seiner Reisen, Welt-Erfahrungen und Freundschaften.
    Sein wunderbares Werk endet 1965 abrupt
    Seinen Lebensstationen folgend, unterscheidet die Ausstellung drei Phasen: Das Frühwerk, die Fischerhuder Zeit und schließlich die späten Werke in Freiburg mit seinen Reisen in die Provence. Mitten in der Nazizeit floh Meyboden Hals über Kopf aus der brodelnden Reichshauptstadt Berlin und fand in der Stille des Hinterlandes am Teufelsmoor einen sicheren Ort fürs innere Exil. Vornehme Gelassenheit und fein instrumentierte farbige Graus zeichnen die Öl-Malerei jener dunklen Jahre aus. Sparsam ausgestattete Räume, Übersichtlichkeit ohne Enge und immer wieder reicher Blumen- und Pflanzenschmuck. Durchblicke in verwunschene Gärten und Parklandschaften - nirgends aufdringlich und dabei festliche Ruhe verströmend. Anrührend, wie er Otto Modersohn - kurz vor dessen Tod - portraitiert, in mönchischer Bescheidenheit, gehüllt in einen Hausmantel, an der Staffelei meditierend.
    Die Bilder aus Freiburg, wo er zehn Jahre vor seinem Tode endlich eine Mal-Professur erhielt, spiegeln die glücklichste, die Reifezeit Hans Meybodens: Nun überwiegen Blicke aus dem Fenster ins Offene, heitere Straßenansichten, oft wie im Übergang zwischen Dämmerung und Nacht, auch leuchtende Frühlings-Eindrücke, dann wieder märchenhaft dunkelnde, exotische Welten, gemalt in traumwandlerischer Sicherheit und Einfühlung, erschreckend dazwischen eine Vogelschau auf die zerbombte Altstadt von Hannover. Freiburg dagegen friedlich strahlend - eine süddeutsche Serenissima am idyllischen Flüsschen der Dreisam. Interessant, wie sich gegen Ende eine schärfere, kristalline Härte durchsetzt in Meybodens Malerei, die an späte Bilder Beckmanns erinnert.
    Schließlich die großen Bilder aus der Provence, deren antikes Erbe im mediterranen Licht auch diesen Künstler zu enthusiastischen Feiern der Farbe herausfordert. Dazu Drachengärten und ein flatternder Ikarus, Amsterdam im Blumenmeer, Masken rund um den sterbenden Marat in der Berliner Schaubühne - die Bild-Erfindungen sprudeln scheinbar anstrengungslos. Fast enttäuscht ist man, dass dieses wunderbar fantastische Werk 1965 abrupt endet: Das letzte Gemälde, das bei Meybodens Tod auf der Staffelei stand, zeigt die verstört zurückbleibende Familie und Freunde im verwaisten, von kaltem, blauen Licht durchströmten Atelier - ein allerletztes Übergangs- und Abschiedsbild.