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Hildesheim
Rosenstock, Bistum und Bronze

In Hildesheim sind Rosen präsent im Stadtbild. Nach der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg blühte der Rosenstock am Dom bereits nach wenigen Wochen wieder. Er ist für Hildesheim ein Symbol für das Fortbestehen der Stadt. Der Legende nach soll der Rosenstock 1.000 Jahre alt und mit der Gründung des Bistums verbunden sein.

Von Monika Lüpschen | 01.03.2015
    Rosen begegnen einem in Hildesheim auf Schritt und Tritt. Wo immer es geht, haben die Bürger an ihren Häusern Rosen gepflanzt, die freilich - je nach Standort - manchmal hart um's Überleben kämpfen müssen. Rosen - stilistisch ins Straßenpflaster eingelassen - markieren auch die Wege, die Besucher zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt führen. Dass ausgerechnet Rosen so präsent im Stadtbild sind, hat seinen Grund. Petra Meschede, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit beim Bistum Hildesheim:
    "Die Hildesheimer Rose spielt vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg eine besondere Rolle, weil dieser Rosenstrauch hier - Hildesheim wurde am 22. März 1945 zerstört schon zwei bis drei Wochen später, so sagen alte Hildesheimer, kamen Triebe, und dieses Zeichen, dass der Rosenstock wieder blüht, ist für die Stadt ganz wichtig, weil es heißt: 'So lange der Rosenstock blüht, so lange lebt Hildesheim, und so lange geht es Hildesheim gut.'"
    Das Symbol für Hildesheims Fortbestehen befindet sich in üppiger Pracht und beträchtlichem Umfang am soeben restaurierten Dom. Der alte, mächtige Rosenstock mit den kleinen rosafarbenen Blüten gehört quasi zu seiner Geschichte:
    "Der 1.000-jährige Rosenstock geht auf die Gründung des Bistums zurück. Kaiser Ludwig der Fromme hat der Legende nach sein Reliquiar in einem Rosenstock vergessen. Man konnte es nachher, nachdem man dieses wiedergefunden hatte, nicht aus dem Rosenstock nehmen, und deshalb hat er das als göttliches Zeichen gesehen und hat hier das Bistum Hildesheim gegründet."
    Das ist nun 1.200 Jahre her. Aus einer kleinen Kapelle, die der Kaiser errichten ließ, ist über die Jahrhunderte ein Dom entstanden mit zahlreichen baulichen Veränderungen. 1960 wieder aufgebaut und 1985 zusammen mit der St. Michaeliskirche von der UNESCO zum Welterbe der Menschheit erklärt, wurde diese Kathedrale samt Museum jüngst für 37 Millionen Euro saniert.
    In dem kreuzförmigen, dreischiffigen Gotteshaus befinden sich zahlreiche Kunstwerke von außerordentlicher Qualität. Sie stammen aus dem 11. Jahrhundert, aus der Zeit des bedeutenden Bischofs Bernward:
    "Unsere wichtigsten Kunstschätze, für die Hildesheim ja berühmt ist, wie die Bernward-Tür, Bernward-Säule sind alle erhalten geblieben. Hildesheim besitzt zwei von insgesamt vier erhaltenen mittelalterlichen Radleuchten. Wir besitzen den größten, den Hezila-Leuchter und den ältesten, den sogenannten Thietmar-Leuchter."
    Bedeutende Produktionsstätte für Bronzen
    Diese äußerst fein gearbeiteten Stücke von teils beträchtlichen Ausmaßen konnten nur entstehen, weil sich Hildesheim im Laufe der Zeit zu einer bedeutenden Produktionsstätte für Bronzen europaweit entwickelte. Nicht nur Großbronzen, sondern auch kleine Geräte wie Leuchter etc. wurden hergestellt und als Luxusgüter vor allem nach Nord- und Osteuropa exportiert. Im nahe gelegenen Harz gab es große Kupfervorkommen, und die verkehrsgünstige Lage ermöglichte weitreichenden Handel.
    In der Stadt selbst garantierten die zahlreichen wohlhabenden Klöster und Stifte, dass hochwertige Metallgegenstände produziert wurden. Unter den zahlreichen Bischöfen der Stadt ist Bernward der berühmteste, und er ließ auf eine Anhöhe die kolossale Kirche St. Michaelis errichten. Klassische Ausgewogenheit kennzeichnet diesen Bau. Die Harmonie der Architektur ist spürbar. Stadtführerin Gerdhild Radvan:
    "Er kam hierher - der Dom stand bereits - und er nahm sich vor, eine Gottesburg auf dem Berg zu bauen. Wenn man auf dem Michaelishügel steht, kann man das nachempfinden. Damals im Jahre 1010 – wir haben nämlich den Grundstein hier in der Kirche - war dieses Gegend öd und leer und diese Kirche muss auf die Menschen wie ein gewaltiges Hochhaus gewirkt haben."
    Die Holzdecke im Mittelschiff der Basilika gilt als eine der bedeutendsten romanischen Monumentalmalereien des Abendlandes.
    Sie entstand Anfang des 13. Jahrhunderts aus fast 1.500 Brettern, die an Ort und Stelle bemalt worden sind. Nur wenige mussten erneuert werden.
    Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
    Die Rosenroute hält für den Besucher viele Überraschungen und Einblicke bereit. So wird beim Schlendern durch die Straßen und Gassen deutlich, wie zerstört die Stadt war; am 22. März 1945 hatten alliierte Bomberverbände mittags innerhalb nur einer Stunde 220.000 Bomben abgeworfen. Die Stadt versank in Schutt und Asche. 1.400 Fachwerkhäuser verbrannten wie Zunder.
    So kennzeichnen nun Nachkriegsbauten der 1950er-Jahre das Straßenbild, wenngleich man überraschender Weise immer mal wieder auf gut restaurierte Bauten aus der Barock- und Renaissancezeit stößt; sie wirken wie architektonische Solitäre in der gleichförmigen Bebauung. Sehenswert ist das Roemer- und Pelizaeus-Museum, eines der ältesten Museen in Deutschland, mit einer berühmten Sammlung altägyptischer Kunst.
    Der Marktplatz versetzt den Besucher unvermittelt in eine Welt, die es eigentlich nicht mehr gibt, aber Bürgerwille schaffte es, dass das historische Antlitz wiedererstanden ist - in Fassaden und mit moderner Ausstattung. Seit dem 12. Jahrhundert zeigten hier die Bürger in prächtigen Bauwerken Selbstbewusstsein und Wohlstand. Gerhild Radvan weist auf einige Beispiele wie das Rathaus, das Wedekind-, Lüntzel- und Tempelhaus, das Bäckeramts- sowie das Knochenhauerhaus; alle haben ihre besondere Bestimmung, sind geschichtsreich:
    "Es war das Gildehaus der Knochenhauer, der Fleischer, Schlachter oder Metzger."
    Es war zur Zeit der Spätgotik modern, die Häuser vorkragen zu lassen, und deshalb hat man das hier auch gemacht und auch Wohnraum zu gewinnen. Das Haus ist wunderschön verziert, Sie sehen diese schrägen Bretter, das sind die sogenannten Windbretter, auf denen man in der unteren Etage Sinnsprüche, Lebensweisheiten gemalt, abgebildet für die Menschen, die nicht lesen konnten.
    "In der Etage sind lauter Menschen, die für Hildesheim wichtig waren. Beginnend mit Ludwig dem Frommen, der das Bistum hier gegründet hat, mit Bernward, der die Michaeliskirche gebaut hat, Karl V war spanischer König und deutscher Kaiser - er hatte Söldner aus der Stadt. Und ganz rechts oben haben sich die Schnitzer einen Scherz erlaubt. Das ist Norbert Blüm. Norbert Blüm war ehemals Arbeits- und Sozialminister und hat sich sehr für den Wiederaufbau dieses Hauses eingesetzt."
    Dass dieser neue historische Platz nicht ins Kitschige abgerutscht ist, was bei derlei Rekonstruktionen leicht passieren kann, erhöht seinen Wert und somit auch das Lebensgefühl der Menschen, ist ihnen doch so ein Teil ihrer Geschichte direkt zurückgegeben worden.