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Hochschulen
Zu wenige Tutoren in Berlin

Wenn man neu an die Hochschule kommt, dann muss man sich erst mal eingewöhnen. Gerade in den ersten Semestern sind deshalb studentische Tutoren eine große Hilfe. Die helfen zum Beispiel dabei, die Inhalte aus den Vorlesungen richtig zu verstehen - und auch anzuwenden. An manchen Hochschulen wird es gerade immer schwieriger, die Tutoren-Stellen zu besetzen. Zum Beispiel an der TU Berlin.

Von Anja Nehls | 06.11.2015
    "Und wenn die Matrixmultiplikation halt funktionieren soll, dann brauche in Vektoren mit drei Komponenten zum Ranmultiplizieren."
    Die grüne Tafel ist voll mit Zahlen und Buchstaben, Klammern und Vektoren. Lisa Rieder ist Mathestudentin im 12. Semester und unterrichtet Lineare Algebra als Tutorin an der Technischen Universität Berlin. Vor ihr sitzen über 30 Studierende, hauptsächlich Erstsemester aus Studiengängen wie technischer Umweltschutz, Chemie, Physik oder anderen Naturwissenschaften und Ingenieursstudiengängen. Seit vier Jahren ist die 25-jährige Tutorin:
    "Ich war auf der Suche nach einem Job und ich hatte das Gefühl, das wäre eine faire Bezahlung, ein guter Job und weil es halt direkt in der Uni ist, man hat nicht einen extra Anfahrtsweg und kann das alles miteinander verknüpfen und außerdem lernt man Sachen, die man ja beibringen muss, die lernt man selber noch viel besser."
    Kein attraktiver Job
    Von einem attraktiven Job ist die Tutorentätigkeit inzwischen allerdings weit entfernt, findet Lisa Rieder. Der Grund: Im vergangenen Jahr hat die TU 10 Prozent mehr Studierende aufgenommen und für fast alle ist Mathe verpflichtend. Mehr Mathetutoren gibt es aber nicht. Seitdem betreut laut Asta ein Tutor auch schon mal über 100 Studierende. Lisa Rieder ist an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit:
    "Jeder Tutor muss ein Tutorium pro Woche mehr halten und diese Tutorien sind auch ziemlich voll belegt, es ist nicht nur ein zeitlicher Mehraufwand, sondern auch die Belastung in den Tutorien und den Sprechstunden selber, weil da eben viel mehr Menschen sind, die mathematische Zuwendung brauchen."
    Und der Bedarf an mathematischer Zuwendung ist gewaltig. Auch weil die Vorlesungen überfüllt sind geht es für viele Studierende ohne Tutorien gar nicht:
    "Also das ist eigentlich sehr wichtig, weil man in der Vorlesung nur die Theorie kennenlernt und das in Tutorien auch praktisch rechnen kann. - Es gibt ja gewisse Tutoriensaufgaben, die man auch erfüllen muss, um zur Klausur zugelassen zu werden. Wenn man nicht zu den Tutorien geht und erst mal einen Einblick kriegt, wie man die Aufgaben rechnet, dann sitzt man zuhause davor und mit dem Wissen aus der Vorlesung kommt man da nicht weit.
    Mehr Geld wird in der Privatwirtschaft verdient
    Das bedeutet für Lisa Rieder also 8 statt 6 Stunden pro Woche Unterrichten und mehr Zeitaufwand für Sprechstunden und das Korrigieren von Hausaufgaben. 80 Stunden pro Monat bekommt sie bezahlt, aber sie arbeitet weit mehr - und das für 10,93 Euro pro Stunde. Seit über 12 Jahren sind die Tarife nicht erhöht worden. Kein Wunder, dass den Tutorenjob niemand mehr machen will, sagt Günter Maurer vom Personalrat der studentischen Beschäftigten an der TU. Die Studierenden suchen sich lieber Jobs woanders:
    "In der privaten Wirtschaft wird wesentlich mehr bezahlt und insbesondere da wo jetzt viele Engpässe auftauchen, bei Mathematikern oder auch Informatikern, die haben auch zunehmend Schwierigkeiten die Stellen zu besetzen, die verdienen 50 Prozent bis 100 Prozent mehr da in der Stunde, die zahlen so ab 12 bis 20 Euro pro Stunde, das ist schon gewaltig der Unterschied.
    Maurer fordert dringend neue Tarifverhandlungen. Die scheitern bisher hauptsächlich an der Haltung der anderen Berliner Unis, so Maurer. Diese haben nach eigenen Angaben, kein Problem mit zu wenig Tutoren. Christian Thomsen, Präsident der TU Berlin ist mit der Situation allerdings auch nicht zufrieden. Statt mit mehr Geld will er den Job deshalb in Zukunft attraktiver zu machen, indem er auf die Studienleistung angerechnet werden kann.
    "Das ist auch angemessen. Weil die Lehrtätigkeit ist ja ein sehr guter Weg selber zu lernen, wenn man anderen etwas beibringen muss, dann muss man sich noch mal tiefer hineinsteigern, weil man sich ja auf die Rückfragen einstellen muss und auch Rückfragen bekommt, die man erst mal nicht beantworten kann und die man beim nächsten Mal dann beantwortet, also es ist ein echter Lerneffekt und trägt zur Bildung eines Menschen bei."
    Wer bereits am Ende des Studiums ist, dem wird das allerdings nichts mehr nützen, befürchtet Lisa Rieder. Sie wünscht sich einen angemessen Stundenlohn für alle studentischen Beschäftigen. Knapp 2.700 gibt es davon an der TU. Circa zwei Drittel davon arbeiten als Tutoren, die anderen in der EDV, den Bibliotheken, in Forschungsprojekten oder in der Studienberatung,