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Höhere Stipendien für Spitzenforscher nötig

Die deutsche Wissenschaft hat einen guten Ruf und punktet mit exzellenter Ausstattung bei der Werbung um ausländische Spitzenforscher. Doch bei der Bezahlung ist Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig, sagt Enno Aufderheide, Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.

Enno Aufderheide im Gespräch mit Kate Maleike | 23.03.2011
    Kate Maleike: Enno Aufderheide ist der Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, kurz AvH genannt. Herr Aufderheide, wie stellt sich denn für Sie das Spitzenkräfteproblem am Wissenschaftsstandort Deutschland im Moment dar?

    Enno Aufderheide: Ich glaube, die Lage hat sich in den letzten Jahren schon deutlich verbessert. Die wirklich nachhaltige Steigerung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die ja vor allem die Bundesregierung betrieben hat, aber eben auch gemeinsam mit den Bundesländern, ist im Ausland ausgesprochen aufmerksam wahrgenommen worden. Wir merken auch in der Alexander-von-Humboldt-Stiftung eine massive Steigerung des Interesses aus dem Ausland, auch ausgedrückt durch eine 25-prozentige Steigerung der Antragszahlen aus dem Ausland.

    Maleike: Das heißt also, Sie sehen eigentlich kein Problem, was die Zuwanderung angeht?

    Aufderheide: Nein, so würde ich es nicht sagen. Ich glaube aber, wir sollten sagen: Wir haben in den letzten Jahren ganz erhebliche Fortschritte gemacht durch die Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber wir haben natürlich nach wie vor auch Probleme. Das sehen wir daran, dass wir zwar die Zahl der Ausländer an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen etwas steigern konnten in den letzten Jahren, aber nicht in dem Tempo, in dem sich diese Einrichtungen auch vergrößert haben. Ganz im Gegenteil ist der Anteil ausländischer wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Hochschulen in den letzten Jahren sogar leicht zurückgegangen.

    Maleike: Worauf führen Sie das zurück?

    Aufderheide: Ich glaube, das hat eine ganze Reihe von Ursachen. Wir haben einfach immer noch Hürden bei der Beschäftigung von Personen. Wobei das ja nicht nur administrative Hürden sind. Es ist wirklich auch eine Frage, inwieweit wir eine Willkommenskultur in Deutschland etablieren können. Der erste Kontakt oder die Wohnungssuche sind ein wichtiger Punkt, aber es gibt auch andere Dinge: Wie weit sind wir bereit, wirklich uns durch diese Ausländer bereichern zu lassen? Sind wir offen für ihre Erfahrungen? Möchten wir sie hören, möchten wir sie in unsere Kreise einladen? Hier hat Deutschland durchaus noch ein bisschen aufzuholen.

    Maleike: Aber einige Hochschulen haben ja auch darauf schon reagiert, sogenannte Welcome Centers, also Willkommenscenter, eingerichtet, und nehmen dann die ausländischen Spitzenkräfte sozusagen an die Hand für die ersten Tage, für die Eingewöhnung. Trotzdem gibt es aber ja auch ganz andere handfeste Hürden, zum Beispiel geht es um das Mindesteinkommen. Derzeit muss man, wenn man ausländische Fachkraft ist, 66.000 Euro Mindesteinkommen vorweisen. Das ist doch relativ hoch, finden Sie als AvH.

    Aufderheide: Ja, richtig. Unser Präsident Professor Schwarz hat darauf aufmerksam gemacht: Es ist eigentlich ein bisschen widersinnig, dass wir sagen, ein hervorragend ausgebildeter junger Akademiker ist uns im öffentlichen Dienst als Berufsanfängerin oder Berufsanfänger nicht mehr als 38.000 Euro wert, aber wenn ein Ausländer dann zu uns nach Deutschland kommen will, dann muss er fast das Doppelte verdienen, um dann auch bei uns eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Wir werden Probleme haben mit der Zahl an Akademikern, die unsere Wirtschaft und unser öffentliches Leben einfach braucht, und da müssen wir auch administrativ offener werden. Das wird nur gehen, wenn man die Einkommensgrenze ungefähr soweit absenkt, wie eben die Eingangsbezahlung für Akademiker im öffentlichen Dienst auch ist.

    Maleike: Welche Hürden würden Sie aus Sicht der AvH dringend raten, dass die abgeschafft würden, um attraktiver zu werden für den Zuzug ausländischer Spitzenkräfte in der Wissenschaft?

    Aufderheide: Ja, für mich ist in der Tat - zurzeit sind die finanziellen Grenzen das Wichtigste. Wir sind in der Bezahlung sowohl im tariflichen Bereich als auch bei Stipendien in den letzten Jahren nicht mehr konkurrenzfähig, weil wir weltweit eine große Steigerung der Einkommen und der Tarife für akademisch gebildete Personen haben und Deutschland hier nicht mitgezogen hat. Das hat verschiedene Komponenten, das geht zum Beispiel die Stipendien an, die wir ausländischen Wissenschaftlern zahlen, die seit Jahren unverändert sind, sodass heute eine Person an der ETH Zürich, die ja nun auch keine schlechte Adresse ist, gut doppelt so viel bekommt oder rund doppelt so viel bekommt wie bei uns. Es hat eine andere Komponente, dass wir viel zu wenig in der Lage sind, Qualifikationen im Tarif des öffentlichen Dienstes abzubilden. Die Humboldt-Stiftung vergibt Humboldt-Professuren an, ich will mal sagen, Weltstars der Forschung. Wenn die nach Deutschland kommen, dann brauchen sie auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die besondere Qualifikationen mitbringen, und in der Vergangenheit sind solche Berufungen teilweise daran gescheitert, dass die formale Qualifikation dieser Personen vielleicht nicht akademisch war, aber sie haben ein technisches, einfach eine Fertigkeit als Fachkraft, die sie zu hoch bezahlten Spezialisten im Ausland macht. Die kommen nicht nach Deutschland, um dann im öffentlichen Tarif zwei Drittel ihres Einkommens zu verlieren. Hier müssen wir uns tatsächlich was einfallen lassen.

    Maleike: Sie haben es ja immer mit den Spitzenkräften auch zu tun. Was wird eigentlich positiv gesehen, was zieht denn Wissenschaftler - jetzt unabhängig mal von den Rahmenbedingungen - nach Deutschland, was erwarten die hier?

    Aufderheide: Die deutsche Wissenschaft hat einfach einen guten Ruf. Wir haben Flaggschiffe der Forschung wie etwa die Max-Planck-Institute, wir haben mit der Exzellenzinitiative Hochschulen, die internationale Sichtbarkeit erlangt haben. Das ist die eine Sache. Was unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten uns immer wieder sagen, ist, dass auch die materielle Ausstattung der Institute - Instrumente bei den Naturwissenschaftlern, Bibliotheken bei den Geisteswissenschaftlern - im internationalen Vergleich teilweise wirklich exzellent sind. Und das zusammengenommen - die Reputation der Einrichtung, die gute Ausstattung und auch das kollegiale Miteinander an den Instituten -, ich glaube, das sind die drei Stärken, mit denen wir wuchern können.

    Maleike: Hochschuldeutschland und sein Spitzenkräfteproblem - die Alexander-von-Humboldt-Stiftung fordert den Abbau bürokratischer Hürden und eine bessere Bezahlung. Danke an den Generalsekretär der Stiftung, Enno Aufderheide.