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Hoffnungsträger Stammzellen

Medizin. - Der Bundestag debattiert das Stammzellgesetz. Damit stehen die embryonalen und die adulten Stammzellen einmal mehr in der Diskussion. Derzeit steckt noch viel Theorie in der Debatte, gibt es mehr Vermutungen als Fakten. Auf einer Arbeitstagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin wurde der Stand der Forschung erläutert.

Von Volkart Wildermuth | 21.02.2008
    Der Molch ist das Wappentier der regenerativen Medizin, ein fehlendes Bein wächst ihm in wenigen Monaten nach. So wollen die Forscher und Mediziner in Zukunft Defekte im Körper ihrer Patienten nicht bloß irgendwie ausgleichen, sondern von Grund auf regenerieren. Wo krankes Gewebe war sollen gesunde Zellen wachsen. Noch ist das ein Traum, aber, davon ist Professor Klaus Burger von Novartis Pharma, überzeugt:

    "Die regenerative Medizin ist in den Startlöchern."

    Schon heute helfen Ärzte Verbrennungsopfern mit lebender Haut aus dem Labor, setzen aus körpereigenen Zellen gezüchteten Knorpel ein, formen vereinzelt sogar schon ganze Harnblasen. Die Firma Cytonet aus Weinheim züchtet Leberzellen um damit Patienten mit Vergiftungen oder Neugeborenen mit angeborenen Stoffwechseldefekten zu helfen. Der Übergang vom Labor in die Klink gestaltet sich allerdings schwierig, so Geschäftsführer Dr. Wolfgang Rüdiger.

    "Die Hürde besteht ganz einfach darin, dass die Behörden gar keine Instrumentarien in der Hand haben, um mit dieser Art von neuen medizinischen Produkten umzugehen. Dass heißt, man muss langsam gemeinsam erarbeiten, was heißt dabei Sicherheit, was heißt dabei medizinische Wirksamkeit, das ist Neuland für beide Seiten und wir haben von den Behörden grünes Licht bekommen in klinische Studien einzutreten."

    Und die sehen recht vielversprechend aus. Mit den Leberzellen sollen vorerst kurzfristige Notlagen des Köpers überbrückt werden. Um eine echte Regeneration geht es dem Team um Professor Andreas Zeiher von der Universität Frankfurt am Main. Parallel mit Kollegen in Rostock haben sie als Erste Zellen aus dem Knochenmark isoliert und in die toten Zonen des Herzens nach einem Infarkt gespritzt. Weltweit wurden inzwischen rund 1000 Patienten behandelt. Zeiher:

    "Das Wichtigste ist, dass es sicher ist, dass die Patienten keinen Schaden nehmen, zumindest jetzt über fünf Jahre Nachbeobachtungszeit und die Erkenntnis, dass die Patienten mit dem großen Herzinfarkt tatsächlich davon zu profitieren scheinen, und das sind letztendlich die, die auch eine regenerative Therapie benötigen."

    Der Effekt ist gering, Andreas Zeiher hofft aber, dass er ausreicht, um Folgeprobleme, wie eine Herzschwäche, abzuwenden. Welche der sehr unterschiedlichen Zelltypen aus dem Knochenmark dafür verantwortlich sind, ist unklar, ebenso, was sie in ihrer neuen Heimat Herz eigentlich genau machen. Irgendwie verbessern sie messbar die Durchblutung, vielleicht stoßen sie Reparaturprozesse an. Nur eines ist sicher, sie wandeln sich nicht in Herzmuskelzellen um. Inwieweit man hier von einer echten Regeneration sprechen kann, bliebt vorerst offen. Dieses Ziel will Professor Jürgen Hescheler von der Universität Köln mit embryonalen Stammzellen erreichen:

    "Man kann kurz sagen, in der Maus funktioniert alles. Also wir haben gezeigt, dass das Herz wirklich verbessert, dass das Schlagvolumen, also wie viel Blut ausgeworfen wird deutlich verbessert ist, signifikant verbessert ist. Aber Maus ist natürlich nicht gleich Mensch."

    Es muss also viel geforscht werden, eine Therapie mit embryonalen Stammzellen wird noch Jahre auf sich warten lassen. Trotzdem sind die Zellen schon heute im Einsatz. Sie liefern das passende menschliche Zellmaterial für die Entwicklung von Medikamenten und die Sicherheitsprüfung von Chemikalien und ersetzen so Tests mit tierische Zellen. Hescheler:

    "Ich halte das für eine sehr große Verbesserung der Testqualität und ich denke dass wird sicherlich eine sehr große wichtige Anwendung auch werden von den embryonale Stammzellen."

    Dafür allerdings eigenen sich die in Deutschland zugelassen Zelllinien nur bedingt. Diese embryonalen Stammzellen wurden unter schlechten Bedingungen gewonnen, die Hälfte der Zellen weist schon genetische Veränderungen auf, hat Jürgen Hescheler festgestellt. Deshalb plädierten alle Wissenschaftler auf der Tagung für die Zulassung neuer embryonaler Stammzellen. Den Gegensatz hier embryonal dort adult oder erwachsen hält Andreas Zeiher sowieso für künstlich aufgebauscht. Zeiher:

    "Beides muss Hand in Hand gehen. Ziel muss unverändert bleiben, an den embryonalen Stammzellen zu lernen, wie es geht und dass dann zu übertragen auf adulte Stammzellen, die natürlich eine Reihe von Vorteilen hätten, wenn man diese gleichen Mechanismen dort andrehen könnte."