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Holland in Not

Ähnlich wie in Deutschland, beobachten die Niederländer mit großer Sorge, wie es mit dem Euro, Europa, und dem Schuldenmachen weitergehen soll. Jetzt tagt der Senat - die Erste Kammer des niederländischen Parlaments –, um über diese Themen zu debattierten.

Von Ralf Lachmann | 26.06.2012
    Viele Niederländer sind beunruhigt. Erst im April hat das Parlament ein Sparprogramm auf den Weg gebracht. Das bedeutet: Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst werden eingefroren, Kürzungen im Gesundheitswesen stehen bevor, außerdem ein späterer Eintritt in die Rente. Jetzt fragen sich viele Niederländer, wie es um den Euro und ihr Portemonnaie steht.

    Auch viele Parlamentarier sind verunsichert und fühlen sich nicht ausreichend informiert. Gom van Strien, Abgeordneter der rechtspopulistischen Partei PVV von Geert Wilders brachte es auf den Punkt. Bei einer Anhörung von Wirtschaftsexperten in der Ersten Kammer des niederländischen Parlaments wollte er wissen:

    "Der ESM- Rettungsschirm hat 700 Milliarden Euro Gesamtvolumen. Da wird gesagt, das ist viel zu wenig. Das müssten 1000, 2000 Milliarden sein. Meine Frage an alle Experten: Gibt es einen Konsens darüber, wie viel Geld es insgesamt tatsächlich sein müsste?"

    Er und andere Abgeordnete der übrigen im Parlament vertretenen Parteien wollten auch erfahren, ob das Geld wohl von denjenigen Ländern jemals zurückgezahlt würde, die den Rettungsschirm in Anspruch nehmen, - Griechenland sei doch eigentlich schon jetzt pleite, warf van Strien ein. Wie die übrigen versammelten Wirtschaftswaisen des Landes, konnte auch Arnoud Boot, Wirtschaftsprofessor der Universität Amsterdam, keine genauen Prognosen abgegeben:

    "Ich gehe davon aus, dass man nicht beantworten kann, wie groß der Rettungsschirm maximal sein sollte! Und das Euro-Arrangement ist außergewöhnlich zerbrechlich. Es hängt alles miteinander zusammen – wie ein Spaghetti-Knäul."
    27 EU-Länder, und 17 davon mit dem Euro als gemeinsamer Währung. Die Niederlande sind Teil dieses Knäuls. Noch ist der geschäftsführende Ministerpräsident Mark Rutte im Amt. Erst im April war seine Minderheitsregierung geplatzt. Das notwendige Sparpaket zur Einhaltung des EU-Stabiltätspaktes hatte Wilders Partei nicht mittragen wollen. Während Wilders schon immer laut tönte: Nicht mehr, sondern weniger Europa und auch für Schulden anderer, nicht aufkommen zu wollen, sagt es Premier Rutte jetzt plötzlich auch - nur etwas diplomatischer:

    "Ich gehöre auch nicht zu den Europhilen. Aber auch nicht zu jenen, die sagen, wir müssen morgen die EU verlassen. Europa ist wichtig für die Wirtschaft und Verteidigung. Aber es gibt große Probleme. Die löst man aber nicht mit Europhilie oder Austritt."

    Vom Rettungsplan des EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy, mehr Macht nach Brüssel zu verlagern und Schulden zu vergemeinschaften, hält der Niederländer aber genauso wenig wie Wilders. Das ließ er van Rompuy bei dessen Besuch kürzlich in Den Haag auch deutlich wissen. Europa - und Südeuropa vor allem - bräuchten nun Wachstumsimpulse, nur so könne man das Schuldenproblem lösen, meint der niederländische Regierungschef:

    "Die Niederlande sehen eine Krise in Südeuropa. In erster Linie ein Wachstumsproblem. Das müssen wir anpacken. Langfristig wünschen wir uns eine europäische Bankenaufsicht. Aber von Eurobonds, Gemeinschaftsschulden, da halten wir nichts von."

    Es laufe aber letztlich alles darauf hinaus, dass Europa nicht umhin könne, gemeinsam für die Schulden aufzukommen, betonte Wirtschaftsweise Professor Boot bei der Anhörung im Senat:

    "Auf diesem Wege befinden wir uns. Und ich sehe keine ordnungsgemäße Möglichkeit, dies zu stoppen."

    Ähnlich schätzen dies andere Parteien im Hager Parlament wie ein - etwa die sozialdemokratische PvdA oder Grün-Links. Noch vor einem Jahr, als von vorgezogenen Neuwahlen keine Rede war, habe auch Rutte einen sehr viel europafreundlicheren Kurs verfolgt, wurde ihm kürzlich in einer Debatte im niederländischen Parlament vorgeworfen. Jolande Sap, Fraktionsvorsitzende von Grün-Links im Haager Parlament, machte ihrem Ärger in Richtung Regierungsbank Luft:

    "Eigentlich will der Herr van Rompuy nichts anderes, als was Grün-Links auch schon seit einem Jahr möchte. Was jetzt so bemerkenswert ist, als wir das voriges Jahr einbrachten, unterstützte es der Premier noch. Und auf einmal dreht er sich um 180 Grad. Steht er hier noch als Premier oder als Spitzenwahlkämpfer der VVD?"

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