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Holz in Hochform

Ein Forscherteam von der Technischen Universität Dresden hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Formholz herstellen lässt. Die Technik schont Ressourcen und schafft neue Einsatzmöglichkeiten für den Werkstoff Holz.

Von Liane Shutov | 27.08.2012
    Revierförsterin Uta Krause steht inmitten hüfthoher junger Bäumchen. Es sind Neupflanzungen. Denn vor zwölf Jahren hatte ein Tornado rund 100 Hektar Nadelwald nahe der sächsischen Stadt Radeberg mit brachialer Gewalt umgeknickt. Der Staatsbetrieb Sachsenforst entschied sich für die Wiederaufforstung mit widerstandfähigem und ökologisch sinnvollem Mischwald, erzählt Försterin Uta Krause:

    "Gepflanzt auf diesen Flächen sind die Stieleichen, wir haben als Mischung hier im oberen Bereich Hainbuche und im unteren Bereich noch Linde. Die Rotbuche, die Birke ist reine Naturverjüngung, die Fichte steht hier noch. Wir sind froh, dass so viele Bäume wachsen, man muss nur sehen, dass man in den folgenden Jahren immer die Kulturpflege durchführt, um die gepflanzte Stieleiche auch wirklich alt werden zu lassen, damit die von den anderen Bäumen nicht überwuchert werden."

    Nach Sturmschäden, Borkenkäfer- und anderem Schädlingsbefall sowie dem Waldsterben wegen hoher Luftverschmutzung begann in den 80er Jahren deutschlandweit der Wechsel von reinen Nadelholzkulturen hin zum widerstandsfähigen Laubmischwald. Doch der hat ein Problem: Er bringt weniger Gewinn beim Verkauf des Holzes. Denn Holz- und Bauwirtschaft verarbeiten lieber lange, gerade gewachsene Nadelbäume mit nur kleiner Krone. Eine Lösung für Industrie und Forstwirtschaft bietet seit Neuestem das Formholz. Eine Verarbeitungsmethode, die der Dresdner Professor Peer Haller mit seinem Team entwickelt hat und bei der es auf die Baumart nicht ankommt. Der Grundgedanke: Holz besteht zu 60 Prozent aus Hohlräumen und hat eine wabenförmige Struktur:

    "Wir betrachten diesen Stoff nun als einen zellulären Stoff, den man mit Hilfe von Wärme und Druck zusammenpressen kann, wie einen Schwamm oder wie einen Schaumstoff. Und das Interessante ist, dass man ihn auch wieder auseinanderziehen kann, sodass er sich wie eine Ziehharmonika verhält."

    Dafür wird der Baumstamm nur entrindet, d.h. der gesamte Stamm und auch Teile der Krone können verwendet werden. Das Holz wird dann von zwei Seiten zusammengepresst, ist dadurch stabiler und schmaler. Aus verleimten Brettern können nun Platten hergestellt werden. Befeuchtet und erwärmt, lassen sich diese in jede erdenkliche Form pressen. Zusammengerollt und ummantelt, z.B. mit einem Glasfasernetz oder mit Kunststoff beschichtet, entstehen Holzröhren mit erstaunlichen Eigenschaften.

    "Sie sind sehr leicht, sie sind sehr tragfähig. Man kann erhebliche Mengen an Rohholz damit einsparen. Es ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten auch in der Konstruktion, dadurch, dass wir in der Mitte einen Hohlraum haben. Wir kommen über die Abmessungen des Baumes hinaus, sowohl in der Höhe als auch in der Breite. Sodass wir sehr große Bauteile herstellen können. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Zahl der Verbindungsmittel, die sehr teuer sind und auch die Konstruktion und Ausführung aufwändig machen."

    Nach zehn Jahren Forschung ist das Projekt nun in der Prototypphase. So wurde beispielsweise eine zehn Meter hohe Windkraftanlage aus Formholz in Chemnitz gebaut. Unterstützt wird das Projekt neben anderen auch vom Sachsenforst. Dieser erhofft sich letztlich einen guten Absatz der künftig dominierenden Laubbäume. Der Leiter des Waldkompetenzzentrums, Dirk-Roger Eisenhauer, sieht im Formholz zudem einen Beitrag zum Klimaschutz:

    "Weil durch Buchenformholz natürlich auch andere fossile Roh- und Werkstoffe ersetzt werden können - und das durchaus in relativ hochwertigen Produkten, die über eine lange Verwendungsdauer auch eine lange Kohlenstoffauslagerung aus den Wäldern erreichen können."

    So die Zukunftsvision. Da sich das leichte Formholz in jede erdenkliche Form pressen lässt, hat auch der Automobilkonzern Audi schon mal Interesse angemeldet. Wichtige Bauteile für Autos aus Dresdner Formholz – auch das ist eine Zukunftsvision.