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Holzbrinck-Buchgeschäft: "Gut bestelltes Feld" für Nachfolger

Rüdiger Salet ließ als Geschäftsführer die zum Holzbrinck-Konzern gehörenden Buchverlage relativ autonom arbeiten, führte in Deutschland Rowohlt, Fischer, Kiepenheuer und Witsch wieder zum Erfolg. Buchmarktkenner Holger Ehling sieht durch seinen Weggang die Unabhängigkeit der Verlage nicht gefährdet.

Holger Ehling im Gespräch mit Michael Köhler | 30.09.2012
    Michael Köhler: Eigentlich ist das folgende ja nur eine Meldung, aber im Buch- und Verlagsgeschäft, der volkswirtschaftlich betrachtet kleinen Branche, kann so etwas massive Auswirkungen haben. Im Holtzbrinck-Konzern verlässt Rüdiger Salat nach über zwölf Jahren Tätigkeit die Geschäftsführung auf eigenen Wunsch. Er hatte die dazugehörigen Verlage Rowohlt, Fischer, Kiepenheuer und Witsch sehr autonom erfolgreich arbeiten lassen. Nun wird im Konzern der Amerikaner mit einem etwas militärisch klingenden Namen, John Sargent, künftig dafür verantwortlich sein.

    - Ich habe den Buchmarktkenner Holger Ehling gefragt: Was sagt uns das?

    Holger Ehling: Es sagt uns, dass Herr Salat, der ganz wesentlich zum Erfolg der verschiedenen Holtzbrinck-Publikumsverlage beigetragen hat, Gründe hat, zum Jahresende das Haus zu verlassen, eines der größten Verlagshäuser der Welt. Und auf jeden Fall sagt uns das, dass wir dort sicherlich mit Veränderungen zu rechnen haben. Ob die allzu dramatisch sind, wird die Zeit weisen.

    Köhler: Nun ist es oft so, dass Veränderungen in der Geschäftsführungsstruktur von Verlagshäusern meist begründet werden – man drückt sich dann so etwas ökonomisch aus – mit Optimierung der Ertragsstruktur in verändertem Geschäftsumfeld, soll heißen Onlinebuchhandel, E-Book und so weiter. Sind da andere Renditeerwartungen zutage getreten, dass da jetzt Amerikaner künftig das Steuer lenken?

    Ehling: Man kann sicherlich das Ausscheiden von Herrn Salat vor dem Hintergrund sehen, dass das Buchgeschäft bei Holtzbrinck auf internationale Füße nicht erst gestellt worden ist, sondern von den Strukturen her jetzt nicht mehr aus Stuttgart, sondern aus New York geleitet wird. Zur Holtzbrinck-Gruppe gehört ja unter anderem der englisch-amerikanische Großverlag Macmillan, der sowohl im Publikumsbereich wie auch im Schulbuchbereich sehr, sehr stark ist. Und insgesamt operiert Holtzbrinck mit seinen Buchgeschäften in 80 Ländern. Nun wäre es natürlich vollkommen falsch zu meinen, dass Herr Salat nicht in der Lage wäre, ein solches internationales Geschäft auch zu leiten. Er hat gezeigt, dass er da gutes Verständnis für hat. Aber man hat sich bei Holtzbrinck anders entschieden und möglicherweise, wenn man tatsächlich nach Motiven sucht für dieses Ausscheiden, dann hängt das damit zusammen, dass ab einer bestimmten Fallhöhe Manager auch nicht mehr bereit sind, sich allzu viel vor die Nase setzen zu lassen.

    Köhler: Herr Ehling, ist damit die Unabhängigkeit der Teilmärkte, des Teilmarktes Europa, des besonderen Teil-Teilmarktes Deutschland gefährdet?

    Ehling: Ich denke nicht, dass die Unabhängigkeit der Verlage, vor allen Dingen der Verlage in Deutschland, in irgendeiner Weise gefährdet werden soll. Holtzbrinck wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn man versuchen würde, Fischer, Rowohlt, Droemer, Kiepenheuer und Witsch, wie sie alle heißen, in irgendeiner Weise in einen Guss führen zu wollen. Gerade bei den großen Aushängeschildern wie Fischer und Rowohlt hat die Politik der vergangenen Jahre, nämlich dort eine lange Leine zu lassen, den Konzern als eine Art gemeinschaftliche Bank funktionieren zu lassen, aber ansonsten die Leute entscheiden zu lassen, was sie mit ihren Programmen anführen wollen, doch sehr, sehr erfolgreich gewirkt. Fischer ist ja nicht nur im Publikums-, im Massenmarktgeschäft sehr, sehr erfolgreich, genau wie Rowohlt, sondern eben auch bei der sehr, sehr anspruchsvollen Literatur. Und diesen Spagat hat man in den vergangenen Jahren sehr, sehr gut gemeistert. Es ist ja auch so, dass Herr Salat vor gut 14 Jahren von DTV zu Holtzbrinck gewechselt ist und seinerzeit die Buchverlage dort tief rote Zahlen geschrieben haben. Und es ist sicherlich sein Verdienst, dass heute diese Verlage sehr, sehr stark aufgestellt sind. Das Elektrogeschäft hat man auch einigermaßen fantasievoll angestrengt. Es gibt Lesercommunities wie NeoBooks oder LovelyBooks, die ganz gut funktionieren, natürlich noch keine wirklichen Erträge bringen, aber die Zeit wird das weisen. Man ist im Massenmarkt mit dem E-Book-Geschäft ganz gut aufgestellt und gehört zu den Verlagen, die heute schon zwischen fünf und zehn Prozent ihres Umsatzes, je nach Geschäftswelt und je nach Titel, mit E-Books erreichen können. Also, er hinterlässt auf jeden Fall ein sehr, sehr gut bestelltes Feld und sein Nachfolger wird da gut agieren können.

    Köhler: ..., sagt Holger Ehling. Der Buchmarkt ist also weiterhin in Bewegung.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.