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"Identitäre Bewegung"
Rechtsextremisten wollen Flüchtlinge im Mittelmeer stoppen

Die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" wird in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie lehnt den Zuzug von Flüchtlingen nach Europa ab. Nun hat sie sich mit einem Schiff ins Mittelmeer aufgemacht, um vor der Küste Libyens Menschen auf ihrem Weg nach Europa zu stoppen.

Von Karin Bensch-Nadebusch | 14.07.2017
    Rettungskräfte der Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée nähern sich einem überfüllten Schlauchboot im Mittelmeer. Die Menschen wurden auf das Rettungsschiff "Aquarius" gebracht.
    Mit einem durch Spendengeldern finanzierten Boot will die sogenannte Identitäre Bewegung Flüchtlingsboote im Mittelmeer aufhalten und nach Libyen zurückbringen. (dpa / Lena Klimkeit)
    Nicht nach Italien, nach Libyen sollen die Flüchtlinge zurück. Das ist Ziel von europäischen Rechtsextremisten, die sich "Defend Europe" nennen, also "Verteidige Europa". Dahinter stecken vor allem deutsche, österreichische, französische und italienische Mitglieder der "Identitäten Bewegung", die in Deutschland wegen ihrer völkischen Ideologie vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
    Die mehrheitlich jungen Leute haben mithilfe von Spendengeldern ein etwa 40 Meter langes Schiff gechartert. Es befindet sich derzeit auf dem Weg nach Sizilien und soll einigen Wochen in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste unterwegs sein, sagt Sprecher Daniel Fiß aus Rostock.
    "Wir werden es eben nicht wie die NGOs machen, dass wir den viel zu weiten Weg nach Italien fortsetzen werden, sondern, dass wir eben dort mit der libyschen Küstenwache kooperieren werden. Und dass die Leute wieder sicher an den nordafrikanischen Küsten landen können."
    Schiffe von privaten Hilfsorganisationen beobachten
    Dorthin zurück, wo sie herkamen und nicht wieder hin wollen? In das ehemalige Bürgerkriegsland Libyen, das politisch noch immer sehr instabil ist. In das derzeit niemand abgeschoben werden kann. Doch was passiert, wenn sich die Mission der Rechtsextremisten unter Flüchtlingen herum spricht und niemand an Bord gehen oder bleiben will?
    "Ich gehe davon aus, dass es da nicht zu irgendwelche gewaltsamen Ausschreitungen oder Ähnliches an Bord geben wird",
    sagt der 24-jährige Student. Für die Sicherheit der sechs Besatzungsmitglieder sollen Security-Mitarbeiter sorgen. Auch dann, wenn das Schiff auf möglicherweise bewaffnete Menschenschlepper stoßen sollte.
    "Defend Europe" will vor der libyschen Küste auch Schiffe von privaten Hilfsorganisationen beobachten, erklärt Sprecher Daniel Fiß.
    "Die eben dort auch Beweise sammeln, dass diese Organisationen mit den Schleppern an der afrikanischen Küste kooperieren. Und dort eben illegale Aktivitäten ausgeführt werden, die wir dann dokumentieren und juristisch weiter verfolgen werden."
    Bisher keine Beweise
    Für diesen Vorwurf gibt es bislang allerdings keinen einzigen wasserdichten Beweis. Besteht die Gefahr, dass Rechtsextreme und Seenotretter in den kommenden Wochen auf hoher See aneinandergeraten? Dazwischen Flüchtlinge in Schlauchbooten, die künftig überlegen müssen, bei welchem Schiff sie an Bord gehen?
    "Wir arbeiten dort weiter, wir werden unseren Einsatz fortführen, Hand in Hand mit den italienischen Behörden, übernehmen unsere Verantwortung. Und wer uns da stören will, ja, der macht das anscheinend, aber bis jetzt ist nichts passiert, und wir verwenden da auch nicht sonderlich viel Energie drauf",
    sagt Verena Papke, Sprecherin der privaten Hilfsorganisation "SOS Mediterranee", deren Schiff erst vor wenigen Tagen über 800 Menschen aus dem Mittelmeer retteten.
    Sorge vor den selbst ernannten Rettern aus dem rechten Lager hat die junge Frau nicht. Sie bewegt gerade etwas anderes viel mehr.
    "Dass Europa vor seinen Grenzen Menschen ertrinken lässt, das sind die Dinge, die uns wirklich Sorgen machen. Und ich glaube, darauf sollte man sich fokussieren."