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In Fukushima leckt es weiterhin

Bei der Olympia-Qualifikation Tokios zeigte sich erneut, dass es weltweit Bedenken wegen des schwer beschädigten Kraftwerks Fukushima gibt. Weder die Regierung, noch der Betreiber Tepco scheinen den Meiler im Griff zu haben.

Von Jürgen Hanefeld |
    Die Jugend der Welt trifft sich im Schatten von Fukushima? Die aktuelle Sorge galt vor allen Dingen der kontaminierten Kühlflüssigkeit, die offenbar spurlos aus den lecken Tanks verschwindet ... ins Meer. Umso überraschender die Aussage von Japans Premier Shinzo Abe unmittelbar nach der Entscheidung in Buenos Aires:

    "Ich habe den Mitgliedern des IOC erklärt, dass das radioaktive Wasser innerhalb eines bestimmten Bereichs festgehalten wird."

    Zwei Tage später setzt Abes Regierungssprecher Suga noch einen drauf:

    "Premierminister Abe hat gesagt, das kontaminierte Wasser sei unter Kontrolle. Es gibt kein Sicherheitsproblem."

    Auch japanische Journalisten rieben sich die Augen. Ein ganz mutiger fragte auf Seite 1 seiner Zeitung, ob der Regierungschef so sich irren könne - oder einfach gelogen hat, um das IOC zu beeindrucken.

    Professor Dale Klein, früher Chef der US-Atomaufsicht, jetzt in Diensten des verantwortlichen Energiekonzerns TEPCO, bringt die Lage auf den Punkt:

    "Es gibt noch viel zu tun in Fukushima."

    Die Katastrophe hatte sich am 11. März 2011 entfaltet. Ein schweres Erdbeben löste einen Jahrhundert-Tsunami aus, dessen riesige Wellen Städte und Dörfer wegschwemmten. 20.000 Menschen kamen um.

    Das Kernkraftwerk in der Präfektur Fukushima liegt direkt am Meer. Drei seiner sechs Reaktorblöcke brannten durch, nicht etwa, weil es keine Sicherheitsvorkehrungen gegeben hätte. Sondern weil die Flutwelle auch die Generatoren zerstört hatte, die das Kühlwasser für die Brennstäbe herbei pumpen sollten.

    Der Streit darüber, wer nun schuld ist an der Katastrophe, die unberechenbare Natur - wie es gerade in diesen Tagen erneut von einem Gericht festgestellt wurde - oder der Betreiber TEPCO, der seine Sicherheitsverpflichtungen nicht erfüllt hat, dieser Streit wird nie entschieden sein, denn er ist ein politischer.

    Klar aber ist, dass der Energiekonzern mit dem Unfall überfordert war - und immer noch ist. Keine zwei Wochen ist es her, dass der Direktor der japanischen Atomaufsicht, Tanaka, öffentlich ausrastete:

    "Alles, was TEPCO ankündigt, ist wirr und unglaubwürdig. Auch die Messinstrumente, die TEPCO einsetzt, um die Radioaktivität in den Kühlwasserbecken zu bestimmen, taugen nicht für diesen Zweck."

    Damit waren die inzwischen fast 1000 riesigen Tanks gemeint, aus denen weiterhin radioaktives Wasser leckt. Wohin auch mit 300.000 Tonnen strahlender Brühe, die nach zweieinhalb Jahren noch immer nicht gefiltert sind und deshalb nicht in Meer gelassen werden?

    Was seit dem Unfall von Fukushima stattdessen geschehen ist, bezeichnen Beobachter als Mischung aus Flickschusterei und Inkompetenz. Ganz Japan hat gelacht, als bekannt wurde, dass TEPCO leckende Rohre mit Tesa-Band verklebt.

    Kurz bevor in Südamerika über den Austragungsort der Olympischen Spiele entschieden wurde, zog Premierminister Abe die Reißleine - und die Verantwortung auf sich. Mit einer Geldspritze aus dem Staatshaushalt sollen nun alle tropfenden Tanks repariert, ein tiefgefrorener Erdwall um das Kraftwerk gelegt und eine Filteranlage für radioaktive Partikel gebaut werden. Warum erst jetzt, fragt sich die Öffentlichkeit.

    Eine Katastrophe wie im März 2011 kann zurzeit wenigstens nicht eintreten. Nach dem Unfall in Fukushima wurden alle 54 Kernkraftwerke abgeschaltet. Zwei gingen vorübergehend wieder ans Netz, mussten aber gerade eine Wartungspause einlegen. Seit vorgestern ist Japan komplett atomkraftfrei. Und noch ist keine Lampe erloschen. Vor allem nicht die Festbeleuchtung für Olympia 2020.