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Individualverkehr
Fliegende Autos für die Pendler der Zukunft

Technik. - Seit rund 100 Jahren träumen Menschen von fliegenden Autos. Es gab auch schon Dutzende Versuche, welche zu bauen. Doch real auf den Straßen oder in der Luft sind bis heute so gut wie keine zu sehen. Das liegt unter anderem daran, dass Flugzeuge nicht in Städten landen können. Dafür bräuchte man Autos mit hubschrauberähnlichen Fähigkeiten.

Von Lucian Haas |
    Das Cybermotion-Labor des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen. Der Luftfahrtingenieur Frank Niewenhuizen verschließt von außen eine fensterlose Pilotenkanzel, die am Arm eines großen Industrieroboters montiert ist. Der Versuchspilot in der Kanzel bekommt über Projektoren eine realitätsnah simulierte Außensicht wie aus einem Cockpit vorgegaukelt. Die Bewegungen aber sind echt, denn der Roboterarm kippt, dreht und wendet die Kanzel über Elektromotoren passend zu allen Fluglagen.
    "Diesen Simulator benutzen wir wenn es notwendig ist, realistische Simulationen zu machen. Hier können wir wirklich den Piloten einen fast realen Flug ermöglichen – mit allen Reizen, die im Normalflug auftauchen."
    Frank Niewenhuizen erforscht, wie Piloten mit dieser Flut an Reizen umgehen. Vor allem geht es ihm um die Frage: Wie kann man die Steuerung eines Fluggerätes so vereinfachen, dass sich der Pilot nur noch um das Wesentliche, wie beispielsweise die Richtungsvorgabe, kümmern muss? Denn viele seiner Probanden besitzen gar keine Fluglizenz und haben auch keine Flugerfahrung. Sie können höchstens Autofahren. Den Simulator manövrieren sie deshalb auch nicht mit einem Steuerknüppel, sondern mit einem normalen Lenkrad.
    "Das ist aus dem Grund, dass Menschen jetzt Autofahrer sind und diese Schnittstelle kennen. Wenn wir diese Schnittstelle eins zu eins im fliegenden Auto haben, dann wird das die Zeit fürs Training reduzieren, um das ganze so einfach wie möglich und so kostengünstig wie möglich zu halten."
    Im Hubschrauber am Stau vorbeipendeln
    Fliegende Autos – das ist die Vision hinter dem von der EU geförderten Forschungsprojekt Mycopter. Es zielt darauf, neue grundlegende Konzepte zu entwickeln, wie man unsere Städte von Staus entlasten könnte, indem man den Pendelverkehr teilweise in die Luft verlagert. Die Idee von fliegenden Autos als eine Mischung von Pkw und Flugzeug gibt es zwar schon seit rund 100 Jahren. Doch praxistaugliche Modelle sind bis heute nicht am Markt zu finden. Das liegt auch daran, dass Flugzeuge kaum mit dem Straßenverkehr kompatibel sind. Heinrich Bülthoff, Leiter des Mycopter-Projektes:
    "Wir werden nicht auf der Autobahn landen können, weil da ist kein Platz. Wir können auch nicht, wenn wir mit dem Auto im Stau stehen, die Flächen ausklappen und dann abheben. Für solche Fragen – gerade auch, wie fliege ich zur Arbeit – brauchen wir etwas, wo wir tatsächlich vertikal abheben können. Und dann haben wir es eher mit einem hubschrauberähnlichen Gerät zu tun."
    Autoähnliche Flugvehikel als Senkrechtstarter, darin sieht Heinrich Bülthoff die Zukunft des Individualverkehrs. Doch um so ein Konzept eines Tages realisieren zu können, gilt es, eine große Hürde zu überwinden. Hubschrauber sind die am schwierigsten zu steuernden Fluggeräte. Sie erfordern normalerweise eine lange Ausbildung und enorm viel Training.
    Bülthoff: "Das kann man nicht von jedem Autofahrer verlangen. Also, wenn wir jetzt jeden Autofahrer zum Piloten machen würden, dann würde das einfach nicht funktionieren. Das heißt, wir müssen Automatisierungstechnik haben und eine Schnittstelle zwischen dem Menschen und der Maschine, dem Flugauto, die uns das so einfach macht, wie das Autofahren."
    Darum kommt hier das Lenkrad ins Spiel. Damit soll auch der Pilot eines Flugautos künftig nur nach rechts und links steuern müssen. Alle weiteren Aufgaben, etwa zur Stabilisierung des Fluggerätes in der Luft, würde das Vehikel automatisch übernehmen. Tests im Tübinger Cybermotion-Simulator haben bereits gezeigt, dass das funktionieren kann.