Archiv

Innovation
Beton mit Carbonfasern macht Bauwerke widerstandfähiger

Ein für den Deutschen Zukunftspreis nominiertes Teams könnte mithilfe eines neu entwickelten Carbonbetons einen bedeutenden Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leisten. Und mehr noch: 50 bis 80 Prozent des Betons könnten damit eingespart werden, schätzen die Forscher.

Von Anja Krieger |
    Manfred Curbach zeigt am 21. September 2016 bei der Bekanntgabe der Nominierungen für den Deutschen Zukunftspreis im Deutschen Museum in München ein Gitter aus Carbon-Garn, mit dem Beton bewehrt werden kann
    Manfred Curbach zeigt am 21. September 2016 bei der Bekanntgabe der Nominierungen für den Deutschen Zukunftspreis im Deutschen Museum in München ein Gitter aus Carbon-Garn, mit dem Beton bewehrt werden kann (dpa picture alliance / Matthias Balk)
    Es sind unvorstellbare Mengen an Beton, die die Menschheit Jahr für Jahr verbraucht. Würde man aus den acht Milliarden Kubikmetern einen Turm bauen, käme man bis zum Mond. Und der Turm wächst immer weiter in die Höhe, denn je mehr Menschen auf der Erde leben, desto mehr Baumaterial wird auch gebraucht. Manfred Curbach beobachtet diesen Ressourcenverbrauch mit großer Sorge. Der Bauingenieur leitet das Institut für Massivbau an der TU Dresden:
    "Der Sand wird in manchen Gegenden dieser Erde schon knapp. Es werden dafür ungeheure Mengen an Zement hergestellt, und allein die Zementproduktion ist für ungefähr sechseinhalb Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich - das ist dreimal so viel wie der CO2-Ausstoß der Luftfahrtindustrie."
    Obwohl der Betonbau seit über hundert Jahren boomt, hat sich die Technik kaum verändert. Damit Brücken, Pfeiler oder Häuserwände den hohen Lasten gewachsen sind, wird eine Verstärkung aus Stahl in den Beton gegossen. Das Stahl-Skelett macht die Bauwerke zwar stark, aber auch anfällig für Schäden, erklärt Manfred Curbach:
    "Stahl kann rosten. Und das Unangenehme ist, dass das Korrosionsprodukt, dieser Rost, ein höheres Volumen hat, als der Ausgangsstahl. Das heißt, wenn Stahl rostet, vergrößert er sich, und sprengt den Beton ab. Und das ist das, was wir bei vielen Bauwerken ja sehen können."
    Um den Stahl vor Korrosion zu schützen, wird die Betonschicht deshalb viel dicker gebaut als eigentlich nötig. Trotzdem halten Häuser und Brücken aus Beton heute gerade einmal 40 bis 80 Jahre. Etwa ein Menschenleben - das ist viel zu kurz, wenn man bedenkt, was dabei an Sand, Wasser und Energie verbraucht wird.
    50 bis 80 Prozent des Betons könnten eingespart werden
    Der Beton, der hier an der TU Dresden angemischt wird, bekommt deshalb ein neuartiges Skelett. Das besteht aus Carbon, einem sehr leichten und belastbaren Material aus Kohlenstoffatomen. Am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungstechnik der TU Dresden erforscht Chokri Cherif den Einsatz von Hochleistungsfasern:
    "Also, wenn Sie so einen Carbonfaden in die Hand nehmen, Sie werden es niemals erahnen, dass so ein Carbonfaden aus 50 000 Einzelfilamenten besteht. Ein Filament hat einen Durchmesser von sieben Mikrometer, bedeutet viermal kleiner als ein menschliches Haar."
    Aus den feinen Filamenten spinnen die Forscher rund zwei Millimeter dicke Carbonfäden, die dann in einer großen Textilmaschine zu einem Gitternetz zusammengelegt und in einer Kunststofflösung getränkt werden. Das entstehende Gelege ist viel leichter als Stahl, kann aber deutlich mehr Gewicht tragen. Weil es nicht rostet, braucht es auch keinen dicken Mantel aus Beton. 50 bis 80 Prozent des Betons könnten so eingespart werden, schätzen die Forscher um Manfred Curbach. Weil das Carbon zudem sehr biegsam ist, ergäben sich auch ganz neue Wege im Bau:
    "Also, was im Moment die Architekten besonders freut, ist, dass eine neue Formensprache möglich ist. Dadurch, dass man eben jetzt eine Bewehrung hat, die noch beweglich bleibt. In Grenzen kann man sie auch an gekrümmte Schalungen leicht anpassen - es könnte also eine Renaissance des Schalenbaus geben."
    Die Betonplatte wird durch Gitter aus Carbon-Garn bewehrt, ermöglicht so extrem dünne Betonbauweisen, senkt so im Vergleich zu Stahlbeton den Ressourcenverbrauch und bietet neue architektonische Möglichkeiten
    Die Betonplatte wird durch Gitter aus Carbon-Garn bewehrt, ermöglicht so extrem dünne Betonbauweisen, senkt so im Vergleich zu Stahlbeton den Ressourcenverbrauch und bietet neue architektonische Möglichkeiten (dpa picture alliance / Matthias Balk)
    Material sechzehnmal teurer als die herkömmlichen Stahlverstärkungen
    Schon jetzt wird mit Carbonbeton gebaut, etwa der vier Meter hohe Pavillon im thüringischen Kala, dessen blütenartige Beton-Segmente nur vier Zentimeter dick sind. In den Carbonbeton könnten auch noch weitere Funktionen integriert werden, zum Beispiel eine Wandheizung, sagt Manfred Curbach:
    "Wir könnten aber auch die Wand benutzen, um entweder Informationen oder Energie aufzunehmen, Fotovoltaik integrieren, wir könnten gleichzeitig Informationen nach außen geben, indem LEDs einbetoniert werden und der Beton quasi als Bildschirm fungieren kann - das ist bei einer Fassade vielleicht lustig, aber auf einer Straße, einer Carbonbeton-Straße, könnten auf diese Art und Weise Richtungspfeile immer so optimal angezeigt werden, wie es dem Verkehrsfluss entspricht, so dass also dann vielleicht Richtungsfahrbahnen deutlicher erkennbar sind, und vieles andere mehr."
    Noch sind nicht alle Carbongelege, die die Dresdner Forscher entwickelt haben, baurechtlich zugelassen. Das Material ist sechzehnmal teurer als die herkömmlichen Stahlverstärkungen, doch weil es so leicht ist und Beton spart, könnte es sich trotzdem rechnen. Wenn Gebäude nicht nur 80, sondern 200 Jahre hielten und viel weniger Beton bräuchten, würde das Rohstoffe sparen. Die bestehen im Falle des Carbongeleges übrigens immer noch aus Erdöl. Im nächsten Schritt wollen Manfred Curbach und seine Kollegen deshalb auf erneuerbare Ressourcen umsteigen - wie etwa Holz:
    "Wir könnten den CO2-Ausstoß massiv reduzieren, die Ressourcen würden drastisch reduziert, und wir können trotzdem all die Bauwerke erstellen, die die Menschen brauchen."