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Insektizide
Vögel leiden unter Neonicotinoiden

Tierschutz. - In Deutschland geht es vielen Vogelarten schlecht. Nach dem Bericht "Vögel in Deutschland" schrumpfen die Bestände von knapp einem Drittel der untersuchten Vogelarten. Niederländische Biologen von der Universität Nijmegen haben bei einer Untersuchung in den Niederlanden herausgefunden, dass die Nutzung eines bestimmten Insektizids erhebliche Auswirkungen auf die Vogelpopulation hat. Ihre Ergebnisse stellen sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature" vor.

Von Joachim Budde |
    Ein Rotkehlchen, aufgenommen in bayerischen Neuschönau
    Insektenfresser wie das Rotkehlchen bekommen durch Insektizide Probleme. (dpa / picture alliance / Pleul)
    Im Frühjahr, wenn Stare oder Rauchschwalben ihre Jungen großziehen, müssen die Elterntiere große Mengen Insekten heranschleppen, um die hungrigen Mäuler zu stopfen. Die Küken brauchen das Protein aus den Insekten, um sich ordentlich zu entwickeln. Biologen der Radboud Universiteit im niederländischen Nijmegen haben 15 Vogelarten untersucht, die ihre Jungen ausschließlich mit Insekten großziehen. In manchen Gegenden der Niederlande geht es ihnen besser als in anderen, sagt Professor Hans de Kroon.
    "Wir haben herausgefunden, dass die beste mögliche Erklärung für dieses Muster der Imidaclopridgehalt im Oberflächenwasser ist. Und das haben wir zum ersten Mal gezeigt."
    Imidacloprid ist ein Insektengift aus der Gruppe der Neonicotinoide. Diese Gifte stören die Signalwege in den Nerven – bei Insekten deutlich effektiver als bei Wirbeltieren wie Vögeln oder auch Menschen. Imidacloprid ist in den Niederlanden seit 1994 zugelassen und gehört seit zehn Jahren zu den drei beliebtesten Pestiziden dort. Die Forscher aus Nijmegen stützten sich bei ihrer Studie auf Wasseruntersuchungen der Waterschappen, der niederländischen Gewässerverwaltung.
    "Unsere Analysen zeigen, dass ab einer Konzentration von 20 Nanogramm Imidacloprid pro Liter Wasser die Vogelpopulationen kleiner werden. Liegt die Konzentration unter diesem Wert, sehen wir den Rückgang nicht."
    Besonders betroffen sind die Provinz Südholland und der Nordosten der Provinz Groningen. Mancherorts maßen die Leute der Waterschappen über 2000 Nanogramm Imidacloprid pro Liter.
    "Das bedeutet, dass in vielen Gebieten in den Niederlanden die Grenzwerte für diese Stoffe überschritten werden. Das ist nichts Neues, aber wir zeigen jetzt, dass damit ein Rückgang der Vogelpopulation zusammenhängt."
    In diesen Gegenden gibt es viele Gewächshäuser und Felder mit Blumenzwiebeln oder Feldfrüchten, deren Samen mit dem Insektengift gebeizt werden, wie zum Beispiel Raps, sagt Caspar Hallman, Hauptautor der Studie:
    "Wie das den Vögeln zusetzt, müssen wir noch näher erforschen, aber wir vermuten, dass es indirekte Effekte sind über die Nahrungskette. Die Vögel finden weniger Insekten, und die sind vor allem in der Brutsaison für die Aufzucht der Küken wichtig. Wir können aber nicht ausschließen, dass manche Arten auch direkt mit dem Gift in Kontakt kommen, sei es, dass sie behandeltes Saatgut fressen oder Insekten, die an Imidacloprid gestorben sind."
    Um sicher zu gehen, dass der Zusammenhang stimmt, haben die Forscher die Daten mit Erhebungen verglichen aus der Zeit, als Imidacloprid noch nicht zugelassen war. Auch Änderungen der Landnutzung zeigten keinen Zusammenhang mit dem Vogelrückgang. Der große Einfluss von Imidacloprid hat die Wissenschaftler selbst überrascht, sagt Hans de Kroon:
    "Wir wissen, wie viele Ursachen es für den Rückgang von Vogelpopulationen geben kann, darum haben wir ein halbes Jahr herumgerechnet, um zu prüfen, ob wir ihn mit anderen Einflüssen erklären können. Als das nicht gelang, wussten wir, dass wir auf etwas Wichtiges gestoßen waren."
    Hans de Kroon nennt den großen Einfluss von Imidacloprid auf insektenfressende Vögel alarmierend. Zudem habe eine Reihe von Studien in letzter Zeit gezeigt, dass Pestizide dieser Familie auch nützliche Insekten beeinträchtigen.
    "Es kann so nicht weitergehen. Wir sind wirklich dabei, unsere Umwelt zu vergiften. Wir hoffen, dass all jene unsere Studie ernst nehmen, die Maßnahmen gegen diese Neonicotinoide ergreifen können. Denn ihre Auswirkungen sind vielleicht noch ernster als mancher angenommen hat."