Dienstag, 19. März 2024

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Iran-Politik der USA
"Es geht nicht nach Trumps Pfeife"

Der Linken-Politiker Niema Movassat hat die deutlichen Worte von Außenminister Sigmar Gabriel gegenüber US-Präsident Donald Trump begrüßt. Er glaube, dass Trump jetzt Druck von möglichst vielen Seiten brauche, sagte er im Dlf. Gabriel hatte Trump wegen seiner Ankündigung, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen, kritisiert.

Niema Movassat im Gespräch mit Philipp May | 21.09.2017
    US-Präsident Trump während eines Treffens in New York, auf dem eine Reform der UNO besprochen wurde.
    "Was die USA in Richtung Iran gerade treiben mit der Ankündigung der Aufkündigung des Atomabkommens, das würde eine internationale Katastrophe ergeben", sagte Linken-Politiker Niema Movassat im Dlf. (AFP / Brendan Smialowski)
    Philipp May: Zeit, das Geschehen in New York einzuordnen. Mitgehört hat der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat von der Linkspartei, Sohn iranischer Eltern und Mitglied in der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Guten Abend.
    Niema Movassat: Guten Abend, Herr May.
    May: Hat Außenminister Sigmar Gabriel die richtigen Worte gefunden?
    Movassat: Ich finde, Herr Gabriel hat gut daran getan, das Vorgehen der USA zu kritisieren, weil das, was die USA in Richtung Iran gerade treiben mit der Ankündigung der Aufkündigung des Atomabkommens, das würde eine internationale Katastrophe ergeben. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Gabriel auch vielleicht Herrn Trump direkt genannt hätte und dadurch noch mal viel deutlicher gemacht hätte, wer für diese Katastrophe verantwortlich ist.
    May: Wird Trump das umstimmen?
    Movassat: Ich glaube, dass Trump jetzt Druck braucht von möglichst vielen Seiten, dass die internationale Gemeinschaft klarmachen muss, das Atomabkommen mit dem Iran ist kein bilaterales Abkommen zwischen den USA und dem Iran, sondern es geht die gesamte UN an. Deshalb geht es nicht nach Trumps Zweifel, sondern die Weltgemeinschaft muss darüber entscheiden. Und wenn alle Partner dieses Abkommens, ja die USA selbst - Rex Tillerson, der US-Außenminister sagt das ja - feststellen, dass der Iran das Atomabkommen einhält, dann gibt es auch keinen Grund, es aufzukündigen.
    "Hätte mir gewünscht, dass die Kanzlerin das ernster nimmt"
    May: Sie sprechen von Druck. Hat Sigmar Gabriel gemacht, aber er ist eben nur der Außenminister. Hätte die Bundeskanzlerin das eigentlich machen müssen?
    Movassat: Es ist natürlich nachvollziehbar, dass man in Wahlkampfzeiten natürlich lieber in Deutschland ist. Gleichzeitig muss ich sagen: Wenn die USA dieses Abkommen aufkündigen, dann haben wir eine riesige internationale Krise, erstens im Nahen Osten, weil das natürlich den Konflikt dort verschärfen wird, aber zweitens auch international, weil Völkerrechtsverträge dann weniger zählen werden. Das heißt, wie will man eine Lösung im Nordkorea-Konflikt finden, wenn man nicht bereit ist, ein geschlossenes Abkommen einzuhalten. In so einer Situation hätte ich mir schon gewünscht, dass auch die Bundeskanzlerin das ernster nimmt und mal den Wahlkampf unterbricht und in New York mal auf den Tisch haut.
    May: Vielleicht hat sie ja schon resigniert bei Donald Trump.
    Movassat: Das kann sein, aber das wäre keine gute Lösung, sondern natürlich muss man die Auseinandersetzung suchen.
    May: Sie haben gesagt, das wäre eine große Katastrophe, wenn die USA tatsächlich das Atomabkommen kündigen. Was glauben Sie denn? Sie kennen die Situation im Iran gut. Wie wird der Iran denn reagieren?
    Movassat: Man muss ja wissen, dass es nicht den Iran gibt. Es gibt ja im Iran verschiedene Kräfte und es gibt neben Präsident Rohani und seinem Außenminister ...
    May: Die gelten ja als besonnen.
    Movassat: Die gelten als besonnen. Das sind sozusagen die moderaten Kräfte, Sarif und Rohani. Aber es gibt Kräfte im Iran, die Hardliner, die wollen dieses Atomabkommen auch nicht. Da sind sozusagen die Hardliner in den USA und die Hardliner im Iran sehr einig. Die wollen beide das Atomabkommen nicht, aus unterschiedlichen Motiven.
    Sollte Trump das Atomabkommen wirklich kündigen, wird er die Hardliner im Iran bestärken, die von Anfang an gesagt haben, dieses Abkommen ist schlecht, und damit wird man die moderaten Kräfte schwächen und im Iran die Hardliner-Kräfte stärken. Das ist nicht im internationalen Interesse.
    May: Okay, Hardliner-Kräfte stärken. Aber heißt das auch definitiv im Umkehrschluss, der Iran wird sich dann nicht mehr an seine Verpflichtungen halten, die er ja auch gegenüber den anderen Staaten abgeschlossen hat?
    Movassat: Der Iran hat gesagt, er wird das Abkommen einhalten, solange die anderen es einhalten. Wenn die USA es nicht mehr einhalten und Sanktionen erlassen, dann haben wir ein Problem. Ich hoffe dann, dass die anderen Staaten, die Teil des Abkommens sind, den Iran dazu bewegen können, trotzdem das Atomabkommen einzuhalten, aber es wäre aus Sicht des Iran rechtlich und politisch nachvollziehbar, wenn sie dann sagen, wir fühlen uns an dieses Atomabkommen nicht mehr gebunden.
    "Deutschland kommt im Besonderen eine Mittlerrolle zu"
    May: Einer dieser Staaten ist ja Deutschland. Was sollte Deutschland dann ganz konkret tun im Verhältnis zum Iran?
    Movassat: Ich finde, Deutschland hat natürlich eine Mittlerrolle, weil es gibt natürlich traditionell politische und wirtschaftliche Beziehungen zum Iran und Kanäle, die man nutzen kann, um mit der Regierung dort im Gespräch zu sein. Gleichzeitig hat man auch Kontakte in die USA. Deutschland kommt hier im Besonderen eine Mittlerrolle zu zwischen beiden Seiten und deshalb gerade Deutschland als NATO-Partner der USA muss natürlich den Druck auf die USA ausüben und erhöhen und im Gespräch dort sein und deutlich machen, dieses Atomabkommen habt ihr unterschrieben, liebe USA, ihr stellt selber fest, es wird technisch eingehalten, es gibt keinen Grund, es aufzukündigen, gleichzeitig Richtung Iran natürlich deutlich zu machen, auch wenn die USA am Ende aussteigen sollten, wir sind bereit, an diesem Abkommen festzuhalten und mit euch da im Gespräch zu bleiben. Ich glaube, beides ist wichtig.
    "So geht internationale Diplomatie einfach nicht"
    May: Jetzt sagen die USA, Sie haben es auch gesagt, Rex Tillerson, der Außenminister, okay, der Iran hält sich zwar an den Atomvertrag, aber darüber hinaus ist das ein Schurkenstaat, der für die Destabilisierung des Nahen Ostens nun mal maßgeblich verantwortlich ist. Gehen Sie da mit?
    Movassat: Der Iran ist ein Land, das in der Tat auch sich an der Destabilisierung im Nahen Osten beteiligt, wie die USA im Übrigen auch, aber auch die Bündnispartner der USA wie Saudi-Arabien. Gegen die werden ja auch keine Sanktionen erlassen. Und man muss wissen: Das Atomabkommen regelt bestimmte Situationen, nämlich dass der Iran keine freie Urananreicherung vornehmen soll, keine freie zivile Nutzung der Atomenergie, sondern unter strikten Regeln, und auch kein Atomwaffenprogramm. Das ist der Regelungsgegenstand, und dieser Regelungsgegenstand wird eingehalten.
    Alle anderen Themen, die natürlich auch auf der Agenda sind, sind nicht Teil dieses Atomabkommens, und man kann nicht hinterher irgendwelche Punkte, wo man meint, die hätten darüber geschwebt oder so, was jetzt ja die USA tun, plötzlich dort nachverhandeln wollen. So geht internationale Diplomatie einfach nicht.
    May: Aber man kann ja trotzdem Sanktionen aus anderen Gründen erlassen.
    Movassat: Na ja. Das ist dann schon problematisch, wenn man in einem Abkommen vorher sich verpflichtet hat, Sanktionen aufzuheben. Dann müsste es mindestens eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates sein, damit das im internationalen Rahmen ist, weil dann könnte man sagen, okay, es gibt eine internationale Vereinbarung, aber gleichzeitig gibt es eine Konstellation, wo Sanktionen notwendig sind. Aber das muss der Sicherheitsrat entscheiden und nicht die USA unilateral.
    May: Sagt Niema Movassat von der Linkspartei, Mitglied im Bundestag und dort in der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Herr Movassat, vielen Dank für das Gespräch.
    Movassat: Ja, sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.