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Israel
Fußball-Bildung im Heiligen Land

Seit 2008 nimmt das deutsche Nationalteam der Unter-18-Jährigen jeweils Mitte Dezember an einem Winterturnier im Heiligen Land teil. Die Jugendspieler können sich im milden Klima sportlich entwickeln. Und sie bilden sich dabei auch politisch.

Von Ronny Blaschke |
    Die deutsche U-18-Nationalmannschaft in der "Halle der Namen" in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel
    Die deutsche U-18-Nationalmannschaft in der "Halle der Namen" in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel (Ronny Blaschke)
    Ein sonniger Vormittag in Jerusalem. Schulklassen und Soldatengruppen warten vor der sandsteinfarbenen Gedenkstätte Yad Vashem. Unter ihnen sind Jugendliche in weißen und blauen Trainingsanzügen. Die U-18-Nationalteams aus Deutschland und Israel gedenken gemeinsam der Opfer der Nationalsozialisten.
    In Gruppen geht die Fußballdelegation durch die Ausstellung. Immer wieder kreuzt sie den enger werdenden Betonpfad, der bald nur noch einen schmalen Streifen Licht durchlässt. Die Spieler blicken in Vitrinen, sehen Filme, hören die Namen von ermordeten Kindern. Es sind Eindrücke, die der 17 Jahre alte Lucas Cueto wohl nicht vergessen wird. Für den Nachwuchsspieler des 1. FC Köln ist es die erste Länderspielreise.
    "Junge Menschen sollten Gedenkstätten wie diese besuchen. Wir hatten im Geschichtsunterricht den Nationalsozialismus nur angerissen. Aber hier wird einem noch einmal vergegenwärtigt, wie brutal und wie menschenunwürdig die Nationalsozialisten damals vorgegangen sind. Ich bin betroffen, es war auch sehr lehrreich und detailreich. Wir sollten das auf jeden Fall alle mit nach Hause nehmen und auch unseren Familien erzählen. In der Schule kann man das gar nicht so ausführlich machen, wie es hier möglich ist."
    Vor der Abreise wurden die Jugendspieler des DFB in Frankfurt ausführlich informiert über Vergangenheit und Gegenwart Israels. Einige von ihnen legen bald das Abitur ab. Ihre Schulbildung soll nicht eingeschränkt werden, daher haben sieben Spieler in Israel Klausuren geschrieben, unter Aufsicht von mitgereisten Pädagogen, zeitgleich mit ihren Schulklassen in Deutschland. Für Rainer Koch, den ersten Vizepräsidenten des DFB, ist Bildung ein wesentliches Merkmal für die Professionalisierung der Nachwuchsförderung.
    "Man weiß zwar nie, wer es sein wird in der Altersgruppe, aber es ist doch höchstwahrscheinlich, dass immer einer aus der Gruppe eine Spitzenposition einnimmt und dann Vorbildcharakter entwickelt. Und dann ist es wichtig, dass diese jungen Menschen auch frühzeitig mit diesen Eindrücken versehen werden. Und dass sie, wenn sie in Israel Fußball spielen, mehr mitbekommen als das Stadion von Netanya oder das Trainingszentrum des israelischen Fußballverbandes."
    Sportler sind aufeinander zugegangen, als Politiker noch Distanz hielten. 1956 reiste Willi Daume nach Israel. Der Präsident des Deutschen Sportbundes übergab eine Spende an den Sportverband. Fortan reisten Abgeordnete des Bundestages ebenfalls nach Israel, getarnt als Sportfunktionäre. Für eine offizielle Einladung war es noch zu früh nach dem Krieg. Als erster Fußballer trat Helmut Rahn 1962 in Israel auf. Der Siegtorschütze des deutschen WM-Triumphs von 1954 spielte für das holländische Team SC Enschede gegen Hapoel Tel Aviv. Er wurde von den Zuschauern fair verabschiedet. Ein Jahr später reisten deutsche Studenten an das Wingate-Institut, die israelische Sporthochschule. Mit dabei: Manfred Lämmer. Über Jahrzehnte prägte der Wissenschaftler die Sportgeschichtsforschung an der Sporthochschule Köln:
    "Der Sport hat sich als bessere Brücke erwiesen als etwa Kunst, Kultur und Wissenschaft. Als Borussia Mönchengladbach 1970 bei dem legendären Auftritt in Tel Aviv von Tausenden gefeiert wurde, da hat man geglaubt, man könne nun im nächsten Jahr auch eine deutsche Kulturwoche in Tel Aviv wagen, zu der übrigens Günter Grass und andere damals als progressiv geltende Literaten angereist waren. Sie wurden noch mit Tomaten und faulen Eiern beworfen. Die Fußballspieler wurden gefeiert. Das zeigt, dass der Fußball gegenüber der Hochkultur den Vorteil hat, dass er ganz andere soziale Schichten anspricht."
    2015 liegt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland 50 Jahre zurück. Auch der Fußball wird dieses Jubiläum begleiten. Wie aber lässt sich eine Partnerschaft lebendig erhalten, ohne Routine aufkommen zu lassen? Auch in diesem Jahr waren die DFB-Funktionäre auf der Suche nach der richtigen Balance: zwischen Repräsentation und Fürsorge, zwischen Entwicklungshilfe und Sozialmarketing. In Akko, im Norden Israels, haben sie einer Schule mit jüdischen und muslimischen Kindern eine Spende von 5000 Euro übergeben. Die meisten Kinder aus der Region stammen aus sozial schwachen Familien. Hans-Dieter Drewitz ist beim DFB als Vizepräsident für die Jugend zuständig:
    "Man muss ganz realistisch sagen, mit 5000 Euro können Sie Not nicht einmal lindern. Das Wichtige ist, Menschen zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind. Dass von ganz weit her andere kommen, die dieses Schicksal sehen und diese Arbeit würdigen. Meine Erfahrung ist: Auch, wenn das nicht ganz so glatt und so vollendet wirkt, ist Authentizität wichtig. Wichtig ist, dass die andere Seite sich wahr und ernst genommen fühlt."
    Für die Spieler steht in Israel der Fußball im Zentrum. Ihr Turnier beendet die U18 des DFB auf dem zweiten Platz. Es sind jedoch die Eindrücke dieser Reise, die dieses Ergebnis überdauern werden, glaubt Nachwuchsspieler Lucas Cueto vom 1. FC Köln.
    "Mich hat vor allem beeindruckt die Freundlichkeit der Menschen. Ich hatte da einige Vorbehalte, auch, wie die mit uns umgehen, ob die Geschichte noch eine Rolle spielt. Aber die Menschen hier sind sehr, sehr freundlich. Das werde ich auf jeden Fall mit nach Hause nehmen."