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Italien
Senat schließt Berlusconi aus

Silvio Berlusconi muss seinen Abgeordnetensitz räumen. Der Senat hat ihn mit großer Mehrheit ausgeschlossen. Der 77-Jährige darf sechs Jahre für kein politisches Amt kandidieren. Außerdem verliert er seine Immunität.

    Der Milliardär ist wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilt. Als Straftäter muss er damit aus dem Parlament ausgeschlossen werden. So sieht es ein Gesetz vor, das die Kammer im vergangenen Jahr verabschiedet hatte. Demnach dürfen Verurteilte mit Haftstrafen von mehr als zwei Jahren zudem sechs Jahre lang kein öffentliches Amt bekleiden oder sich darum bewerben dürfen.
    Der ehemalige Ministerpräsident hat damit zum ersten Mal seit 1994 kein Parlamentsmandat mehr inne. Der Sitz im Senat war Berlusconis wichtigstes politisches Amt. Mit dem Ausschluss aus der Kammer besitzt er in weiteren Strafverfahren keine Immunität mehr. Berlusconi blieb der Abstimmung fern, er ersparte sich die Schmach. Vor seinen Anhängern kündigte Berlusconi an, trotzdem in der Politik bleiben zu wollen: "Ich ziehe mich nicht in irgendein Kloster zurück, wir sind hier, wir bleiben hier."
    Für Berlusconi selbst ist es ein Skandal, dass er überhaupt verurteilt wurde. Die ursprünglich vierjährige Haftstrafe wurde aus Altersgründen umgewandelt: Statt einem einjährigen Hausarrest entschied er sich für Sozialarbeit. Staatspräsident Giorgio Napolitano forderte Berlusconi indirekt auf, ihn zu begnadigen. Er besitze jedoch die Würde, dies nicht selbst zu beantragen.
    "Ein bitterer Tag der Trauer"
    In einer hitzigen Debatte beriet der Senat über den Ausschluss des früheren Regierungschefs. Seine Unterstützer beklagten einen Angriff auf die Demokratie und attackierten ehemalige Gefolgsleute scharf. Berlusconi sprach auf einer anderen Veranstaltung von einem Staatsstreich. Heute sei ein bitterer Tag der Trauer für die Demokratie des Landes. Ähnlich äußerten sich seine Anhänger im Senat. In Berlusconis inzwischen gespaltenen Lager traten die Differenzen offen zutage: "Heuchler!", rief Alessandra Mussolini, Enkelin des faschistischen Diktators Benito Mussolini, ehemaligen Parteifreunden entgegen.
    Der italienische Premierminister Silvio Berlusconi sprcht vor dem Senat in Rom.
    Italienischer Senat in Rom (AP)
    Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) war Mitte des Monats in zwei Teile zerbrochen. Bei einem Parteirat in Rom stimmten die Berlusconi-treuen Delegierten für die Rückkehr zum alten Namen Forza Italia. Vize-Regierungschef Angelino Alfano, der von Berlusconi jahrelang gefördert wurde, gründete eine eigene Gruppierung namens Neue Rechte Mitte. Ihr gehören genug Parlamentarier an, um der Koalition von Regierungschef Enrico Letta weiter die Mehrheit zu sichern.
    Regierungschef Enrico Letta sagte, die Koalition werde trotz der Turbulenzen um Berlusconi in Zukunft "geschlossener und geeinter" auftreten. Schon in der Nacht hatte Lettas Regierung eine Vertrauensabstimmung im Senat mit klarer Mehrheit und der Unterstützung von rund 30 ehemaligen Gefolgsleuten Berlusconis gewonnen.
    Italiens Premierminister Enrico Letta vor der Vertrauensabstimmung
    Italiens Premierminister Enrico Letta (picture alliance / dpa / Ettore Ferrari)
    Berlusconi hatte nun neue Beweise für seine Unschuld angekündigt. Senatoren forderte er auf, die Abstimmung zu verzögern. In einem Brief warnte er sie vor einer Entscheidung, die sie "vor Ihren Kindern, Ihren Wählern und allen Italienern mit Schande überhäufen" werde. Am Nachmittag demonstrierten Tausende Anhänger Berlusconis in Rom für ihre Leitfigur.
    Aufstieg und Fall des "Cavaliere"
    Italiens Oberstes Gericht hatte am 1. August Berlusconis Verurteilung wegen Steuerbetrugs bei seinem Medienkonzern Mediaset endgültig bestätigt - dies ist nur eines von zahlreichen Justizverfahren gegen den Ex-Regierungschef.
    Berlusconis Aufstieg in der Politik begann 1994: Seine ein Jahr zuvor gegründete Forza Italia gewinnt aus dem Stand die Parlamentswahlen. Nach sieben Monaten zerbricht das Mitte-Rechts-Bündnis, doch sieben Jahre später feiert er sein Comeback als Regierungschef.
    Sein Fall begann vor zwei Jahren. Doch das Ende des Unheils ist mit dem heutige Ausschluss noch lange nicht erreicht: Der oberste italienische Gerichtshof muss über ein lebenslanges Ämterverbot für ihn entscheiden. Dazu geht der Prozess um den Vorwurf von Sex mit minderjährigen Prostituierten in die nächste Instanz. Im Februar beginnt ein neuer Prozess gegen Berlusconi wegen angeblicher Bestechung eines Senators.